Wer sexuell aktiv sein möchte, muss auch bereit sein, über Sex zu sprechen. Dazu gehören Gespräche über Konsens, persönliche Grenzen und Wünsche. Eine Sexologin klärt auf.
Sex ist allgegenwärtig. Onlineshops für Sexspielzeug machen gut sichtbar Werbung für ihre Produkte, und in Teen-Shows wie «Riverdale» oder «Euphoria» sind Sexszenen gang und gäbe. Was man oftmals jedoch vergeblich sucht, sind Gespräche über Einvernehmlichkeit. Dies ist seltsam, ist Einvernehmlichkeit doch die Basis aller sexuellen Begegnungen.
«Für sexuelle Handlungen – egal in welchem Alter – gilt die Freiwilligkeit», erklärt Sexologin Simone Dudle. «Nur im Film sprechen die Menschen beim Sex nicht über das, was sie tun und was ihnen gefällt. Die Handlung, das Drehbuch, haben sie im Vorfeld mit dem Regisseur besprochen.»
Enthusiastisch Ja sagen
Für viele Menschen, besonders für Unerfahrene klingt es einschüchternd, über Sex zu sprechen. Wer jedoch sexuell aktiv sein möchte, wird kaum Drumherum kommen.
Konsens, das Einverständnis aller Beteiligten, steht dabei am Anfang. «Sexuelle Einvernehmlichkeit bezeichnet sexuelle Begegnungen, die durch verbale oder deutliche nonverbale Kommunikation abgestimmt werden», definiert Dudle.
Nur im Film sprechen die Menschen beim Sex nicht über das, was sie tun und was ihnen gefällt. Die Handlung, das Drehbuch, haben sie im Vorfeld mit dem Regisseur besprochen. Simone Dudle
Was vielleicht kompliziert und ernst klingen mag, ist in der Situation nicht weiter wild. Ein Einfaches Ist das gut für dich? gibt der anderen Person Raum, die eigenen Bedürfnisse auszudrücken.
Einvernehmlichkeit muss auch nicht immer verbal, jedoch stets deutlich sein. Eine Person, die einfach nur daliegt und mit sich machen lässt, fühlt sich vielleicht im Nachhinein übergangen. Macht man sich jedoch enthusiastisch an einem Hosenknopf zu schaffen, sieht die Lage anders aus.
Vorsicht Schutzalter
Wer jemanden sexuell unter Druck setzt oder zu Handlungen zwingt, macht sich strafbar. Bei Jugendlichen kommt noch die Dimension des Alters hinzu.
In der Schweiz beträgt das gesetzliche Schutzalter 16 Jahre. Erwachsene, die mit einem Kind oder Jugendlichen unter 16 Jahren sexuelle Handlungen vornehmen, machen sich strafbar. Es gibt bloss eine Ausnahme: «So ist Sex mit unter 16 Jahren erlaubt, wenn der Altersunterschied
höchstens drei Jahre beträgt – vorausgesetzt, beide willigen ein», informiert Dudle.
Das individuelle sexuelle Profil
Einvernehmlichkeit hört jedoch nicht bei einer schlichten Einwilligung zum Sex auf. «Bedürfnisse können sich im Verlauf einer Begegnung ändern, wer A sagt, muss nicht B sagen», führt Dudle aus. «Eine sexuelle Begegnung muss nicht einem linearen Drehbuch folgen, man kann jederzeit
aussteigen.»
Jeder Mensch zieht seine Grenzen woanders. Für jemandem mag Oralverkehr einfach dazugehören, für den anderen ist dies jedoch unangenehm.
«Jeder Mensch hat ein individuelles sexuelles Profil. Man kann nicht davon ausgehen, dass das Gegenüber das gleiche sexuelle Drehbuch hat wie ich. Nachfragen hilft!», sagt Dudle.
Die eigenen Grenzen kennenlernen
Um die eigenen Grenzen zu setzen, muss man diese jedoch erstmal kennen. Dafür muss man sich mit sich selbst beschäftigen, körperlich und emotional. «Sich Fragen wie: Was gefällt mir? Was turnt mich eher ab? Welche sexuellen Handlungen will ich auf keinen Fall tun? Was möchte ich probieren? Welche Berührungen mag mein Körper, mein Geschlecht? zu stellen, ist hilfreich, um Sicherheit zu gewinnen und eine sinnliche und verbale Sprache zu entwickeln. Nur wer eine Sprache hat, kann diese auch mit einem Gegenüber teilen», erklärt Dudle. Wer redet, vermeidet Frust, übernimmt Kontrolle und beteiligt sich aktiv am sexuellen Geschehen.
«Jugendliche brauchen das Wissen, dass Sexualität sehr individuell ist. Jeder Mensch hat ein ureigenes sexuelles Profil», sagt Dudle. «Sexualität wird gelernt, ein Leben lang.»
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