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Whoopi Goldberg muss sich oft auf die Zunge beissen, um nicht loszuschreien

06.10.2020
von Marlène von Arx

Im Herbst haben sich für Whoopi Goldberg oft die Weichen neu gestellt: Im September 2007 startete sie ihre Karriere als Talk-Show-Moderatorin von «The View» und ihre grössten Kinohits kamen bei uns im Oktober («Ghost») und November («Sister Act») in die Kinos. Für den Herbst 2020 wünscht sich die 64-jährige Urgrossmutter Masken mit Ohrwärmern – oder noch lieber: ihr normales Leben zurück. 

Whoopi Goldberg, im Herbst vor dreissig Jahren kam «Ghost» in die Kinos. Wie haben Sie die Dreharbeiten in Erinnerung?

Ich erinnere mich, dass es grossen Spass gemacht hat. Und dass ich den Job allein Patrick Swayze zu verdanken habe.

Wie kam es dazu?

Die Produzenten sagten ihm, sie hätten noch niemanden für die Rolle der Oda Mae. Er wollte wissen, ob ich denn die Rolle abgelehnt hätte. Da kam heraus, dass sie mich nicht einmal gefragt hatten. Sie dachten, ich würde die Rolle «überwältigen»…

Überwältigen? Was meinten Sie damit?

Das weiss ich auch nicht. Jedenfalls sagte Swayze: «Entweder wir fragen Whoopi jetzt zusammen oder ich mache auch nicht mit.» Ich drehte gerade «The Long Walk Home» in Alabama und plötzlich hiess es, ich könne jetzt ein Casting für diesen Film machen. Der Schauspieler und der Regisseur kämen nach Alabama. Ich konnte es nicht fassen, dass Patrick Swayze zu mir reiste für ein Casting! Aber so war es. Und er sagte: «Wenn sie mit dabei ist, bin ich es auch.»

Patrick Swayze ist am 14. September vor elf Jahren gestorben. Wie haben Sie ihn in Erinnerung?

Als wirklich lieben und guten Menschen. Er war wie ein grosser Bruder, der einen immer in die Wangen kneift. Er kümmerte sich wirklich um die Menschen um ihn herum. Man trifft nicht viele Leute wie ihn im Leben.

Für «Ghost» haben Sie einen Oscar gewonnen. Ist das der Moment, in dem man sich für die Zukunft abgesichert fühlt?

Ich habe mich finanziell nie abgesichert gefühlt, denn Geld kommt und geht. Karrieren haben Hochs und Tiefs. Alles kann verschwinden, wenn man einen Politiker verärgert und man dann fünf Jahre keinen Job mehr bekommt. Das ist mir passiert (weil sie sich über George W. Bush lustig machte, Anm. d. Red). Zudem bin ich die Matriarchin der Familie geworden. Ich sorge dafür, dass alle haben, was sie brauchen. Und dann sind da ja auch noch die Anwälte, Ärzte und die Steuern…

Whoopi GoldbergEs bleibt aber bestimmt etwas übrig, um sich selbst ein bisschen zu verwöhnen. Welchen Luxus leisten Sie sich?

Ich kaufe mir Kunst. Und tonnenweise Hörbücher. Während das Chaos um mich herum wütet, mache ich es mir bequem und verreise in meinem Kopf.

Seit September 2007 leiten Sie die erfolgreiche Talkshow «The View», in der eine Gruppe von Frauen die Tagesaktualitäten diskutiert und Gäste empfängt. Manchmal geht es bei den Diskussionen ziemlich laut zu und her. Wie bringen Sie die Emotionen wieder auf den Boden?

Die Sache ist die: Es können nicht alle gleichzeitig ausrasten. So kommt man ja nirgends hin. Aber ich muss mir oft auf die Zunge beissen, damit ich nicht losschreie. Und es ist jetzt etwas eingetreten, was ich mir nie hätte vorstellen können: Manchmal muss ich die vernünftige Erwachsene sein.

Ich habe mich finanziell nie abgesichert gefühlt, denn Geld kommt und geht. Whoopi Goldberg

Sie konnten sich nicht vorstellen, eine vernünftige Erwachsene zu sein?

Nein, ich war doch die, die immer Ärger macht. Aber inzwischen bin ich die vernünftige Erwachsene, die daran erinnert, dass wir das Ganze anders anpacken und die grösseren Zusammenhänge anschauen müssen.

Die Welt steckt in einer Krise und Ihr Land ist sehr gespalten. Wie erklären Sie Ihren Grosskindern beispielsweise die Pandemie und «Black Lives Matter»?

Meine Enkel sind ja schon erwachsen, aber ich habe eine sechsjährige Grossenkelin, die ich oft sehe. Wir haben besprochen, wieso sie jetzt ihre Freunde nicht sehen kann, wie sie will. Sie wollte wissen, wer George Floyd ist und wieso die Leute nicht wussten, dass schwarze Leben etwas bedeuten. Sie bespricht das natürlich auch mit ihrer Mutter und Grossmutter, aber sie wollte auch meinen Wissensstand prüfen.

Und wie sieht der aus?

Ich habe immer gewusst, dass schwarze Leben etwas bedeuten und versucht, auf Realitäten aufmerksam zu machen, die Leuten nicht bewusst war. Polizeibrutalität gibt es immer wieder, aber bei George Floyd hat man nun acht Minuten lang zuschauen können, wie das Leben aus ihm herausgepresst wurde, und man hat die letzten Worte an seine Mutter gehört. Das brachte die Leute auf die Strasse. Ein Football Team hat inzwischen seinen Namen geändert (die Redskins nennen sich jetzt Washington Football Team, Anm. d. Red.). Das mag nicht wie eine grosse Sache erscheinen, aber für einen amerikanischer Ureinwohner sind solche Namen und Logos beleidigend. Langsam verändert sich das Bewusstsein. Und was den Wahnsinn mit der Pandemie betrifft: Da hätten wir eine viel besseren Job machen können.

