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Herausforderungen und Chancen des Arbeitsmarkts der Zukunft

19.09.2020
von Kevin Meier

Der Arbeitsmarkt erfährt einen rasanten Wandel. Zwischen Globalisierung, Automatisierung und Digitalisierung verändert sich auch die Struktur der Gesellschaft. Was das für den Arbeitsmarkt von morgen bedeuten könnte.

Der Arbeitsmarkt 4.0 ist in aller Munde. Schliesslich betreffen die schnellen Veränderungen wie, wann, was und wo man arbeitet, alle Schichten und Generationen der Gesellschaft.

Vieles scheint im Umbruch begriffen und lässt Unsicherheiten aufkommen. Nicht nur was die Arbeit selbst betrifft, sondern auch die Arbeitssicherheit, den Lohn und die Vorsorge entstehen Bedenken, die adressiert werden müssen. Doch statt den Teufel an die Wand zu malen, lohnt es sich, genau hinzuschauen und wichtige Fragen zu klären.

Die Chancen der Arbeit der Zukunft

Zuerst muss festgestellt werden, dass laut Avenir Suisse die bisherigen grundlegenden Wandel des Arbeitsmarktes wie die erste industrielle Revolution nicht zu Massenarbeitslosigkeit und Verarmung führten. Die Ausgangslage in der Schweiz weist heute schon Strukturen auf, die die Umstellung erleichtern kann. Ein grosser Vorteil des Schweizer Arbeitsmarktes, der ihn vom internationalen Umfeld abhebt, ist das duale Bildungssystem. Es ermöglicht schnellere und zielgerichtete Ausbildungen. Ausserdem erlaubt dieses System höhere Individualität. Da geradlinige Berufswege weniger gefragt sein werden, kann man im dualen Bildungssystem besser diversifizierte Fähigkeiten erlangen.

Fluch und Segen der neuen Arbeitsweisen

Trotz der guten Ausgangslage und vermeintlicher Vorteile neuer Strukturen, gibt es immer noch Zielkonflikte, derer man sich bewusst sein sollte. Beispielsweise ermöglicht die Digitalisierung flexibleres Arbeiten. Zudem kann man routinemässige Prozesse von einem Computer übernehmen, sodass der Mensch mehr Zeit für interessante und fordernde Arbeit zur Verfügung hat. Die Präsidentin von Arbeitsintegration Schweiz und Nationalrätin der Grünen Irène Kälin mahnt aber zur Vorsicht: «Dafür steigt die Gefahr der dauernden Erreichbarkeit und dass niederqualifizierte Jobs verschwinden.»

Daniel Schaufelberger, Experte im Feld des Arbeitsmarktes 4.0 und Dozent an der Hochschule Luzern, meint, dass es vorerst immer Arbeit geben werde. Während aufgrund der Digitalisierung viele Jobs wegfallen, kommen auch neue Stellen dadurch auf. «Menschen sind wohl noch lange zentral für fast alle Arbeitsprozesse», sagt Schaufelberger. Problematisch ist, dass es Gewinner und Verlierer der Digitalisierung geben wird, was neue Ungleichheiten schaffe und die Sicherung des Wohlstandes für alle in Frage stelle.

Menschen sind wohl noch lange zentral für fast alle Arbeitsprozesse. Daniel Schaufelberger

Die Gesellschaft im Umbruch

Wenn sich der Arbeitsmarkt und die Arbeit an sich verändern, wandelt sich auch die Gesellschaft. Mit den Fragen zum gesellschaftlichen Wandel beschäftigt sich auch Kälin. Schliesslich sei bezahlte Arbeit ein wichtiges Identitäts- und Integrationsmerkmal. Wenn sich Erwerbstätigkeiten nun grundlegend verändern, kommen Fragen nach neuen Definitionen auf: Können unbezahlte Tätigkeiten die identitätsstiftenden Eigenschaften einnehmen? Wird Freiwilligenarbeit aufgewertet und Care-Arbeit entlöhnt? Wie gelingt uns das? Kälin meint dazu, dass «das Grundeinkommen eine von vielen Möglichkeiten ist, dessen Finanzierung aber noch nicht zu Ende gedacht ist.»

Institutionen mit zunehmender Belastung

Mit zunehmender Automatisierung und Digitalisierung kommt auch das Besteuerungsmodell unter Druck. «Denn Erwerbsarbeit und die Besteuerung von Arbeit, wie wir das heute für selbstverständlich halten, beginnen zu wackeln», so Kälin. Die gleichen Probleme sieht auch Schaufelberger: Die Veränderungen der Bevölkerung und des Arbeitsmarktes «werden uns zwingen, über grundsätzliche Reformen der Sozialversicherung nachzudenken» statt einzelne Gesetze anzupassen. Gewinner und Verlierer der Transformation seien unausweichlich. Eine Möglichkeit wäre eine allgemeine Erwerbsausfallversicherung. Die Finanzierung der Sozialversicherungssysteme sollte man überdenken. Laut Schaufelberger wäre es denkbar, diese «über Beiträge aus der Wertschöpfung des digitalen Markts finanziert werden – in Form von Digital- oder Transaktionssteuern.»

Neue Arbeitsformen rechtlich absichern

Die Gig-Economy hat auch in der Schweiz Fuss gefasst. Laut Avenir Suisse ist dessen Bedeutung allerdings eher klein aufgrund mangelnder Attraktivität. Damit hat man aber auch noch Zeit, dass die Politik rechtzeitig auf Gig-Economy und «Sharing Economy» reagiert. Schaufelberger sieht Handlungsbedarf, denn «diese Arbeitsmodelle befinden sich im Niemandsland zwischen Anstellung und selbstständiger Tätigkeit.» Rahmenbedingungen sollten festgelegt werden, inklusive Schutzbestimmungen und Sozialversicherungsschutz. So sieht es auch die Avenir Suisse und empfiehlt den Begriff und Rahmenbedingungen für die «selbstständige Angestellte».

Was es im neuen Arbeitsmarkt braucht

Gefragt werden immer häufiger «Soft Skills» sein. Also Kompetenzen, die eine Maschine nicht mitbringen kann, so zum Beispiel soziale Kompetenzen, Kreativität, emotionale Intelligenz und Teamfähigkeit. Genauso betont auch Kälin, dass menschliche Fähigkeiten wie vernetztes Denken und Empathie heute gefragt sind und «morgen noch mehr als heute» nötig sein werden. Weiterbildungen werden auch eine grosse Rolle spielen, um die Zukunftschancen aller zu erhalten. Lebenslanges Lernen wird unabdingbar, um das sich Firmen als auch Angestellte kümmern sollten. Für Schaufelberger ist wichtig, «Anreize für Angestellte und Arbeitgebende» zu schaffen, sodass sich die Investitionen in Bildung lohnen und Variationen in der Berufskarriere ermöglicht werden.

Text Kevin Meier

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