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Finanzen Interview

Ed Gordon: «Intransparente Produkte werden vom Markt verdrängt»

20.11.2020
von SMA

Exchange Traded Funds, kurz ETFs, erfreuen sich seit Jahren zunehmender Beliebtheit unter Anlegerinnen und Anlegern. Das verwundert nicht, schliesslich überzeugen die börsengehandelten Fonds insbesondere in Zeiten volatiler Märkte durch hohe Transparenz und vergleichsweise tiefe Kosten. Ed Gordon, Leiter iShares & Wealth bei BlackRock Schweiz, bescheinigt den ETFs aber noch weit grösseres Potenzial. Wie er zu dieser Einschätzung gelangt, verrät er im Interview.

Ed Gordon, börsengehandelte Fonds, auch Exchange Traded Funds beziehungsweise ETFs genannt, gehören heute zu den beliebtesten Anlagevehikeln überhaupt. Woran liegt das?

Das stimmt, ETFs konnten in der Tat über das letzte Jahrzehnt hinweg ein sehr starkes Wachstum verzeichnen. Und diese Entwicklung wird sich fortsetzen. Die Gründe dafür sind vielfältig. Ein wesentlicher Grund liegt in der Struktur eines ETF: In diesem wird eine Gruppe von Wertpapieren so zusammengefasst, dass dieser einen Index exakt nachbildet, wie beispielsweise den SMI. Dies macht ETFs zu einem sehr transparenten Instrument. Und da alle Anleger ETFs zum gleichen Preis erwerben können, kann man sie auch als «demokratisch» bezeichnen.

Darüber hinaus ermöglichen ETFs eine breite Portfolio-Diversifizierung, sind sehr liquide, flexibel und sicher. Diese Vorzüge haben Exchange Traded Funds zu einer begehrten Anlageklasse werden lassen, deren Entwicklung ich seit Jahren mitverfolge. ETFs begleiten mich schon durch meinen gesamten beruflichen Werdegang, also seit Anfang der 90er-Jahre. Wir haben uns sozusagen gemeinsam weiterentwickelt (lacht). Als ich dann 2018 die Chance erhielt, das ETF-Geschäft von BlackRock zu verantworten, zögerte ich keine Sekunde und sagte sofort zu.

ETFs konnten in der Tat über das letzte Jahrzehnt hinweg ein sehr starkes Wachstum verzeichnen. Ed Gordon

Ein Thema, welches zunehmend in der Finanzwelt an Relevanz gewinnt ist das Feld der «Nachhaltigkeit». Wie definieren Sie bei BlackRock «Sustainable Investment»?

Im Kern sind es Ziele, die wir uns zu diesem Thema gesetzt haben. Die erste Zielsetzung richtete unser CEO Laurence Fink in Form eines Appells an Unternehmensvorsteherinnen und -vorsteher weltweit. Sein Appell lautete: Man muss Klimarisiken auch als Investitionsrisiken verstehen. Diese Erkenntnis muss dringend Einzug halten in die DNA von Anlageprozessen.

Was bedeutet dieser Appell konkret?

Unternehmerinnen und Unternehmer müssen realisieren, dass der Klimawandel sowohl für ihre als auch für andere Betriebe reale Folgen hat. Dadurch verändert sich nicht nur die Firmenlandschaft, sondern ganze Branchen und Sektoren erfahren eine Transformation. Dies wiederum wirkt sich auf die Strategie der Anlegerinnen und Anleger aus. Man muss daher dringend Klima- oder ESG-Aspekte (Environmental, Social, Governance) in allen unternehmerischen Prozessen sowie Anlage-Entscheidungen berücksichtigen.

FinanzanalyseWie lautet das zweite Nachhaltigkeitsziel von BlackRock?

Wir müssen und wollen die ESG-Integration in unseren Prozessen vorantreiben. Dafür bekennen wir uns zu klaren und überprüfbaren Meilensteinen. So wollen wir bis Ende Jahr in allen aktiv-gemanagten Produkten ESG-Aspekte berücksichtigen. Rund 1,8 Billionen Dollar an Kundevermögen werden bis Ende April auf diese Art und Weise integriert. Darüber hinaus wird sich BlackRock im gleichen Zeitraum auf aktiver Seite von allen Gesellschaften trennen, die mehr als 25 Prozent ihres Umsatzes mit Kohle generieren. Das dritte Ziel betrifft die Produktinnovation.

Welche Meilensteine streben Sie dort an?

Wir möchten mittel- bis langfristig diverse Produkte im Nachhaltigkeitsbereich lancieren. Bei vielen davon wird es sich um ETFs handeln, doch auch aktiv-gemanagte Fonds sowie Private Equity werden dazugehören. So ist zum Beispiel u.a. die Lancierung eines «Impact Fonds» geplant.

Wir möchten mittel- bis langfristig diverse Produkte im Nachhaltigkeitsbereich lancieren. Ed Gordon

Womit wir bei der vierten Zielsetzung angelangt sind. 

Und diese steht unter dem Begriff «Stewardship». Als grösster Asset Manager der Welt sehen wir uns in der Verantwortung, auch im treuhänderischen Umgang mit unseren Kundengeldern Nachhaltigkeit zu fördern – und zu fordern. Wir tun dies u.a., indem wir Gesellschaften vermehrt dazu verpflichten, den Prinzipien der Nachhaltigkeit Rechnung zu tragen. Wir sind zuversichtlich, dass wir in diesen vier Handlungsfeldern echten Impact erzielen können und unsere ambitionierten selbstgesteckten Ziele erfüllen werden.

