Interview von SMA

Florian Huettl: »Begeisterung ist ein zeitloser Antrieb«

Der CEO von Opel im Interview über Herausforderungen der Elektromobilität und der deutschen Industrie.

Seit 125 Jahren baut Opel in Deutschland Autos. Etwas weniger lang, sprich seit fast zweieinhalb Jahren, steht Florian Huettl dem deutschen Traditionsunternehmen als CEO vor. Im Interview führt Huettl aus, welche Themen und Herausforderungen seine Amtszeit bisher geprägt haben – und mit welchen Weichenstellungen er und sein Team Opel für die kommenden 125 Jahre auf Erfolgskurs halten wollen.

Herr Florian Huettl, Sie stehen Opel seit Juni 2022 als CEO vor. Wo lagen die größten Herausforderungen, denen Sie sich in dieser Position bisher stellen mussten – und wie konnten Sie diese überwinden?

Da fallen mir zwei wesentliche Themen ein: Zum einen lag mein Fokus darauf, die generelle Komplexität in unserem Unternehmen zu reduzieren und Dinge einfacher zu gestalten. Ganz im Sinne unseres Unternehmenswerts »Detox«. Damit meinen wir die Reduktion auf das Wesentliche mit Fokus auf den Mehrwert für unsere Kunden. Gerade im Automobilgeschäft ist es wichtig, über ein attraktives Produktangebot zu verfügen, das sich zwar durch Vielfalt auszeichnet, gleichzeitig aber auch eine klare und verständliche Linie aufweist. Daher haben mein Team und ich uns darauf fokussiert, ein strukturiertes Line-up mit Wiedererkennungswert zu schaffen. Wir möchten, dass unsere Kundinnen und Kunden genau wissen, was sie kaufen und wo die Fahrzeuge herkommen, denen sie ihr Vertrauen schenken.

Florian Huettl mit einem Opel Grandland

Und wie lautet das zweite Thema, das Ihre Zeit besonders beansprucht hat?

Eine essenzielle Aufgabe von Opel sehe ich darin, die Bezahlbarkeit der E-Mobilität zu fördern. Daran haben wir intensiv gearbeitet – und tun es auch weiterhin. Denn wir möchten E-Mobilitätslösungen anbieten, die den Ansprüchen unserer Kunden gerecht werden, ohne dabei unerschwinglich zu werden. Um dies zu erreichen, drehen wir an verschiedenen Stellschrauben. Wichtig sind in diesem Zusammenhang vor allem der Einkauf sowie unsere Battery-Shops in den Werken Rüsselsheim und Eisenach, wo wir die Battery-Packs für unsere Fahrzeuge selbst montieren. Damit verankern wir unsere Wertschöpfungskette stärker in Deutschland und entwickeln Produkte, die in absehbarer Zeit bezahlbar sind und bleiben.

Opel feiert in diesem Jahr das Jubiläum »125 Jahre Automobilbau«. Wie spiegelt sich diese Tradition in der heutigen Vision sowie den strategischen Zielen des Unternehmens wider?

Das Jubiläum hat eine große Bedeutung für uns und wurde dementsprechend gefeiert. Am besten werden wir Opel aber meiner Meinung nach gerecht, indem wir den Spirit weiterleben, den das Unternehmen seit Tag eins auszeichnet: Opel war stets ein Pionier und hat sich im Laufe seiner langen Geschichte mehrfach gewandelt. 1899 waren wir Automobilbau-Pionier, 125 Jahre später sind wir Elektro-Pionier. Denn als erster deutscher Autohersteller bieten wir jedes unserer Modelle auch vollelektrisch an. Darauf sind wir stolz und berufen uns auf die Werte, die uns auszeichnen: Detox, Greenovation und Modern German. Letzteres ist uns besonders wichtig, denn wir sind ein deutsches Unternehmen und stark mit unserer Region verwurzelt. Unsere Top-Modelle Astra und auch den neuen Grandland bauen wir in unseren deutschen Werken. Alle Opel-Modelle werden in Deutschland entwickelt und designt. Es ist nicht selbstverständlich, dass man in unserer Branche »Made in Germany« sagen kann.

Diese Ausgabe trägt den Namen »Deutsche Werte«. Welche Werte verbinden Sie mit Deutschland und seiner Industrie?

Man könnte hier ganz viele Kriterien anführen, doch für mich sind es drei Werte, die essenziell sind. An erster Stelle steht die Qualität, die auf deutscher Ingenieurskunst und Innovationskraft unserer Mitarbeitenden beruht. Sie bildet den Kern unserer Arbeit. Der nächste Wert betrifft die Präzision, die für uns und andere deutsche Unternehmen unerlässlich ist.

Und wie lautet der dritte Wert?