Gibt es eine Person, die Sie derzeit bewundern und Hoffnung in Ihnen weckt?

Meine Helden momentan sind die Polizisten, die das Richtige tun. Es sind die Ärzte und das Krankenpersonal, die ihre Arbeit machen, obwohl Leute sie anschreien und sagen es gebe keinen Virus. Die Frauen und Männer, die Nahrungsmittel ausliefern und mir erlauben, zu Hause zu bleiben. Sie bewundere ich. Die Leute, die in Restaurants arbeiten. Ich will ihr Leben nicht erschweren und für sie versuche ich das Richtige zu tun.

Und was den Wahnsinn mit der Pandemie betrifft: Da hätten wir eine viel besseren Job machen können. Whoopi Goldberg

Wie tanken Sie jetzt, da die Tage auch kürzer werden, zu Hause Kraft?

Ich lese sehr gerne. Ich wähle die Bücher meistens nach den Buchdeckeln aus. Wenn mich der Buchdeckel interessiert, ist das Buch zu 97 Prozent auch interessant. Bücher entführen mich in eine andere Welt.

In welche Welten werden Sie denn am liebsten entführt?

Manchmal habe ich Lust auf etwas post-apokalyptisches wie «The Day of the Triffids» von John Wyndham. Wenn ich lachen oder nachdenken will, greife ich zu D.L. Hughley oder Mark Twain. Es kommt auf die Tageslaune drauf an.

Sie mögen post-apokalyptische Literatur, spielen eine Figur im «Star Trek: The Next Generation»-Universum und in Sichtweite Ihrer Zoom-Kamera ist eine Baby-Yoda-Figur aufgestellt. Würden Sie sich als «Geek» beschreiben?

Absolut. Ich bin ein Riesen-Geek! Es gibt nichts Besseres, als ein Geek zu sein: Wir können uns über alles freuen. Wir können mit Gegenständen reden und uns eine Krone aufsetzen, wenn wir Lust dazu haben. Wir leben einfach anders und interessieren uns für Dinge, die andere langweilig finden. Wir überprüfen, ob die Dinge denn tatsächlich langweilig oder uninteressant sind und finden dann oft heraus, dass dem nicht so ist.  Die anderen kapieren das nur nicht (lacht).

Mögen Sie auch Horror? Sie sind ja bald in der Neuverfilmung von Stephen Kings «The Stand» zu sehen, in der ein tödliches Grippe-Virus als Waffe entwickelt wird…

Ich liebe Horror-Literatur und ich bin quasi Stephen King fanatisch! Ich wollte schon 1994 bei der Mini-Serie dabei sein, aber die Dreharbeiten passten nicht in meinen Terminkalender. Dieses Mal liess ich mir die Gelegenheit nicht entgehen.

Hatten Sie bei den Dreharbeiten eine Ahnung, wie sehr Sie mit der Serie im Zeitgeist sein würden?

Nein. Obwohl: Im Hinterkopf denkt man sich schon, dass sowas eines Tages passieren könnte. Jedenfalls, was eine Pandemie betrifft. Zwei Wochen, nachdem ich fertig gedreht hatte, kam der Lockdown. Ich war froh, kam ich noch aus Kanada heraus. Andere drehten länger und mussten wirklich schauen, wie sie noch nach Hause zu ihren Familien kamen.

Sie spielen die 108-jährige Mutter Abigail. Wie fühlten Sie sich als Greisin?

Ich sah meine eigene Grossmutter im Spiegel wieder! Es war schon sehr speziell, was sie mit dem Make-Up alles fertigbrachten.

Sie selber werden im November 65 Jahre alt.

Was, schon? Das wird wohl schon stimmen, aber ich habe keine Ahnung, wie ich an diesen Punkt gekommen bin. (lacht)

Zwei Wochen, nachdem ich fertig gedreht hatte, kam der Lockdown. Whoopi Goldberg

Welche Wünsche haben Sie für den Herbst Ihres Lebens? 

Ich möchte gerne wieder auf eine richtige Bühne – das ist mein Wunsch. Dass das Leben wieder erkennbar wird – es wird nie mehr sein wie früher, aber hoffentlich wird es endlich wieder besser. Ich hoffe, dass alle plötzlich einen Monat lang Masken aufsetzen, auch wenn sie nicht wissen, warum. Und vielleicht können wir ja dann wieder ins Kino gehen. Ich wünsche mir einfach, dass wir nicht mehr so unglücklich sind wie jetzt. Deshalb versuche ich positive Vibes in die Welt zu setzen.

An Ihrem Geburtstag stellten Sie letztes Jahr in Ihrer Show praktische Geschenktipps vor, die sie persönlich begeistern. Wissen Sie schon, was dieses Jahr auf Ihrer Liste stehen wird?

Vielleicht diese Mini-Garten-Sets. Falls uns das Gemüse ausgeht, kann man damit auch in einer Stadtwohnung am Fenster Karotten und Zucchini züchten. Oder Tomaten und Rucola. Das wäre sicher nützlich. Und lustige Masken gehören auch auf die Liste. Ich finde, Masken müssen mehr können: Es sollte solche mit integriertem Strohhalm geben oder solche mit wärmenden Ohrklappen, denn es kommt ja jetzt die kältere Jahreszeit. Mal sehen, was sich da machen lässt…

2011 erschien der Film «The Muppets», wo neben Whoopi Goldberg auch Emily Blunt mitspielte. Das Interview mit der britischen Goldenglobegewinnerin gibt es hier.

Interview Marlène von Arx, Bilder Armando Gallo/HFPA

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