interkulturell die freuden  leiden des interkulturellen schaffens
Diversität Bildung

Die Freuden und Leiden des interkulturellen Schaffens

20.07.2018
von Miriam Dibsdale

Durch Globalisierung und Migration sind viele Gesellschaften «multikulti» und interkulturell geworden. Entsprechend vielfältig sind heute auch die Teams im Arbeitsleben. Mitarbeiter aus verschiedenen Kulturen einzustellen, gilt bei immer mehr Arbeitgebern als Erfolgsfaktor. Was sind die Vorteile, die ein solcher Mix bringen kann – und was die Herausforderungen? Eine Spurensuche.

Wer die Tür zum Büro im Herzen Zürichs öffnet, hört im ersten Moment nur Lärm. Babylonisches Sprachgewirr. Erst nach  und nach lassen sich die Bestandteile des verbalen Potpourris identifizieren.  Tina aus Deutschland und Willy aus Frankreich unterhalten sich auf Armenisch, was wegen ihrer gemeinsamen Wurzeln im Kaukasus bestens klappt. Andrea wirft mit einigen Brocken Rätoromanisch um sich, während Olga in elegantem Hochdeutsch von der Schönheit ihrer Heimat Bulgarien schwärmt und Mimi, stolzer Spross englischer Aristokraten, in breitem Züridütsch über die Vorzüge von Gin referiert. Befeuert wird der linguistische Schmelztiegel von französischen Bonmots (Théo), italienischen «storie» (Lucia) und schweizerischen «Räubergschichtli» über die Militärzeit (Patrick). Dank grosszügigem Einsatz von Mimik und Gestik sowie Englisch als «lingua franca» scheint letzten Endes doch allen klar zu sein, worüber das Visavis gerade räsoniert.

Ohne ausländische Experten geht nichts

Die Arbeit mit Kollegen aus einem anderen Kulturraum oder Landsleuten mit einem Migrationshintergrund kann durchaus herausfordernd sein. Aufgrund der Sprache etwa, noch stärker aber wegen feiner kultureller Unterschiede. Ob Begrüssungsritual, Konfliktlösung, Kleidungsstil oder Hierarchieverständnis: Zahlreiche Hürden und Gräben stehen des Öfteren einer erfolgreichen interkulturellen Zusammenarbeit im Weg. Doch zugleich bietet die Arbeit mit Menschen aus einem anderen Kulturkreis viele Chancen. Einerseits für die Mitarbeiter, die durch den Kontakt ihren Horizont erweitern und spannende neue Bekanntschaften schliessen. Andererseits für die Unternehmen: Der «Talentpool», aus dem geeignete Arbeitnehmer rekrutiert werden können, vergrössert sich.

Insbesondere für Branchen mit einem Fachkräftemangel – in der Schweiz gibt’s davon nicht wenige – sind Experten aus dem Ausland ein entscheidender Erfolgsfaktor. Aufgrund der entsprechenden Forderungen von Wirtschaft und Kantonen hat der Bund deshalb für dieses Jahr die Kontingente etwa für Experten aus Nicht-EU-Ländern erhöht.

«Die Schweizer Wirtschaft soll auch 2018 die benötigten Fachkräfte rekrutieren können», heisst es in einer Medienmitteilung des Bundes. Insgesamt können Schweizer Unternehmen nun 8000 Spezialisten aus Drittstaaten anstellen.

«Diversity» kommt gut an

Neben ihren persönlichen Qualitäten bringen diese ausländischen Mitarbeiter zudem ein individuelles Netzwerk mit. Dies verbessert den Zugang des Unternehmens zu globalen Märkten, weil die Kontakte der Angestellten auch dem Unternehmen nutzen. Die Grossbank UBS beispielsweise, in 56 Staaten weltweit vertreten, beschäftigte im Jahr 2014 rund  60’000  Mitarbeiten-  de mit 147 unterschiedlichen Nationalitäten, die in rund 130 verschiedenen Muttersprachen kommunizierten. Eine Herausforderung, gewiss – doch aus dem riesigen Pool von Mitarbeitern ergeben  sich   entsprechend   viele   Verbindungen in die unterschiedlichsten Länder. Wird beispielsweise die Eröffnung eines neuen Standorts geplant, ist die Kenntnis der lokalen Verhältnisse Gold wert und erleichtert den Einstieg in einem neuen Markt oder einem neuen Land wesentlich.

Ein weiterer Vorteil einer kulturell derart diversen Belegschaft ist die positive Auswirkung auf die Reputation einer Organisation. Ethnische (sowie soziale und gendergerechte) Durchmischung ist «en vogue» und ins- besondere für jene Unternehmen ein Muss, die sich als modern und weltoffen positionieren wollen. Multikulti als Wettbewerbsvorteil also, direkt und indirekt.

Unterschiede bewusst machen

Interkulturelle Zusammenarbeit ist allerdings kein Selbstläufer. Sie trägt nur dann Früchte, wenn gewisse Grundvoraussetzungen erfüllt sind. Das Verhalten jedes Menschen beruht wesentlich auf den Anschauungen, Werten und Ritualen der Kultur, in der er sozialisiert wurde. Diese kulturelle Prägung ist je nach Individuum nicht immer offensichtlich, der Einfluss auf das Verhalten der Person aber stets vorhanden. Um mit Kollegen aus einem anderen kulturellen Umfeld erfolgreich zu arbeiten, ist eine gehörige Portion «cultural awareness» vonnöten.

Dies beinhaltet auf der einen Seite das Bewusstsein für die eigene Kultur, also für die spezifischen Vorstellungen und Traditionen, auf welche man sich mit seinem persönlichen Verhalten bezieht. Auf der anderen Seite aber auch Kenntnis über die zentralen Aspekte, welche die Kultur des Gegenübers ausmachen: soziale Strukturen, Überzeugungen, Kommunikationspraktiken.

Interkulturelle Kompetenzen entwickeln

Die Fähigkeit, erfolgreich Beziehungen zu Mitarbeitern aus einer anderen Kultur zu gestalten und zu unterhalten, ist im globalen Arbeitsumfeld des 21. Jahrhunderts eine der wichtigsten. Interkulturelle Kompetenz, so der Fachbegriff, basiert auf verschiedenen Eigenschaften wie Empathie, Kommunikationsfähigkeit und individuellen Einstellungen. Konkret: Man muss sich mit einer fremden Kultur auseinandersetzen und versuchen, eine Brücke zur eigenen zu bauen.

Diese interkulturelle Kompetenz bei den wenigsten Leuten von Natur aus vorhanden.Weil das menschliche Verhalten instinktiv auf der eigenen Kultur basiert. Seminare oder Schulungen können den erforderlichen Lernprozess anstossen und begleiten, entsprechende Angebote sind heute bereits weit verbreitet. So lässt sich die Basis legen für eine funktionierende und bereichernde interkulturelle Zusammenarbeit.

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