Sexualität professionell begleiten – Wege in einen sinnstiftenden Beruf
Von der Scham zur Sprache: Wie Fachpersonen lernen, Sexualität kompetent zu begleiten.
Sexualität ist ein Thema, das alle betrifft – und dennoch vielerorts tabuisiert bleibt. In Schulen wird meist nur über Verhütung gesprochen, in Therapien bleibt das Thema Intimität auf der Strecke. Dabei ist Sexualität weit mehr als Biologie: Sie spiegelt unsere Identität, unsere Beziehungen, unsere Lebendigkeit – und unseren Wunsch nach Selbstbestimmung.
Wer beruflich mit Menschen arbeitet – ob in der Sozialen Arbeit, der Psychologie, der Pädagogik oder im Gesundheitswesen – wird mit Fragen rund um Sexualität konfrontiert. Doch viele fühlen sich unvorbereitet. Wie spreche ich mit Jugendlichen über Pornografie? Wie begleite ich Paare, die nach Jahren kaum noch Intimität erleben? Was bedeutet sexuelle Selbstbestimmung für Menschen mit Beeinträchtigung?
Mit diesen Herausforderungen beschäftigt sich das Institut für Sexualpädagogik und Sexualtherapie (ISP) in Zürich. Mit zwei praxisbezogenen Diplomlehrgängen und einem international anerkannten Master of Arts in Sexologie bietet das ISP drei berufliche Weiterbildungswege für Fachpersonen, die Sexualität professionell und verantwortungsvoll begleiten wollen – sei es in der Sexualpädagogik, in der Sexualtherapie oder in der sexualwissenschaftlichen Forschung und Praxis.
Drei Wege – ein Ziel: Kompetenz in einem sensiblen Feld
Der Diplomlehrgang Sexualpädagogik richtet sich an Personen aus den Bereichen Psychologie, Sozialarbeit, Pädagogik oder Medizin. In rund eineinhalb Jahren erwerben die Teilnehmenden konkretes Wissen über körperliche, psychologische und gesellschaftliche Aspekte der Sexualität – von der sexuellen Entwicklung über Diversität und Schutzkonzepte bis hin zu Methoden der sexualpädagogischen Arbeit.
Der Diplomlehrgang Sexualtherapie dauert zweieinhalb Jahre und fokussiert sich auf die Begleitung von Menschen mit sexuellen Fragestellungen, Beziehungsproblemen oder Funktionsstörungen. Die Teilnehmenden lernen grundsätzliches therapeutisches Handwerk, Paartherapie und körperorientierte Zugänge kennen – etwa die Arbeit mit Atem, Körperspannung oder Bewegungsrhythmen – und erwerben fundierte Tools für die sexualtherapeutische Praxis.
Wer tiefer eintauchen möchte, kann sich für den Master of Arts in Sexologie entscheiden. Das Studium dauert in der Regel dreieinhalb Jahre, ist berufsbegleitend konzipiert und vermittelt wissenschaftlich gestützte Kompetenzen im Bereich der Sexualberatung, -therapie und Sexualpädagogik. Die Studierenden setzen sich mit aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen auseinander – von der Digitalisierung bis hin zu intersektionaler Diskriminierung – und lernen, sexualwissenschaftliche Erkenntnisse praxisnah anzuwenden.
Was alle Programme verbindet
Unabhängig vom gewählten Weg stehen zwei zentrale Anliegen im Fokus: Selbstbestimmung fördern – und die eigene Haltung klären.
«In allen Lehrgängen arbeiten wir stark prozessorientiert», sagt Ben Kneubühler, Psychotherapeut und Studienleiter am ISP. «Das heisst, die Teilnehmenden setzen sich nicht nur mit Fachwissen auseinander, sondern reflektieren auch ihre eigenen Normen, Werte und Prägungen rund um Sexualität.»
Diese Selbstreflexion sei zentral, so Kneubühler. «Nur wer sich selbst kennt, kann anderen einen sicheren Raum bieten. Denn in der Auseinandersetzung mit sich selbst und anderen entsteht eine Sprache, die verbindet statt beschämt.»
Dieses ganzheitliche Verständnis von Sexualität – als Zusammenspiel von Körper, Psyche, Beziehung und sozialem Kontext – bildet die Grundlage aller Programme am ISP. Besonders deutlich wird es im Modell Sexocorporel, das als fachliches Fundament in den Ausbildungen verankert ist.
Es versteht Sexualität als lern- und entwickelbare Fähigkeit. Vier Bereiche stehen dabei im Fokus: Gedanken und Einstellungen, körperliche Empfindungen, Gefühle und Fantasien sowie das Beziehungserleben. Aspekte wie Erregungskurve, Körperspannung, Atmung und Bewegung zeigen, wie sich sexuelles Erleben im Körper aufbaut, verändert und ausdrücken lässt.
Sexualität als gesellschaftlicher Schlüssel
In einer Zeit, in der Debatten über Einvernehmlichkeit, Geschlechtsidentitäten oder sexualisierte Gewalt gesellschaftlich sichtbarer werden, braucht es Menschen, die sicher und kompetent begleiten können. Die Ausbildungen am ISP folgen einem modernen, sexpositiven Ansatz. Sexualität wird nicht als Problem betrachtet, sondern als Ressource.
Absolvent:innen arbeiten in Schulen, Beratungsstellen, Praxen, Kliniken oder Institutionen. Sie gestalten Workshops, führen Beratungsgespräche oder leiten Forschungsprojekte. Sie tragen dazu bei, dass Menschen ihre Sexualität selbstbestimmt leben können – in einer Welt, in der Offenheit und Fachkompetenz gefordert sind.
Mehr Informationen zu den Lehrgängen, zum Masterstudium und zum Modell Sexocorporel: isp-zuerich.ch/weiterbildung/
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