Das ist eines meiner Lieblingsthemen: Design. Dieser Aspekt bekommt häufig nicht die verdiente Aufmerksamkeit, dabei zeichnet sich deutsches Design ebenfalls durch Werte aus, die in einer langen Geschichte gründen. Deutsches Design ist gradlinig, schnörkellos und klar. Diesem Umstand wollen wir auch bei Opel gerecht werden. Hierfür ist die lokale Verwurzelung entscheidend, in unserem Fall durch unsere Zentrale in Rüsselsheim sowie unser Stammwerk, in dem wir den Astra produzieren. Ferner haben wir Werke in Eisenach, wo wir stark in die Fertigung des neuen Opel Grandland investiert haben, und in Kaiserslautern, wo Fahrzeugkomponenten für mehrere Marken des Stellantis-Konzerns gefertigt werden.

Wie können Sie sicherstellen, dass Opel auch in den nächsten 125 Jahren eine zentrale Rolle in der deutschen Automobilindustrie spielt?

Wir bauen seit 125 Jahren Autos, weil wir ganz genau wissen, wie man Fahrzeuge herstellt, die den Kundinnen und Kunden gefallen. Ich sehe unsere wichtigste Aufgabe darin, Menschen zu begeistern. Was die Mobilität in 125 Jahren auszeichnen wird, weiß ich nicht, aber Begeisterung ist ein zeitloser Antrieb. Das wird sich nicht verändern. Die absehbare Zukunft für uns liegt sicherlich in der E-Mobilität. In diesem Feld sind wir heute führend und wollen diese Position beibehalten, um bis 2038 unser Ziel der CO₂-Neutralität zu erreichen. Dafür bauen wir auch eine neue Firmenzentrale in Rüsselsheim, den nachhaltigen »grEEn-campus«.

Da bahnt sich also einiges an Veränderung an.

Das stimmt, aber unsere Branche befindet sich ganz allgemein in einer tiefgreifenden Übergangsphase, weg vom Zeitalter der Verbrenner hin zur emissionsfreien Mobilität für alle. Der damit einhergehende Umbau ist äußerst umfassend – und setzt entsprechend umfassende Investitionen voraus, die im hohen Milliarden-Bereich liegen. Das muss man stemmen können. Eine derartige Herausforderung kann kein Unternehmen und kein Industriesektor allein bewältigen. Hierfür muss auch die Politik mitspielen und die passenden Rahmenbedingungen gewährleisten, die uns Branchenakteuren Planbarkeit ermöglicht. Denn der deutsche Automobilsektor muss neben globalen Entwicklungen, Vorgaben und Faktoren auch nationale Aspekte wie hohe Energie- und Lohnkosten auffangen. Hier müssen wir alle an einem Strang ziehen, um dem deutschen Wert »Made in Germany« gerecht zu werden.

Apropos »Made in Germany«: Wie stark ist Opel vom Fachkräftemangel betroffen?

Glücklicherweise haben wir als Marke eine große Strahlkraft, weswegen viele junge Talente den Weg zu uns aus eigenem Antrieb finden. Doch auch uns stellt die Transformation durch die digitalen Technologien vor Herausforderungen. Wir versuchen daher, die Talente in unserer Belegschaft zu halten und ihre Qualifikationen neu auszurichten. Das ist uns beispielsweise mit unserem Wasserstoff-Brennstoffzellen-Team gelungen: Dieses Engineering-Team besteht aus zahlreichen Ingenieuren, die zuvor im Bereich der Verbrennungsmotoren tätig waren und sich nun auf diese neue, nachhaltige Antriebsart spezialisieren konnten. Darüber hinaus bildet Opel seit 162 Jahren in Deutschland selbst aus, was einer Talentschmiede gleichkommt.

Welche konkreten Innovationen können wir in den nächsten Jahren von Opel erwarten?

Die Wertschöpfungskette von Automobilherstellern verändert sich. Die so wichtige Batterietechnik ist immer noch extrem teuer. Darum besteht ein wichtiger Teil unserer künftigen Strategie darin, deren Produktion und Kompetenzen in diesem Feld in die EU zu verlagern. Dafür haben wir mit Partnern das Joint Venture ACC gegründet. Das Unternehmen entwickelt und produziert Batteriezellen in Europa, die heute schon im neuen Opel Grandland eingesetzt werden. Auf die Weiterentwicklung der Batterietechnologie werden wir einen starken Fokus legen.

Zur Person:

Florian Huettl ist Chief Executive Officer (CEO) der Opel Automobile GmbH. Er führt den traditionsreichen Automobilhersteller Opel seit Juni 2022. Vor seiner derzeitigen Tätigkeit war er Vertriebs- und Marketingchef von Opel/Vauxhall sowie Mitglied des Executive Committee der Opel Automobile GmbH.

Huettl ist auch Mitglied des Top-Executive-Teams von Stellantis und berichtet direkt an Stellantis CEO Carlos Tavares.

Florian Huettl hat bereits verschiedene leitende Positionen bei Stellantis und der Renault-Gruppe inne. Im Verlauf der letzten 20 Jahre konnte er in Großbritannien, Frankreich, der Schweiz und Russland internationale Erfahrung sammeln. Huettl hat einen Bachelor-Abschluss in International Business Management der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch-Gladbach.

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25.10.2024
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