wenn baufläche knapp wird, müssen gebäude in  höhe streben
Bau & Immobilien Innovation

Wenn Baufläche knapp wird, müssen Gebäude in die Höhe streben

10.06.2022
von SMA

Die Schweiz will die Zersiedelung stoppen. Um die Ausbreitung von Siedlungsflächen einzuschränken, setzt man auf die sogenannte «Verdichtung». Dabei steht nebst vertikalem Bauen auch die qualitative Aufwertung von dichten Wohngebieten im Fokus. Doch was für eine Art von Wohnen entsteht dadurch?

Ein Einfamilienhaus reiht sich ans nächste, die Grundstücke entweder von proper geschnittenen Hecken oder von geschmackvoll lackierten Gartenzäunen voneinander getrennt. Lange Zeit entsprach dieses Wohnen im «Grünen», also das Leben auf dem Land oder in der Agglomeration, dem Idealbild vieler Schweizerinnen und Schweizer. Insbesondere Familien mit Kindern zog und zieht es noch immer aus den Städten in die umliegenden Gemeinden und Dörfer.

Ein Beitrag des SRF aus dem Jahr 2020 bringt die Gründe dafür auf den Punkt: Bis zur Einführung des Raumplanungsgesetzes 2013 wurden verfügbare Landflächen in der Schweiz schlicht und einfach zugebaut. Innerhalb von 30 Jahren wurde auf diese Weise eine Fläche bebaut, die grösser ist als die des Genfersees. Und obschon das Wachstum mittlerweile nicht mehr ganz so stark voranschreitet, ist der Schweizer Raum zersiedelt: Flächen werden nur locker bebaut, drängen zusammenhängende Grünflächen zurück und zerschneiden mit den dafür notwendigen Strassen die Landschaft.

Der Bund ist sich dieses Problems bewusst. So hält etwa das Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) fest, dass «die Siedlungsfläche in der Schweiz noch immer wächst». Wolle man das Kulturland schonen sowie landschaftliche Qualitäten und Freiräume erhalten, müsse man vorhandene Siedlungsflächen besser nutzen, anstatt ständig neue zu erschliessen.

Damit beschreibt das ARE den Kern der Verdichtungsphilosophie: Wohn-, Arbeits- und Lebensraum muss so gestaltet werden, dass er von möglichst vielen Menschen genutzt werden kann. Wie die Extrem-Interpretation dieses Grundgedankens aussieht, zeigen Wohnsilos, Gross-Siedlungen sowie Plattenbauten, die zwar auch in der Schweiz existieren, aber in weit grösserem Masse im benachbarten Ausland anzutreffen sind. Für das ARE muss «Siedlungsverdichtung nach innen» daher nicht nur quantitative Gesichtspunkte berücksichtigen, sondern auch qualitative.

Die Skepsis gegen Hochhäuser verebbt

Laut Bund können verschiedene Massnahmen ergriffen werden, um eine sinnvolle Verdichtung zu fördern. So sollen bisher schlecht genutzte Bauzonen, Baulücken sowie Siedlungsbrachen verdichtet werden. Bevor zudem neues Bauland erschlossen oder gar neu eingezont wird, brauche es eine sorgfältige Planung der Siedlungsentwicklung. Eine hochwertige Siedlungsqualität erfordert auch den aktiven Einbezug der Bevölkerung. So könne an einem Standort zugleich mehr Wohn- und Arbeitsraum zur Verfügung gestellt und gleichzeitig die Lebens- und Freiraumqualität erhöht werden.

Waren sogenannte «Wolkenkratzer» vor 30 Jahren noch eher selten im Stadtbild anzutreffen, bestimmen hohe Wohn- und Bürogebäude unter anderem im Stadtkreis 9 deutlich öfter die Szenerie.

Die Vermischung von Wohn- und Arbeitsraum ist ein Trend, den viele Immobilien-Fachleute ebenfalls erkennen. Doch wie lässt sich die Anzahl Menschen konkret erhöhen, die pro Quadratmeter leben und arbeiten können? Eine Möglichkeit liegt darin, zunehmend in die Höhe zu bauen. Und das wird in der Schweiz auch vermehrt getan, wie unter anderem die Skyline der Stadt Zürich zeigt. Waren sogenannte «Wolkenkratzer» vor 30 Jahren noch eher selten im Stadtbild anzutreffen, bestimmen hohe Wohn- und Bürogebäude unter anderem im Stadtkreis 9 deutlich öfter die Szenerie.

Der Bahnhof Altstetten etwa beweist mit seinem direkt ans Gleis angrenzenden Wohnturm, dass die Verdichtung sowie Kombination von öffentlichem Nutz- und privatem Wohnraum ebenfalls funktionieren kann. Und aktuell wird in Zürich laut darüber nachgedacht, ob man künftig Bauten mit einer Höhe von bis zu 250 Metern zulassen soll – was ziemlich genau der doppelten Höhe des Primetowers entspricht.

Generell hat sich in den letzten Jahren und Dekaden ein grundlegender Mindset-Wechsel in der Schweiz vollzogen. Denn früher waren die Schweizerinnen und Schweizer gegenüber Wolkenkratzern eher verschlossen – und die Architekt:innen von damals wagten sich dementsprechend eher zaghaft an diese Art des Bauens. Einen Teilgrund für die eher geringe Beliebtheit des Hochhauses orten Branchenkenner:innen unter anderem in den eher wenig ästhetischen Einzel-Exemplaren, die hierzulande in den 1960er- und 1970er-Jahren entstanden.

So galten und gelten weder das Tscharnergut in Bern-Bethlehem noch die Hardau-Hochhäuser in Zürich als architektonische Prachtstücke, obschon sie heute durchaus einen gewissen Kultstatus geniessen und der Bevölkerung ans Herz gewachsen sind. Modernere Interpretationen strahlen dank der Verwendung von Glas sowie anderen modernen Baumaterialien eine gewisse Hochwertigkeit aus und tragen zu einer erhöhten Akzeptanz dieser Bau- und Wohnform bei.

Hoch, höher – das reicht

Allerdings: Die Verdichtung «nach oben» muss nicht immer zwingend bedeuten, dass man Menschen in Wolkenkratzern unterbringt. Ein Ansatz, der sich laut Fachleuten ebenfalls bewährt hat, ist das Aufstocken bestehender Gebäude. Wo möglich, wird dabei zum Beispiel ein bestehender Bau um eine Dachwohnung ergänzt. Damit bleibt die beanspruchte Grundfläche gleich, doch die Anzahl der Nutzerinnen und Nutzer erhöht sich. Und indem moderne Siedlungen die Anzahl der Stockwerke zumindest leicht erhöhen, entsteht auch «in der Breite» ein positiver Verdichtungseffekt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Vorheriger Artikel Die modernste Sportarena der Schweiz
Nächster Artikel Vom Wissen zum Können zum Tun