Peter Wuffli ist Ökonom und durchlief während seiner beruflichen Karriere zahlreiche Stationen in der Finanzwelt. 2006 entschied er sich zusammen mit seiner Frau, die Stiftung «elea» zu gründen und mit Impact Investing die globale Armut zu bekämpfen. Im Interview erzählt er, was ihn dazu bewegt hat und um was es sich bei diesem philanthropischen Ansatz handelt.
Herr Peter Wuffli, worum handelt es sich bei Impact Investing?
Impact Investing ist eine Form von Investieren, die mittlerweile knapp zwanzig Jahre alt ist. Neben finanzieller Rendite werden auch messbare soziale und ökologische Ziele bewusst verfolgt. Solche Impact Investitionen erfolgen zusätzlich und damit additiv zur kommerziellen Investitionstätigkeit.
Wie lassen sich diese Erfolge denn messen?
Bei ökologischen Zielen sind zum Beispiel eingesparte CO₂-Tonnen wichtige Messgrössen. In unserem Gebiet, der Bekämpfung absoluter Armut, verwenden wir eine Impact-Messmethode, die wir selber entwickelt haben, und die erfasst, wie viele Menschen direkt und indirekt durch Investments in einer gewissen Weise positiv beeinflusst werden. So messen wir zum Beispiel, wie viele Jugendliche, die in Armut leben, jährlich durch unsere Unterstützung einen Job erhalten oder wie viele Kleinbäuer:innen an Weiterbildungen teilnehmen, bessere Absatzkanäle nutzen und dadurch höhere Einkommen erzielen.
Ist Impact Investing rentabel?
Finanzielle Rentabilität ist essenziell für Impact Investments, da Impact ohne Rentabilität nicht nachhaltig ist. Aber es gibt grosse Unterschiede je nach Sektor: Bereiche wie etwa Klimainvestitionen oder Mikrokredite sind oftmals so rentabel wie traditionelle Investments. elea ist mit ihrem Fokus auf Kleinbäuer:innen, Mikro-Retail oder berufliche Fähigkeitenentwicklung in unterdurchschnittlich rentablen Bereichen mit hohen Risiken tätig. Wir streben danach, das eingesetzte Investitionskapital zurückzuerhalten, um es in neue Impact-Unternehmen zu investieren. Gleichzeitig akzeptieren wir, dass sich unser substanzieller Betreuungsaufwand, der zum Beispiel durch Einsitznahme in Verwaltungsräten und oft intensive und mehrjährige Zusammenarbeit mit den Unternehmen entsteht, insgesamt nicht rentabilisieren lässt. Das ist einer der Gründe, weshalb wir eine nicht gewinnorientierte Stiftung und keine kommerzielle Organisation sind.
Wie können ethische und nachhaltige Ziele durch Geldanlagen erreicht werden und somit Positives bewirken?
Ich kann Ihnen zwei Beispiele aus dem elea-Portfolio nennen: Das argentinische Unternehmen Arbusta, das IT-Dienstleistungen anbietet, macht rund fünf Millionen Dollar Umsatz pro Jahr und ist knapp profitabel. Es identifiziert Jugendliche, die aus schwierigen Verhältnissen kommen, keine Ausbildung haben und oft arbeitslos sind. Durch die Tätigkeit von Arbusta werden jährlich knapp 1000 Jugendliche ausgebildet und erhalten so eine Chance auf dem Arbeitsmarkt.
In Simbabwe verwertet das Unternehmen B’Ayoba Früchte des Affenbrotbaums, auch Baobabbaum genannt, die in Pulverform zur Nahrungsergänzung sehr gefragt sind und als Superfoods gelten. Einst fielen die Früchte von den Bäumen und blieben ungenutzt liegen. Dank B’Ayoba können sich arme Bäuer:innen, die jährlich ein Einkommen von nur rund 100 US-Dollar erzielen, etwas dazuverdienen. Sie sammeln die Früchte und bringen diese zur Fabrik, wo sie von B’Ayoba zu Pulver verarbeitet und an Nahrungsmittelkonzerne weltweit exportiert werden. Mit dem Zusatzverdienst von rund 50 US-Dollar jährlich können die Bäuer:innen ihre Kinder in die Schule schicken und ihnen so eine Ausbildung ermöglichen.
Welchen Einfluss werden die jüngeren Generationen auf die Entwicklung von Impact Investing haben?
Die jüngere Generation ist stark sensibilisiert auf diese Themen. Das zeigt sich bei uns gleich dreifach: Es sind meistens junge Leute, welche die Impact-Unternehmen vor Ort gründen und aufbauen, in die wir investieren. Zweitens zählen zu unserem Kreis an philanthropischen Investor:innen zum Beispiel private Vermögensverwaltungsgesellschaften, auch Family Offices genannt. Dort sehen wir eine neue Generation, die sich für Impact Investing mit sozialer und ökologischer Rendite interessiert und nicht auf reine Profitmaximierung setzt. Schliesslich sind wir ein junges Team mit einem Durchschnittsalter von unter 35 Jahren. Unser zweijähriges elea Talent Program richtet sich an talentierte Universitätsabsolvent:innen, die eine Karriere im Impact Investing verfolgen, und ist äusserst erfolgreich. Vor einem Jahr erhielten wir fast 150 qualifizierte Bewerbungen für vier offene Stellen.
Was bewegte Sie dazu, die Stiftung elea zu gründen?
