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Ein Branchenwechsel will geplant sein

05.09.2019
von Stefan Marolf

Tag für Tag, Woche für Woche und Jahr für Jahr das Gleiche: Langjährige Berufsleute sind nicht gerade mit Abwechslung gesegnet. Ein neuer Job in einer neuen Branche kann Abhilfe schaffen, birgt aber auch viele Schwierigkeiten.

Branchenwechsel sind im Trend. Immer mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entscheiden sich, ihr gewohntes Umfeld zu verlassen und sich in ein neues Berufsabenteuer zu stürzen. Je nach Branche sind es bis zu 50 Prozent aller Arbeitskräfte, die früher oder später in ein komplett anderes Berufsfeld abwandern.

Einmal Bilanz ziehen

Veränderungen im Markt sind ein möglicher Auslöser für einen Branchenwechsel; Unzufriedenheit am Arbeitsplatz oder Langeweile ein anderer. Fakt ist: Der Wunsch nach Veränderung im Berufsalltag tritt oft dann auf, wenn man mitten im Leben steht. Arbeitnehmende lassen im Alter von 35 bis 50 Jahren ihre bisherige Karriere Revue passieren und stellen fest, dass das Bedürfnis nach frischem Wind im Berufsleben aufkommt. Simone Knutti, Laufbahnberaterin im Sozialbereich für Camino (unabhängige Info- und Laufbahnberatung von Agogis), kennt die Gründe: «Die meisten Kundinnen und Kunden, die in den Sozialbereich einsteigen möchten, wollen etwas mit Menschen oder etwas Sinnerfüllendes machen. Sie fühlen sich nicht mehr wohl in ihrem angestammten Beruf.» Oft nimmt man dabei einen tieferen Lohn in Kauf. Zudem sind Leute, die einen Branchenwechsel in Betracht ziehen, fest in ihren Alltag eingebunden und haben unter Umständen Familie und Kinder. Sie müssen gleichzeitig verschiedenen Rollen gerecht werden.

Wenn, dann zielstrebig

Wer sich trotz aller Herausforderungen überlegt, sein bisheriges Leben über den Haufen zu werfen und einen Doppelsalto bestehend aus Stellen- und Branchenwechsel zu wagen, sollte gut vorbereitet sein. Eine Anstellung in einem neuen Wirtschaftssektor zu finden, braucht Zeit, Geld und Mut. Auf jeden Fall kann es helfen, sich schon im Voraus mit künftigen Arbeitgebenden zu vernetzen und «Vitamin B» zu nutzen. Der weitaus grösste Teil der Stellen wird, auch heute noch, auf dem «grauen Arbeitsmarkt» besetzt. Das heisst, dass Firmen ihre freien Posten weiterhin am liebsten über persönliche Kontakte besetzen. Arbeitnehmende, die sich ernsthaft mit einem Branchenwechsel befassen, sollten eine konkrete Idee haben, wohin die Reise führt. Eine blosse Flucht vor dem alten Arbeitgeber ist dabei selten zielführend. Viel mehr empfiehlt es sich, einen spezifischen Beruf und im Optimalfall sogar einen bestimmten Arbeitgeber anzupeilen.

Eine Anstellung in einem neuen Wirtschaftssektor zu finden, braucht Zeit, Geld und Mut.

Offen für Neues

Vor einem allfälligen Branchenwechsel kann ein Realitätscheck aufschlussreich sein: Ist ein Quereinstieg machbar und wenn ja, wie? Orientierungspraktika können bei der Beantwortung dieser Frage hilfreich sein. Ausserdem ist es ratsam, im Vorfeld eine Marktrecherche im Internet durchzuführen und so mögliche neue Arbeitgebende zu identifizieren. Der Prozess des erfolgreichen Quereinstiegs beginnt schon bei der Bewerbung. Es lohne sich, im Lebenslauf und im Motivationsschreiben alle Kenntnisse und Erfahrungen hervorzuheben, die mit dem neuen Wunschberuf zusammenhängen, betont die Laufbahnberaterin. Sie empfiehlt zudem einen telefonischen Erstkontakt vor der schriftlichen Bewerbung. Ein Branchenwechsel ist mit der Bewerbung allein aber noch nicht geschafft: Für Quereinsteigende gelten Offenheit, Flexibilität und Durchhaltevermögen als Kernkompetenzen, die zum Erfolg führen können. Zudem ist es wichtig, bereit für Weiterbildungen zu sein. Die grösste Hürde, die Quereinsteigende bei Bewerbungen überwinden müssen, ist oftmals die fehlende Praxiserfahrung. Diese kann beispielsweise in einem Praktikum wettgemacht werden.

Ein Branchenwechsel ist mit der Bewerbung allein aber noch nicht geschafft.

Branchenwechsel erwünscht

In gewissen Berufszweigen wird aktiv nach Quereinsteigenden gesucht. Arbeitskräfte, die in ein neues Feld eintauchen, haben nämlich entscheidende Vorteile: «Quereinsteigende bringen einen Zweitberuf mit und verfügen über zusätzliche Lebenserfahrung.» Verglichen mit Konkurrenten hätten sie zudem oft einen erweiterten Horizont, argumentiert Simone Knutti. Geht es darum, Führungspositionen zu besetzen, kann dieser Aspekt entscheidend sein. Je nachdem sind Quereinsteigende bei der Vergabe von solchen Stellen dank ihres Erfahrungsschatzes im Vorteil. Felder, in denen Quereinsteigende besonders willkommen sind und zum Teil aktiv gesucht werden, sind Lehrberufe, Pflege, Informatik und öffentlicher Verkehr. Gerade in der Pflege hängt dies unter anderem damit zusammen, dass sehr grosse Teile des ausgebildeten Personals – je nach Tätigkeit bis zu 45 Prozent – aus ihrem Erstberuf aussteigen. Im Bau- und Industriesektor gibt gar über die Hälfte der Befragten an, nicht auf dem gelernten Beruf zu arbeiten.

Ausbildung im Eiltempo

Branchen, die aktiv auf der Suche nach Quereinsteigenden sind, bieten oftmals verkürzte Ausbildungen an, die den Berufseinstieg nach einem Branchenwechsel vereinfachen. Ein Beispiel dafür ist die PH Zürich. Sie lässt nach bestimmten Kriterien Bewerberinnen und Bewerber zu. Anschliessend selektioniert sie in einem Auswahlverfahren die geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten und bildet sie im «Schnelldurchlauf» zu Lehrkräften aus. Weiter besteht in vielen Berufen die Möglichkeit, eine verkürzte Lehre zu machen und so ein eidgenössisches Fähigkeitszeugnis (EFZ) in zwei oder drei Jahren zu erlangen.

In den allermeisten Fällen trägt die Erstausbildung in irgendeiner Art ihren Teil an eine Zweitlehre bei – der allgemeinbildende Unterricht aus der Erstlehre kann grundsätzlich für die Zweitausbildung übernommen werden. Simone Knutti ist überzeugt vom helvetischen Modell: «Weltweit gesehen hat die Schweiz ein einzigartiges System. Es kommen auch immer wieder Delegationen aus allen Ländern in die Schweiz, um unser Bildungssystem und dessen Aufbau anzuschauen.» Zwar ist der Branchenwechsel alles andere als ein leichtes Unterfangen, das Bildungssystem hierzulande macht ihn aber durchaus möglich.

Text Stefan Marolf

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