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Winterblues: Draussen wartet das Glück

08.12.2018
von Michelle Christen

An einem schönen Sommertag kriegen die Schweizer rund 100 000 Lux Tageslicht – an Wintertagen sind es noch etwa 7000. Doch was passiert mit dem Körper, wenn er weniger Beleuchtungsstärke abbekommt? Es droht der Winterblues.

Der Wecker klingelt, die Augen öffnen sich nur schwer und das Aufstehen aus dem kuscheligen Bett kostet immer wieder aufs Neue Überwindung. Beim Verlassen des Hauses ist es immer noch dunkel und sowieso zeigt sich die Sonne den ganzen Tag über nicht wirklich und verschwindet gänzlich, sobald der Arbeitstag vorbei ist. Endlich wieder im trauten Heim angekommen, wird ein weiterer Gang nach draussen nur im grössten Notfall untergenommen. Die gesunkene Antriebskraft ist bei den trüben Tagen verständlich und führt teilweise zu einem hartnäckigen, unangenehmen Winterblues. Menschen, die anfällig für Winterdepressionen sind, stehen ein paar Möglichkeiten offen, die Beschwerden zu lindern.

Daher kommt die Wintermüdigkeit

Durch die kürzeren Tage in den Wintermonaten schüttet der Körper mehr Melatonin aus. Das Schlafhormon führt zu vermehrter Müdigkeit und Antriebslosigkeit, was wiederum eine gedrückte Stimmung hervorruft. Ältere Menschen sind von dieser Wintermüdigkeit tendenziell weniger betroffen, da die Melatoninbildung im Alter abnimmt. Daher kommt übrigens die senile Bettflucht. Jüngere sind hingegen speziell im Winter von der Überproduktion des Melatonins betroffen, worauf nicht alle gleich empfindlich reagieren. Während manche lediglich etwas mehr Mühe beim Aufstehen haben, erleiden andere eine sogenannte saisonal abhängige Depression. Das ist dann der Fall, wenn die Niedergeschlagenheit länger als zwei Wochen anhält. Tritt das ein, sind meist noch zwei weitere Aspekte aus dem Gleichgewicht geraten.

Die gesunkene Antriebskraft ist bei den trüben Tagen verständlich und führt teilweise zu einem hartnäckigen, unangenehmen Winterblues.

Glückshormone beeinflussen

Während an dunkleren Tagen das Melatonin überproduziert wird, sinkt hingegen der Serotoninspiegel. Der ist für die Ausgeglichenheit, die innere Ruhe und die Zufriedenheit zuständig. Ist das Glückshormon nur noch in kleinen Mengen vorhanden, tritt unter Umständen eine Winterdepression als Folge auf. Die gute Nachricht: Der Körper schüttet Serotonin nicht nur bei 30 Grad aus, sondern auch im Winter, sofern man sich genügend bewegt. Lic. phil. Felizitas Ambauen, Psychotherapeutin FSP, in eigener Praxis, weiss ausserdem: «Bewegung allein hilft, aber nicht gut genug. Die Aktivität muss zudem am Licht sein – das ist elementar. Sonst wird das Melatonin nur mittelmässig verdrängt.» Am besten helfe eine halbe Stunde täglich am Sonnenlicht spazieren zu gehen. Der Glückshormonhaushalt lässt sich demnach zu jeder Jahreszeit, harmonisch halten. Und bei schlechter Laune hat Ambauen ebenfalls einen Ratschlag: «Wenn man sich Gutes tut (Freunde treffen, Guezli backen, Ferienfotos anschauen, etc.), wird mehr Serotonin produziert und das Gehirn positiver gepolt.»

Während an dunkleren Tagen das Melatonin überproduziert wird, sinkt hingegen der Serotoninspiegel.

Vitamine an der frischen Luft tanken

Vitamin D ist das einzige Vitamin, das der Mensch selber herstellen kann. Allerdings braucht es für diesen Prozess Sonnenstrahlen. Anstatt sich ein Präparat einzuwerfen, sollte man deshalb versuchen, dem Körper genügend Licht zu geben, damit er das Vitamin selber produzieren kann. Das ist möglich, indem die warme Wohnung auch in der kalten Jahreszeit verlassen wird. Es ist empfehlenswert, das bereits vor dem Auftritt des Mangels zu tun. Der körpereigene Stoff ist wichtig; er unterbindet bei Kindern Rachitis und verhindert bei Erwachsenen Knochenerweichung. Glücklicherweise speichert der Körper an den hellen Tagen das Vitamin im Muskel- und Fettgewebe, weshalb die dunkleren Monate zu überstehen sind. Trotzdem sinkt der Vitamin D-Spiegel und das macht sich bemerkbar. Betroffene erkennen den Mangel an Müdigkeit, Stimmungsschwankungen und Infekt-Anfälligkeit.

Der Winterblues unterscheidet sich von einer herkömmlichen Depression darin, dass er ein gesteigertes Bedürfnis nach Süssigkeiten und Kohlenhydraten hervorruft. Ausserdem schlafen die Betroffenen mehr als gewöhnlich und leiden nicht wie normal Depressive unter Ein- und Durchschlafstörungen. Laut Ambauen entwickelt sich der Winterblues nur in Ausnahmefällen zu einer richtigen Depression: «Die meisten Menschen mit einer typischen SAD (sesaonal affective disorder) leiden ungefähr 90 Tage darunter. Es fängt an, wenn die Tage kürzer und somit dunkler werden und man sich mehr drin aufhält und sich weniger bewegt.» Gemeinsam haben die zwei Arten von Verstimmungen, dass die Betroffenen sich abschotten. Die mangelnde Energie vermindert die Lust, sich mit Freunden zu treffen. Folglich sinkt der eigene Antrieb noch mehr. Ein Teufelskreis. Wer besonders anfällig für den Winterblues ist, kann Ferien an der Sonne einplanen oder sich einer Therapie mit Lichtlampen unterziehen.

Grundsätzlich ist es für alle möglich, ohne grosse Investitionen dem Winterblues den Kampf anzusagen. Der einfachste Weg sind wohl gemütliche Spaziergänge bei Tageslicht – egal, wie kalt es ist. Wem das zu langweilig ist, stehen auch in der kalten Jahreszeit unzählige Aktivitäten offen. Ist einem erst einmal bewusst, was dem Körper an den kurzen Tagen fehlt, sollte die Motivation automatisch angekurbelt werden. Denn Fakt ist, sich 30 Minuten am Tag anzustrengen ist besser, als sich den ganzen Winter lang unwohl zu fühlen.

Text: Michelle Christen

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