«Das Gehirn eines Kindes ist wie ein Schwamm», heisst es im Volksmund. Und tatsächlich können Kinder enorme Mengen an Informationen aufnehmen. Dank dieser natürlichen Prädisposition fürs Lernen profitieren sie besonders davon, wenn sie einen zweisprachigen Schulunterricht besuchen. Das ist wissenschaftlich erwiesen.
Zur Frage, ob zweisprachiger Unterricht bereits in der Grundschule sinnvoll ist, gehen die Meinungen in der Bevölkerung auseinander. Während einerseits argumentiert wird, dass Kinder mühelos zwei Sprachen erlernen können, äussern Kritiker:innen die Befürchtung, dass Schülerinnen und Schüler in den frühen Schuljahren durch die Bilingualität überfordert werden könnten. Diese Debatte hat Wissenschaftler:innen dazu veranlasst, die tatsächlichen Auswirkungen des zweisprachigen Unterrichts genauer zu untersuchen. Die deutsche Universität Eichstätt lieferte bereits im Jahr 2019 spannende Ergebnisse, die im Rahmen eines umfangreichen Modellversuchs erarbeitet wurden. Unter der wissenschaftlichen Leitung eines Forscherteams hatte man 2015 das Projekt «Lernen in zwei Sprachen – Bilinguale Grundschule Englisch» lanciert. An diesem bayernweiten Modellversuch nahmen 21 Grundschulen mit über 900 Schülerinnen und Schülern sowie 42 Lehrkräften teil. Das freiwillige Angebot sah vor, dass der Unterricht in Fächern wie Kunst, Musik, Sport und weiteren in englischer Sprache erfolgte.
Ein frühzeitiger bilingualer Unterricht verschafft Kindern einen klaren Vorsprung für ihre berufliche und akademische Zukunft.
Die Auswertung der Daten war eindeutig: Die bilingual unterrichteten Kinder übertrafen ihre Altersgenossen nicht nur in ihren Fremdsprachenkenntnissen, sondern auch in den Kernfächern Mathematik und Deutsch. Dies bestätigte gemäss den Studienverantwortlichen die Hypothese, dass zweisprachig aufwachsende Kinder durch die ständige Nutzung und den Wechsel zwischen zwei Sprachen neue neuronale Netzwerke im Gehirn ausbilden. Dieses kognitive «Gehirntraining» schule die sogenannte exekutive Kontrolle – sprich die Fähigkeit, Informationen zu filtern, sich zu konzentrieren und zwischen verschiedenen Aufgaben zu wechseln. Diese gesteigerten kognitiven Fähigkeiten führten dementsprechend zu einer breiteren akademischen Überlegenheit, die weit über das reine Sprachenlernen hinausgeht.
Nachhaltige Sprachkompetenz und kulturelles Verständnis
Ein wesentliches Problem, das praktisch alle kennen, die während ihrer Schulzeit Fremdsprachen erlernten, lautet: Nutzt man die erworbenen Sprachkompetenzen nicht regelmässig, verliert man sie mit der Zeit. Dieses Schicksal ereilt in der Deutschschweiz vor allem das Schulfranzösisch. Hier offenbart sich ein weiterer entscheidender Vorteil des frühen bilingualen Unterrichts: Er zeichnet sich durch eine enorme Nachhaltigkeit der Sprachkenntnisse aus. Denn wer bereits in der Primarstufe eine zweite Sprache lernt und tagtäglich im Unterrichtskontext sowie auf dem Pausenplatz verwendet, entwickelt ein sprachliches Niveau, das fast an dasjenige von Native Speakers heranreicht. Diese verbalen Kompetenzen bleiben selbst dann erhalten, wenn die Sprache später im Leben nicht mehr täglich gebraucht wird. Insbesondere die Aussprache, der Wortschatz sowie das kulturelle Verständnis werden tief im Gedächtnis verankert und sind nur schwer zu verlernen.
Fachleute sind sich überdies einig, dass der frühe Fremdsprachenerwerb die Hör- und Sprechfähigkeiten der Kinder auf eine Weise formt, die im späteren Alter kaum mehr erreicht werden kann. Die Kinder lernen intuitiv, ohne die Hemmungen und die analytische Herangehensweise, die Erwachsene oft beim Sprachenlernen behindern. Sie tauchen spielerisch in die neue Sprache ein und verinnerlichen sie als Teil ihres täglichen Lebens.
Vorsprung für die Zukunft
In einer zunehmend globalisierten Welt sind solide Fremdsprachenkenntnisse eine Schlüsselqualifikation. Ein frühzeitiger bilingualer Unterricht verschafft Kindern einen klaren Vorsprung für ihre berufliche und akademische Zukunft. Viele Masterstudiengänge, vornehmlich in Naturwissenschaften, Technik und Wirtschaft, werden heute ausschliesslich in englischer Sprache angeboten. Wer also bereits in der Grundschule ein solides Fundament gelegt hat, ist bestens darauf vorbereitet, an diesen Programmen teilzunehmen.
Auch auf dem Arbeitsmarkt sind die Anforderungen gestiegen. Unternehmen agieren international und suchen zunehmend Mitarbeitende, die nicht nur eine, sondern zwei oder gar mehr Sprachen fliessend beherrschen. Bilinguale Kinder machen sich daher früh «ready für die Zukunft». Sie haben die nötigen Werkzeuge an der Hand, um sich in einem internationalen Umfeld sicher zu bewegen, zu kommunizieren und sich beruflich weiterzuentwickeln. Der bilinguale Unterricht ist somit mehr als nur ein pädagogischer Ansatz – er ist eine Investition in die ganzheitliche Entwicklung und die zukünftigen Chancen eines Kindes.
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