Mich beschäftigen Fragen zu Armut, Ethik und Globalisierung seit meiner Jugend. Ich studierte in St. Gallen Entwicklungsökonomie und schrieb meine Dissertation in Mexiko zum Thema Direktinvestitionen. Ich nahm die Globalisierung von jeher als eine starke positive Kraft wahr, deren Chancen jedoch ungleich verteilt sind. Wenn man Glück hat und wie ich in der Schweiz geboren ist, gehört man zu den Gewinnern der Globalisierung. Aus dieser Erfahrung leiteten meine Frau und ich eine Verantwortung ab, uns für Menschen einzusetzen, die in absoluter Armut ohne Zugang zu diesen Vorteilen leben.
Als ich in den 1970er-Jahren die Uni besuchte, gab es keine empirische Forschung zum Thema Armut. Die Debatte war stark ideologisiert und vom kalten Krieg geprägt. Armut wurde oft als Schicksal angesehen. Mittlerweile gibt es relevante Expertise und praktische Erfahrungen, wie man Armut aktiv bekämpfen kann. Das Poverty Lab am MIT in Boston, das kürzlich mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde, hat viel zum Verständnis von Armut und deren wirksamen Bekämpfung beigetragen. Und weltweite Bewegungen wie Social Entrepreneurship, Microfinance und Impact Investing haben ein bedeutendes Wachstumsmomentum entwickelt.
In welchen Bereichen ist elea tätig?
Der erste Bereich betrifft die Landwirtschaft, denn das Einkommen von bis zu siebzig Prozent der Bevölkerung in Ländern mit niedrigen bis mittleren Einkommen hängt vom Agrarsektor ab. Wir unterstützen Unternehmen, die Kleinbäuer:innen in landwirtschaftliche Wertschöpfungsketten einbinden und so ihre Produktivität und ihr Einkommen steigern.
Ein anderes Thema ist der Bereich Mikro-Retail und die Versorgung der letzten Meile: Da engagieren wir uns zum Beispiel bei Unternehmen, welche die Produktivität von Kleinhändler:innen in städtischen oder ländlichen Gebieten steigern und dafür sorgen, dass von Armut betroffene Menschen lebensnotwendige Produkte und Dienstleistungen zu fairen Preisen und in verlässlicher Qualität erwerben können.
Eine der grössten Herausforderungen bei der Armutsbekämpfung besteht darin, jungen Menschen die Kompetenzen zu vermitteln, nach ihrer Grundausbildung ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Daher investieren wir in Unternehmen, die Jugendliche in beschäftigungsrelevanten Kompetenzen ausbilden und ihnen damit Zugang zu Jobs und Einkommen ermöglichen.
Der vierte Bereich ist Klima und Lebensgrundlagen: Menschen, die in absoluter Armut leben, sind besonders stark von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen. Daher investieren wir in Unternehmen, die sich dem Kampf gegen die Klimakrise in Verbindung mit Armutsminderung verschrieben haben. Dazu zwei Beispiele: In Afrika, Teilen von Asien und Lateinamerika wird noch häufig mit Holz oder Kohle gekocht, was sowohl die Umwelt als auch die Gesundheit stark belastet. So kann man mit kleinen elektrischen Herdplatten, die unser Portfolio-Unternehmen ATEC in Bangladesch und Kambodscha anbietet, bessere Kochgewohnheiten fördern und gleichzeitig einen Beitrag zur Dekarbonisierung leisten. Ein anderes Investment ist Oorja, eine Firma, die in Indien solarbetriebene Pumpen für die Bewässerung von Feldern anbietet und damit teure und umweltschädliche dieselbetriebene Pumpen ablöst.
Was bewirken Sie mit elea?
Seit es uns gibt, haben wir schätzungsweise rund 30 Millionen Menschen zu besseren Lebensverhältnissen verholfen. Wir wollen unseren Impact bis 2030 verdreifachen und mindestens 100 Millionen Menschen erreichen. Das wären fünf Prozent der weltweit zwei Milliarden Menschen, die in Armut leben. Wir möchten eine Art Leuchtturm für unternehmerische Philanthropie sein und so für andere Stiftungen, Family Offices und vermögende Privatpersonen einen alternativen Weg zur herkömmlichen karitativen Entwicklungszusammenarbeit aufzeigen.
Seit es uns gibt, haben wir schätzungsweise rund 30 Millionen Menschen zu besseren Lebensverhältnissen verholfen. Wir wollen unseren Impact bis 2030 verdreifachen und mindestens 100 Millionen Menschen erreichen. Peter Wuffli, Ökonom
Schliesslich möchten wir Perspektiven für einen Kapitalismus zeigen, der positive soziale und ökonomische Rendite fördert.
Wie sieht Ihre Vision für die Weltwirtschaft aus?
Vision ist ein anspruchsvoller Begriff, den ich hauptsächlich für elea benütze, da wir konkret Einfluss nehmen können. Für die Welt habe ich einfach die Hoffnung, dass der aktuelle Umbruch von einer USA-geprägten Nachkriegsordnung in ein polyzentrisches System wiederum zu einer Art Ordnung führt und nicht in Chaos und Gewalt mündet. Vor allem von Europa und von der Schweiz wünsche ich mir ein beherztes Einstehen für die Werte, die unseren Erfolg begründeten: Offene Märkte, liberale Ordnungspolitik, Schutz der Menschenwürde und demokratische politische Prozesse. Eine Weiterentwicklung der Globalisierung ist auch für die Menschen im globalen Süden und für die Armutsbekämpfung essenziell.
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