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Gesellschaft Bau & Immobilien

Baulandproblematik: Das Dilemma zwischen Verdichtung, Abriss – und brachliegendem Potenzial

18.06.2025
von SMA

Hohe Nachfrage trifft auf knappen Bauplatz. Mit diesem Satz lässt sich die Lage im Schweizer Wohnungsmarkt zusammenfassen. Die aktuelle «Immobilienstudie Schweiz» der Raiffeisenbank zeigt, wie diese Baulandproblematik die Entwicklung in eine komplexe Richtung lenkt. Welche Lösungsansätze gibt es und wie können brachliegende Flächen schon heute der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden?

Der Schweizer Wohnungsmarkt befindet sich in einem komplexen Dilemma, welches durch die aktuelle «Immobilienstudie Schweiz» der Raiffeisenbank beleuchtet wird. Ihr Verdikt: Angesichts hoher Nachfrage, stockendem Wohnungsbau und begrenzter Flächenausdehnung rückt die Verdichtung, insbesondere durch Ersatzneubauten, zunehmend in den Fokus.

Warum kommt es überhaupt zu dieser angespannten Lage? Gemäss Raiffeisen Economic Research, dem Expertenteam hinter der Studie, reicht die derzeitige Bautätigkeit nicht aus, um die steigende Nachfrage zu decken und der Bau auf der «grünen Wiese» wird seltener. Dies führt dazu, dass neuer Wohnraum in urbanen Gebieten vermehrt auf bereits bebauten Flächen entstehen muss. Die Studie bestätigt ferner, dass der effektive Netto-Bauzugang aufgrund von Abrissen, insbesondere von älteren Wohnungen, geringer ist als die Anzahl der in Planung oder im Bau befindlichen Einheiten. Pro 100 neu geschaffenen Wohnungen würden etwa 15 durch Abbruch verloren gehen, um eine dichtere Bebauung zu ermöglichen.

Dieser Trend betrifft vor allem Einfamilienhäuser und kleinere Objekte, zunehmend aber auch jüngere Gebäude aus den 1960er- bis 1980er-Jahren, besonders in städtischen Zentren mit hohem Verdichtungsdruck und Ausnutzungsreserven.

Chancen und Herausforderungen der Verdichtung

Der Ersatzneubau ermöglicht zwar einen hohen Nettozuwachs an Wohnungen – im Schnitt entstehen vier neue Einheiten für jede abgerissene – und trägt damit wesentlich zur Schaffung von Wohnraum in nachgefragten städtischen Gebieten bei. Allerdings ist diese Form der Verdichtung umstritten, denn die sozialen und ökologischen Herausforderungen sind erheblich: Günstige Altwohnungen verschwinden zugunsten meist teurerer Neubauten.

Ein vielversprechender Ansatz zur Milderung des Dilemmas liegt in der Arealentwicklung, insbesondere der Umnutzung brachliegender Flächen.

Zudem geht die «graue Energie» der abgerissenen Gebäude verloren, was aus Klimasicht problematisch ist. Es gibt gemäss der Studie auch Hinweise darauf, dass die bauliche Verdichtung in privaten Immobilien oft nicht zu einer höheren Personenzahl pro Quadratmeter führt, sondern zu grösseren, teureren Wohnungen, was die Nutzungsdichte nicht unbedingt erhöht und einkommensschwache Haushalte verdrängen kann.

Expert:innen sprechen davon, dass sich die drei dringenden Hauptziele der Siedlungsplanung, notabene die Zersiedelung zu bremsen, günstiges Wohnen zu ermöglichen sowie wirtschaftliches Wachstum zu unterstützen, angesichts der aktuellen Ausgangslage nur schwer vereinbaren lassen. Trotz Kritik gilt der Ersatzneubau aber als unverzichtbares Instrument im Kampf gegen den Wohnraummangel ohne weitere Zersiedelung, da sanftere Verdichtungsformen wie Aufstockungen oft nicht ausreichen. Um seine gesellschaftliche Akzeptanz zu sichern, müsse gemäss Raiffeisen jedoch vermehrt auf soziale und ökologische Verträglichkeit geachtet werden.

Langfristige Strategie mit sofortigem Mehrwert

Ein vielversprechender Ansatz zur Milderung des Dilemmas liegt in der Arealentwicklung, insbesondere der Umnutzung brachliegender Flächen. In der gesamten Schweiz finden sich solche ungenutzten Areale, bei denen es sich oftmals um ehemalige Industriegebiete handelt. Diese bergen ein enormes Potenzial für die Schaffung neuen Wohnraums. Zwar ist die Umnutzung solcher Areale zu Wohnflächen meist mit hohem planerischen und operationellem Aufwand verbunden und nimmt dementsprechend viel Zeit in Anspruch, doch gleichzeitig bietet dieses Vorgehen einen einzigartigen Vorteil: die Möglichkeit von Zwischennutzungen.

Was ist damit konkret gemeint? Zwischen dem Skizzieren erster Ideen für eine Arealumnutzung bis zum Abschluss der finalen Bauarbeiten vergehen oftmals Jahre. Doch in dieser Zeit können die brachliegenden Flächen mit provisorischen Konzepten belebt und für die breite Bevölkerung zugänglich gemacht werden. Das Spektrum reicht von pop-up-gastronomischen Angeboten, temporären Bars und Food-Festivals über kulturelle Veranstaltungen wie Open-Air-Kinos, Konzerte oder Kunstausstellungen bis hin zu urbanen Gärten oder Sportstätten. Diese Zwischennutzungen schaffen nicht nur einen sofortigen Mehrwert für die Gemeinschaft, indem sie lebendige Treffpunkte und Freizeitangebote kreieren, sondern sie tragen auch dazu bei, die Akzeptanz für die spätere bauliche Entwicklung zu erhöhen. Sie zeigen, dass selbst «schlafende» Flächen aktiv zur Lebensqualität beitragen können, lange bevor die ersten Bewohnerinnen und Bewohner einziehen.

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