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Die Frau Vorsorge Finanzen

Finanzielle Unabhängigkeit: Selbstbestimmt heisst eigenverantwortlich

29.03.2025
von Sarah Steiner

Finanzielle Unabhängigkeit bedeutet Entscheidungsfreiheit – sei es in der Karriere, in der Familie oder in der Partnerschaft. Dennoch unterschätzen viele Frauen die langfristigen Konsequenzen traditioneller Rollenverteilungen und mangelnder finanzieller Eigenverantwortung. Die gute Nachricht: Mit der richtigen Strategie und Weitsicht lässt sich dem entgegenwirken.

Gleichberechtigung am Arbeitsplatz, Diversität in Führungspositionen und mehr berufliche Chancen für Frauen – gesellschaftlich sind die Fortschritte unverkennbar. Doch wie steht es um die finanzielle Unabhängigkeit von Frauen? Nicht ganz so gut. Denn die Realität zeigt: Frauen tragen nach wie vor ein höheres finanzielles Risiko. Die Hauptgründe: Lohnungleichheit, Erwerbsunterbrüche und eine überdurchschnittlich hohe Teilzeitquote. In der Schweiz arbeiten fast 60 Prozent der Frauen in Teilzeit, bei Müttern steigt dieser Wert sogar auf 78 Prozent. Denn es ist hierzulande häufig so: Die Frau kümmert sich mehrheitlich um die Kinder, reduziert ihr Pensum und damit ganz oft auch ihre Ambitionen – mit langfristigen finanziellen Folgen.

Auch wenn der Entscheid, sich ganz der Familie zu widmen, jeder Frau selbst überlassen ist: Studien zeigen, dass dieser nicht immer selbstbestimmt ist. Denn wenn mehr Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gegeben wären, würden sieben von zehn Frauen mehr arbeiten. Fehlende oder aber teure Kinderbetreuung ist einer der meistgenannten Gründe, wieso sie es nicht tun. Und somit auch einer der Aspekte, den man in einer Familienfinanzplanung unbedingt mit aufnehmen muss.

Viele Familien argumentieren, dass sich externe Betreuung nicht lohnt, weil ein Grossteil des Lohns dafür verwendet wird. Doch diese Rechnung greift zu kurz. «Das ist ein klares Eigentor», erklärt Finanzexpertin Corinne Brecher, Gründerin und Geschäftsführerin von Investique. Sie hat es sich zum Ziel gesetzt, Frauen finanziell zu befähigen. Und sie weiss: «Die langfristigen Nachteile durch fehlende Einzahlungen in die Altersvorsorge – vor allem Pensionskasse und Säule 3a – und Karriereknicke sind fast immer grösser als die kurzfristigen Betreuungskosten».

37 Prozent weniger Rente: Die unsichtbare Lücke

Was Brecher schon früh erkannt hat, ist der fast wichtigste Risikofaktor: der Mangel an finanziellem Wissen und Selbstbewusstsein. Die Zahlen sprechen eine klare Sprache. Frauen erhalten im Durchschnitt 37 Prozent weniger Rente als Männer. Die AHV gleicht als staatliche Vorsorge Unterschiede teilweise aus, reicht aber alleine nicht aus. «Vielen ist nicht bewusst, welche langfristigen Folgen Teilzeitarbeit und fehlende Vorsorgemassnahmen haben. Wer weniger verdient, zahlt weniger ein. Die Quittung bekommen wir im Alter – und dann ist es zu spät», erklärt Brecher. Entscheidend sind die zweite und dritte Säule. Wer unter 22 000 Franken Jahreseinkommen bleibt, spart kein Altersguthaben in der Pensionskasse an – und wer gar kein AHV-pflichtiges Erwerbseinkommen hat, kann auch nicht in die Säule 3a einzahlen. Frauen, die in Minijobs oder mit Erwerbsunterbrüchen arbeiten, verpassen so wichtige Beiträge für die Altersvorsorge.

Denn wenn mehr Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gegeben wären, würden sieben von zehn Frauen mehr arbeiten.

«Die Finanzwelt wirkt für viele Frauen wie eine undurchsichtige Blackbox», erzählt die Finanzexpertin. Doch finanzielle Planung sei kein Hexenwerk. «Man muss sich einfach trauen. Und kann ja auch klein anfangen», sagt Brecher. Die Finanzbranche hat die Zielgruppe Frauen lange vernachlässigt, und Geld bleibt oft ein Tabuthema unter Frauen. Das muss sich ändern.

Die Partnerwahl als Erfolgsfaktor

Eine solide Finanzplanung sollte auch unerwartete Ereignisse berücksichtigen. Notfallfonds und Versicherungen wie eine Berufsunfähigkeits- oder Lebensversicherung bieten wichtige Absicherung, falls Einkommen plötzlich wegfällt – auch das des Partners. Dieser – oder besser: die Wahl von diesem – ist ein unterschätzter Punkt. «Es geht nicht darum, einen reichen Partner zu finden, sondern einen, der finanzielle Verantwortung teilt», betont Brecher. In Beziehungen übernimmt meist der Mann das Finanzmanagement. Doch das birgt Risiken. Eine Trennung oder Scheidung kann drastische finanzielle Folgen haben. Seit 2020 gilt: Geschiedene Frauen müssen nach der Trennung selbst für ihren Unterhalt sorgen, sobald das jüngste Kind im Kindergarten ist. Das bedeutet: Wer sich während der Ehe finanziell nicht abgesichert hat, steht im Ernstfall vor grossen Herausforderungen. Eheverträge und Trennungsvereinbarungen sind daher keine romantischen, sondern vernünftige Massnahmen. Sie sorgen für klare Regelungen und schützen beide Partner.
Dass finanzielle Verantwortung kein bewusster Verzicht, sondern ein mangelndes Bewusstsein ist, hat Brecher auch in ihrer eigenen Ehe erlebt. «Ich habe damals mit meinem Mann das Gespräch gesucht und ihm erklärt, dass wir das Geld für die Vorsorge zur Seite legen sollten – nicht für die nächsten Ferien. Mich hat erstaunt, dass von ihm gar kein Widerstand kam, sondern sofort ein Umdenken: «Oh, stimmt, da müssen wir was machen.» Dieses Beispiel zeigt, dass finanzielle Planung oft nicht am mangelnden Willen, sondern am fehlenden Wissen scheitert – auch bei Männern.

Von der Historie in die Zukunft

Woran liegt es aber, dass Frauen sich dem Thema Finanzen so ungern widmen? «Ein Grossteil der Frauen glaubt, dass sie in Geldangelegenheiten weniger kompetent sind als Männer», erklärt Brecher. Sie sieht die Gründe auch in der noch jungen finanziellen Emanzipation der Frau. «Bis 1988 konnten Frauen in der Schweiz ohne Zustimmung ihres Ehemannes kein eigenes Bankkonto eröffnen oder eine Arbeitsstelle nur annehmen, wenn sie denn mit den Pflichten im Haushalt vereinbar war», sagt sie.

Doch diese Zeiten sind vorbei. Heute beginnt finanzielle Selbstbestimmung mit Eigenverantwortung. Frauen, die frühzeitig vorsorgen, profitieren von mehr Sicherheit und Unabhängigkeit – in jeder Lebensphase. Wer heute die richtigen Weichen stellt, legt den Grundstein für eine selbstbestimmte Zukunft.

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