Das Schweizer Unternehmen Stadler Rail nimmt für sich in Anspruch, die besten Schienenfahrzeuge der Welt herzustellen. «Fokus» wollte vom CEO Markus Bernsteiner wissen, wie man dieser hohen Zielsetzung gerecht wird, wo man die dafür notwendigen Talente findet – und welche Rolle «Leadership» bei der Innovationsförderung spielt.
Herr Markus Bernsteiner, viele junge Menschen aus unserer Leserschaft stehen am Anfang ihrer beruflichen Laufbahn. Welchen Rat würden Sie Ihrem 20-jährigen Ich geben, wenn es um die Weichenstellung für eine erfolgreiche Karriere geht?
Wenn ich meinem 20-jährigen Ich einen Rat geben dürfte, dann diesen: Nimm dir Zeit, dich selbst wirklich kennenzulernen. Finde heraus, was dich antreibt, was dir Freude bereitet und wo deine Stärken liegen – unabhängig von den Erwartungen anderer. Das ist für mich ein Kernpunkt. Die Welt verändert sich rasant, zum Beispiel in den Bereichen Digitalisierung oder künstliche Intelligenz. Es geht daher weniger darum, alles zu wissen oder zu können. Entscheidend ist es, die Fähigkeit zu entwickeln, schnell zu lernen und daraus die richtigen Schlüsse für die eigene Entwicklung zu ziehen. Ganz wichtig finde ich, früh praktische Erfahrungen zu sammeln, sei dies in Praktika oder Nebenjobs. Zudem ist der Aufbau von Soft Skills entscheidend: Kommunikationsfähigkeit, Teamarbeit und Selbstorganisation sind oft genauso wichtig wie fachliches Wissen.
Stadler Rail ist ein weltweit agierendes Unternehmen. Welche Einstiegsmöglichkeiten gibt es für junge Talente direkt nach der Ausbildung oder dem Studium?
Wir bieten jungen Talenten viele Wege in unser Unternehmen: über Praktika, Werkstudentenstellen oder durch die Betreuung von Abschlussarbeiten. Besonders wichtig sind uns dabei langfristige Entwicklungsperspektiven. Ob im Engineering, in der IT, der Produktion oder im Projektmanagement: Wir freuen uns über motivierte Menschen, die mit uns gemeinsam die Mobilität der Zukunft gestalten möchten.
Welche spezifischen Fähigkeiten sind Ihrer Meinung nach für die Zukunft der Bahnindustrie besonders entscheidend? Was müssen die Innovatorinnen und Innovatoren von morgen «draufhaben»?
Die Bahnindustrie steht vor einem tiefgreifenden Wandel: Digitalisierung, Klimaschutz und die Mobilitätswende fordern neue Kompetenzen. Gefragt sind also Menschen mit Systemdenken, die komplexe Zusammenhänge erkennen. Digitale Fähigkeiten wie Datenanalyse, Automatisierung und Cybersicherheit sind ebenso wichtig wie Know-how im Bereich Nachhaltigkeit.
Gleichzeitig braucht es Offenheit für Veränderung, Teamarbeit und ein solides technisches Fundament. Wer bereit ist, sich ständig weiterzuentwickeln und neue Wege zu gehen, wird hier viel bewegen können. Ein gutes Beispiel hierfür bieten die Fahrzeuge mit alternativen Antriebstechnologien. Bei Batterie- und Wasserstoffzügen sind wir heute weltweit marktführend. Dank Stadler werden weltweit rund 20 Millionen Tonnen CO2 eingespart – jedes Jahr. In Europa stammt jedes zweite Fahrzeug mit CO2-freien Alternativantrieben von uns. Dies steht als gutes Beispiel dafür, dass Innovationsgeist, Veränderungsbereitschaft und Fachwissen Hand in Hand gehen müssen.
Der Fachkräftemangel ist ein akutes Problem. Wie begegnet man diesem bei Stadler Rail?
