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Wohnen

Glas: Wer im Glashaus sitzt, liegt im Trend

04.04.2018
von Leslie Leuenberger

Von den deckenhohen Glaspaneelen des Farnsworth House bis zum gläsernen Raumschiff-Headquarter von Apple – Transparenz ist das signifikante Merkmal der modernen Architektur. Glas steht für Fortschritt und Offenheit und ist der Baustoff der Zukunft.

Es ist eines der berühmtesten Bauwerke der Modernen Architektur, ein radikaler wie revolutionärer Entwurf: Das Farnsworth House des Architekten Mies Van der Rohe. Der Deutsche baute es zwischen 1950 und 1951 in der Nähe von Chicago. Ein Haus auf Stelzen, dessen vier Aussenwände komplett aus Glas bestehen. Mies Vision war es einerseits, ein Gebäude zu erschaffen, welches sich harmonisch in die Landschaft einfügt. Und andererseits, Wohnraum- und Natur ineinander fliessen zu lassen. Fast zeitgleich entstand ein weiterer programmatischer Bau aus Glas. Das «Glass House» von Philip Johnson in New Canaan (US-Staat Connecticut) – das als Hommage an Mies van der Rohe zu verstehen ist. Es ist ebenfalls umringt von Bäumen und Grün und passt sich wie ein Chamäleon der umliegenden Natur an. Beide, Mies wie auch Johnsons Bau, wurden zu gläsernen Ikonen und dienten als Inspiration für die kommenden Generationen von Architekten.

Glashäuser – Kunstobjekte und Statements

Glas fasziniert die grossen Architekten nach wie vor und ist nicht nur einer der wichtigsten Bausteine der zeitgenössischen Architektur, sondern auch elementares Gestaltungsmittel. Jüngstes Beispiel dafür ist das neue Wahrzeichen Hamburgs, die Elbphilharmonie des Schweizer Architektenduos Herzog & de Meuron. Der Glaskörper an der Elbe ragt bis zu 110 Meter in die Höhe. Die rund 1000 gebogenen und bedruckten Glaselemente der Aussenfassade fangen Farben und Lichter des Wassers, des Himmels und der Stadt ein und reflektieren sie. Auch hier übernimmt das Glas die Funktion des verbindenden Elementes zwischen Natur und Architektur.

Der japanische Stararchitekt Sou Fujimoto hingegen nutzt seine Glasbauten als politisches Statement. Sein berühmten «House NA» in einem Wohnquartier Tokios ist ein Hauch von Nichts. Die wenigen Wände des Hauses sind durchsichtig – «Wände aus Himmel», wie sie Fujimoto selber bezeichnet. Sogar das Badezimmer ist transparent. In der zurückhaltenden und privaten japanischen Kultur sind Wände aus Glas gar als Provokation zu verstehen.

Glas ist modern und fortschrittlich und mittlerweile hochtechnologisch – und passt daher perfekt zu den zukunftsorientierten Technologiekonzernen.

Die Glaspaläste von Google, Apple und Amazon

Gebäude aus Glas liegen besonders bei den Tech-Giganten hoch im Kurs. So wurde die im kalifornischen Cupertino gelegene Firmenzentrale von Apple komplett aus Glas erschaffen – Aussen-, Innenwände und Böden sind allesamt transparent. Angedacht von Steve Jobs, entworfen von Stararchitekt Norman Foster, hat der Glaspalast eine ringförmige Form, ähnlich dem eines UFOs. Im April dieses Jahres soll der Glaskomplex, der rund fünf Milliarden Dollar kostet, fertiggestellt werden. Das Hauptgebäude gehört mit einer Fläche von 260’000 Quadratmetern zu den grössten der Welt.

Google hat zwar kein Raumschiff, dafür baut sich das Unternehmen ein Zelt aus Glas. Die Pläne für das neue Hauptquartier in Mountain View, Silicon Valley, zeigen einen weitläufigen, offenen Campus. Die transparente, baldachinartige Dachkonstruktion ist dabei das Herzstück des Entwurfs. Die ersten Strukturen sollen im Jahr 2020 fertig werden.

Ein weiterer gross angekündigter Glasbau war der des Online-Versandhändlers Amazon in Seattle. Das im Januar dieses Jahres eröffnete Hauptquartier erinnert an ein Gewächshaus. Der Bau besteht aus drei Glaskuppeln, die der Internetriese liebevoll «The Spheres» nennt. Im Innern befinden sich über 40’000 Pflanzen sowie kleinere Wasserpfade. Die Transparenz und die Regenwald-Atmosphäre sollen laut Amazon die Kreativität der Mitarbeiter fördern.

Wieso schlägt sich ausgerechnet Glas bei den Tech-Firmen als Trend durch? Ganz einfach: Glas steht für Offenheit, Neutralität und Transparenz. Werte, die gerade im Hinblick auf den aktuellen Datenskandal von Facebook aktueller und wichtiger den je scheinen. Weiter ist Glas modern und fortschrittlich und mittlerweile hochtechnologisch – und passt daher perfekt zu den zukunftsorientierten Technologiekonzernen.

Glas – der Hightech-Baustoff

Glas ist einer der ältesten künstlich hergestellten Werkstoffe und ist bereits seit tausenden von Jahren integraler Bestandteil unseres Alltags. Doch das Glas, das heute als Baumaterial verwendet wird, hat nicht mehr viel mit seiner Ursprungsform gemeinsam. Seine charakteristischen Merkmale hat es abgelegt: intelligentes Glas zerbricht nicht, ist nahezu unverwüstlich. Und es lässt sich dank neueren Technologien sogar biegen – man siehe die gekrümmten Glaspaneelen der Elbphilharmonie. Die Glastechnologie hat sich in den letzten Jahrzehnten so rasant entwickelt, dass wir heute gar von «Smart Glass» sprechen. Es lässt zu, interaktive Anwendungen einzubauen und es als Interface zu nutzen. Während Fensterflächen früher eher klein gehalten wurden, um Wärmeverluste im Winter zu vermeiden, ist dies bei den heutigen grossflächigen Verglasungen kein Thema mehr.

Hightech-Mischungen machen die Wände im Winter hochgradig effizient, indem sie Wärme und Licht speichern. Im Sommer hingegen kann das Glas das Sonnenlicht blockieren und vermeidet so, dass sich Glasgebäude in Treibhäuser verwandeln. Die heutigen Hightech-Fenster erzeugen gar selbstständig Strom und lassen sich via Knopfdruck abdunkeln. Glas gilt darüber hinaus wegen seinem Wiederverwendungskreislauf als besonders ökologisch. Bei der Produktion wird etwa 30 Prozent eingeschmolzenes Altglas verwendet.

Glas wird auch in Zukunft ein dominanter Baustein in der modernen Architektur sein. Wer weiss, vielleicht werden wir eines Tages alle Hightech-Versionen des Farnsworth House bewohnen.

Text: Leslie Leuenberger

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