Sie haben bereits angetönt, dass das Produkte-Portfolio von Blackrock im Bereich Nachhaltigkeit viele ETFs umfassen wird. Warum lassen sich gerade die börsengehandelten Fonds so gut mit den Prinzipien der Nachhaltigkeit vereinbaren?

ETFs verfügen hier über verschiedene historische Vorteile. Ein wesentlicher: Anlegerinnen und Anleger wissen aufgrund der hohen Transparenz von ETFs immer, was sie kaufen. Der abzubildende Index wird vordefiniert, wobei verschiedene Strategien verfolgt werden können: So schliessen bspw. manche Indices gewisse Sektoren aus, die dem Gedanken der Nachhaltigkeit zuwiderlaufen. Vor allem institutionelle Anleger wählen gerne diesen Ansatz.

Wer in Punkto Nachhaltigkeit höhere Ansprüche verfolgt, kann alternativ auf sog. «Enhanced ESG-Produkte» setzen. Diese schliessen nicht nur gewisse Sektoren aus, sondern streben darüber hinaus auch einen höheren ESG-Score an. Dann, quasi am obersten Ende des Spektrums, ist das «Social responsible Investing» angesiedelt. Hier werden Best-in-Class-Ansätze verfolgt, etwa indem nur in die Top 25 Prozent des jeweiligen Sektors innerhalb eines Indexes investiert wird. Dieser Ansatz eignet sich für Anleger, die wirklich wertbasiert investieren möchten. In einer Zeit, in der die Datenqualität und -transparenz stetig zunimmt, werden Anlegerinnen und Anleger zudem immer fundiertere Entscheidungen treffen können, wie nachhaltig ein Investment tatsächlich ist. Das wird einen zusätzlichen Shift auslösen, ebenfalls zu Gunsten der ETFs.

Doch wie steht es um die Performance von ETFs in der aktuellen Corona-Zeit?

Es gibt natürlich viele Arten von ETFs, die jeweils ihr eigenes Risiko-Renditen-Profil aufweisen. Und manche sind aufgrund ihrer Zusammenstellung anfälliger auf das aktuelle Zeitgeschehen als andere. Es liess sich beobachten, dass nachhaltige ETFs widerstandsfähiger waren und insgesamt besser durch die Krise gekommen sind als traditionelle Anlagen. So haben bspw. Energie-ETFs wegen Corona vergleichsweise schlecht performt. Grundsätzlich lässt sich aber sagen, dass Exchange Traded Funds als Anlageklasse den Härte-Test während der aktuellen Pandemiezeit sehr gut bestanden haben.

Es gibt natürlich viele Arten von ETFs, die jeweils ihr eigenes Risiko-Renditen-Profil aufweisen. Ed Gordon

Welche Learnings zieht BlackRock aus der aktuellen Zeit in Bezug auf ETFs?

Wenn wir die Makrotreiber betrachten, die in den vergangenen Jahren das ETF-Wachstum befeuert haben, stellen wir fest, dass sich diese nicht wesentlich verändert haben – wohl aber beschleunigt. Dazu gehört etwa die zunehmende Regulation, die sich vor allem nach der Finanzkrise 2008/2009 zu akzentuieren begann. Dies führte damals dazu, dass der Ruf nach mehr Transparenz lauter wurde, wovon ETFs direkt profitierten. Dieses Bedürfnis ist heute nur noch grösser geworden. Ein weiterer Faktor ist das aktuelle Tiefzinsumfeld. Dadurch stehen die Kosten für Anlagevehikel unter grossem Druck und Anlegerinnen sowie Anleger sind nicht mehr bereit, bei der Renditewahrscheinlichkeit Undurchsichtigkeiten hinzunehmen. Diese Entwicklungen führen zu einer sogenannten «Barbellisierung», also der Konzentration der Investitionstätigkeiten an zwei unterschiedlichen Polen. Auf der einen Seite suchen Investoren nach kostengünstige Anlagen – wie etwa ETFs. Gleichzeitig besteht auch eine Nachfrage nach Alternativen, die gewisse Einkommensströme generieren, wie etwa Private Equity. Beide Bedürfnisse müssen mit guten Lösungen abgedeckt werden.

Um dies tun zu können, muss BlackRock auch für die künftigen Entwicklungen in der Finanzbranche gewappnet sein. Welche sind das Ihres Erachtens?

Ein essenzieller Trend ist die zunehmende Geschwindigkeit, mit der sich der Wandel vollzieht. Die Technologie ist ein wesentlicher Treiber davon. Dies führt zu einem tiefgreifenden strukturellen Wandel in der Finanzbranche. Ich glaube, dass sich die Trends, die wir 2018 sowie im letzten Jahr gesehen haben, noch stärker akzentuieren werden: Anleger agieren zunehmend professioneller und erhalten durch Technologie Unterstützung in ihren Investment-Entscheidungen. Dadurch wird die Industrie einem gewissen Finanzdarwinismus ausgeliefert, was dazu führt, dass die Anlegerschaft bessere Produkte erhält. Gleichzeitig werden Finanzprodukte, die intransparent sind, vom Markt verdrängt werden. Wir als Anbieter müssen auf diejenigen Produkte setzen, die aus Anlegesicht nachhaltig sind – und zwar in mehrfacher Hinsicht.

Text SMA     Bild BlackRock

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