Wir setzen stark auf unser Ausbildungsprogramm. In unseren beiden Produktionsstätten in Bussnang und St. Margrethen bilden wir aktuell gegen 300 Lernende in zwölf verschiedenen Berufen aus. Ein Höhepunkt ist das Projekt «Rösslitram goes Electric». Der Knies Kinderzoo ersetzt das legendäre Tram durch ein elektrifiziertes und barrierefreies Fahrzeug. Hier übernehmen unsere Lernenden von der ersten Idee über die Termin- und Budgeteinhaltung bis zur Fertigung die volle Verantwortung. Sie haben dieses einzigartige Tram selbst konzipiert und bauen es nun eigenständig – ein Paradebeispiel für gelebte Verantwortung und Innovationsgeist. Solche Projekte vermitteln nicht nur Fachwissen, sondern auch wichtige Kompetenzen wie Teamarbeit, Problemlösungsfähigkeit und Eigeninitiative. Und in diesem Zusammenhang besonders wichtig: Viele unserer Lernenden bleiben Stadler nach der Lehre treu. So investieren wir nachhaltig in unsere Zukunft.
Apropos Zukunft: Lebenslanges Lernen ist heute wichtiger denn je. Welche Rolle spielen Aus- und Weiterbildungsprogramme bei Stadler, um die Mitarbeitenden auf dem neuesten Stand zu halten und ihre Entwicklung zu fördern?
Lebenslanges Lernen ist Teil unserer DNA. Wir bieten unseren Mitarbeitenden ein breites Angebot an Aus- und Weiterbildungen oder unterstützen sie finanziell bei externen Angeboten. Denn nur wer ständig am Ball bleibt, kann in einer Branche, die sich technologisch und regulatorisch schnell verändert, bestehen. Deshalb investieren wir gezielt in Programme, die nicht nur Wissen vermitteln, sondern auch dazu ermutigen, Neues auszuprobieren und über den Tellerrand hinauszuschauen. Zudem haben unsere Mitarbeitenden die Möglichkeit, über eine mehrmonatige oder gar mehrjährige Stage andere Bereiche kennenzulernen oder an einem unserer internationalen Standorte zu arbeiten. So fördern wir nicht nur fachliche, sondern auch interkulturelle Kompetenzen und eröffnen neue Entwicklungschancen.
Der klassische Karriereweg wird immer seltener. Wie steht Stadler Rail zu Quereinsteigerinnen und -einsteigern sowie Menschen, die einen Branchenwechsel anstreben? Gibt es erfolgreiche Beispiele dafür in Ihrem Unternehmen?
Wir begrüssen Quereinsteigende. Oft bringen sie frische Perspektiven, hohe Motivation und wertvolle Kompetenzen mit. Ein schönes Beispiel ist unser Programm, bei dem Mitarbeitende von der Abteilung Inbetriebsetzung ins Ingenieurwesen wechseln können. Seit 2021 haben wir 19 Personen auf diesem Weg in neue Aufgaben begleitet. Uns ist es wichtig, dass nicht nur der Lebenslauf entscheidet, sondern die Bereitschaft, sich einzubringen und sich weiterzuentwickeln.
Jedes Unternehmen und jedes Team ist nur so gut wie seine Führungsriege. Welche Eigenschaften halten Sie für essenziell, um in einer Führungsposition erfolgreich zu sein?
Gute Führung fängt bei der eigenen Haltung an und nicht beim Titel. Daher ist es entscheidend, die eigene Werthaltung zu kennen und diese zu leben. Für mich bilden Respekt, Ehrlichkeit und Vertrauen die Basis. Danach handle ich jeden Tag. Zentral ist zudem, dynamisch zu bleiben und stets unternehmerisch zu handeln. Das heisst, dass man flexibel auf sich verändernde Rahmenbedingungen reagiert und sämtliche Entscheide zugunsten des Unternehmens trifft. Das eigene Ego hat keinen Platz.
Was möchten Sie jungen Menschen mit auf den Weg geben, die davon träumen, eines Tages selbst eine Führungsposition zu übernehmen?
Wer führen will, muss zuallererst lernen, sich selbst zu führen und Verantwortung zu übernehmen – nicht nur für sich selbst, sondern auch für andere und für das, woran man glaubt. Es geht nicht darum, «oben» zu stehen, sondern darum, den ersten Schritt zu machen. Führungsstärke zeigt sich darin, offen für Neues zu bleiben und immer authentisch zu sein. Menschen folgen nicht Titeln, sondern Persönlichkeiten.
Für den Schritt in die Führung ist wichtig, nicht darauf zu warten, dass dir jemand Verantwortung überträgt. Such sie aktiv, übernimm sie, auch wenn es unbequem ist. Man muss sich auch selbstbewusst einbringen und Verantwortung einfordern. Wer Initiative zeigt und bereit ist, den Schritt nach vorne zu machen, wird gesehen und kann zeigen, was in einem steckt. Dann gelingt auch der Schritt in die Führung.
Schreibe einen Kommentar