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Innovation Mobilität

Die Fortbewegung von morgen

18.11.2022
von Julia Ischer

Fliegende Autos, autonomes Fahren und das alles möglichst nachhaltig. Sind diese Vorstellungen überhaupt umsetzbar? Wie werden wir in Zukunft von A nach B kommen?

Die Mobilität der Zukunft kann viele Formen annehmen. Elektroroller, Carsharing oder gar automatisierte Taxis sind nur einige Beispiele dafür. «Wie genau wir uns künftig fortbewegen werden, ist schwierig zu prognostizieren. Mobilität ist ein vielschichtiges Thema, das eng verwoben ist mit unterschiedlichsten Lebensbereichen. Dass wir aber vor grossen Veränderungen stehen, ist sicher: Uns stehen spannende Jahre bevor», sagt Philipp Scharfenberger vom Institut für Mobilität der Hochschule St. Gallen.

Die wichtige Funktion der Politik

Eine nicht unwesentliche Rolle in den aktuellen Mobilitätsentwicklungen der Schweiz kommt der Politik zu. Dabei ist es dem Experten zufolge essenziell, dass diese eine «zuversichtliche Innovationskultur» fördere und vorlebe.

Teststädte oder -regionen, in denen neue Formen des Fortbewegens ausprobiert und kennengelernt werden können, branchenübergreifender Austausch und Kollaboration sowie die gezielte Förderung von Innovationsprojekten. All diese Dinge bringen grosses Potenzial mit sich. Ein wichtiger Aspekt hierbei ist, unsere Einstellung zu Innovationen zu kultivieren. Scharfenberger betont, dass Innovationen nicht primär aus Wettbewerbsdruck oder -angst entstehen sollen, sondern vor allem aus Freude und der Neugierde an neuen Erfahrungen. Ein Innovationszwang sollte einem Innovationsdrang weichen.

Alternative Antriebe sind fundamental

Ganz sicher werden alternative Antriebe, allen voran der Elektromotor, immer mehr ins Zentrum gerückt. Diese hängen aber stark von ihrer Praktikabilität und Nachhaltigkeit ab. Woher kommt der Strom? Wie können Batterien aus Elektrofahrzeugen nachhaltig recycelt werden? «Kritische Fragen wie diese dürfen bei der aktuellen E-Euphorie nicht verdrängt werden», so Scharfenberger.

Ein anderer, sehr ursprünglicher Antrieb ist die eigene Körperkraft. Viele zählen jeden Tag ihre Schritte. Dass unsere Füsse aber auch essenzielle und nachhaltige Fortbewegungsmittel sind, kommt in der aktuellen, häufig sehr technisch geprägten Mobilitätsdebatte nicht selten zu kurz.

Werden Städte bald autofrei sein?

Im Augenmerk der Mobilitätswende liegen auch die Städte. Die Rede ist von komplett autofreien Städten. Die Relevanz des Autos sollte dabei aber nicht unterschätzt werden. Das Auto ist in vielen Kontexten wichtig und hilfreich, wie beispielsweise für Familien mit kleinen Kindern oder für Menschen mit körperlichen Einschränkungen. Zusätzlich, meint der Experte, sei das Auto stark in unseren Alltag integriert und deshalb häufig eine wichtige Option, ohne die man seinen Verpflichtungen gar nicht nachkommen könne. «Das Ziel sollte vielmehr sein, den Verkehr zu reduzieren und Autos vermehrt zu teilen», so Scharfenberger weiter.

Digitale Arbeitsformen, aber auch Möglichkeiten, sich zukünftig privat vermehrt im virtuellen Raum zu treffen, werden unsere Fortbewegung und damit unsere Ansprüche an Infrastruktur massiv beeinflussen. Philipp Scharfenberger

Zusätzlich hilft Carsharing hinsichtlich der Wahl und Verfügbarkeit des richtigen Autos. So kann je nach Situation und Bedarf ein Kleinstfahrzeug oder ein Kombi gewählt werden. Zur Shared Mobility gehört auch der öffentliche Verkehr. Die Qualität und Zuverlässigkeit dessen ist in der Schweiz grösstenteils bereits auf einem sehr hohen Niveau. Dieses sollte unbedingt beibehalten und wo möglich weiter ausgebaut werden. Laut Scharfenberger ist das eine wichtige Voraussetzung für mehr Nachhaltigkeit in diesem Sektor.

Die Mobilitätswende geschieht nicht von alleine

Es ist nicht nur wichtig, dass innovative Mobilitätsformen entstehen, sondern auch, dass Konsument:innen ihre Vorzüge kennenlernen und sie annehmen. Empfehlungen von Freund:innen und Bekannten sowie das Vorleben von Meinungsführer:innen sind in diesem Zusammenhang wichtig. Aber auch die Aufklärung darüber, wie neue Angebote effizient genutzt werden können.

«Ausserdem liegt in vereinfachten Testmöglichkeiten ein grosses Potential. Das Neun-Euro-Ticket in Deutschland hat viele neue Menschengruppen dazu motiviert, den öffentlichen Verkehr zu testen. Das bringt aber natürlich nur dann etwas, wenn die gemachten Erfahrungen positiv sind. Auch das Schnupper-GA der SBB ist ein interessanter Ansatz, um neue Zielgruppen in den ÖV zu locken», so der Experte. Um Berührungsängste mit neuen Technologien wie Elektrofahrzeugen zu verringern, können Fahrzeugabos helfen, weil dadurch das wahrgenommene Risiko der Anschaffung reduziert wird.

Eine andere Art, um Verhaltensänderungen in der Gesellschaft zu erzielen, ist die korrekte und faire Bepreisung von Ressourcen. Die korrekte Bepreisung von Energieformen, verursachten Schadstoffen, Entsorgungsprozessen, Parkraum oder Arbeitskraft beispielsweise würde Menschen automatisch auf die «richtigen» Verkehrsmittel lenken.

Die Rolle der Forschung

Um die Frage der künftigen Fortbewegung kümmern sich nicht nur Politik und Gesellschaft, sondern auch die Wissenschaft. So gibt es derzeit diverse vielversprechende Innovationen in den Bereichen alternative Antriebe, multimodale Applikationen für den ÖV oder das Carsharing sowie autonomes Fahren. «Letzteres wird unser Erleben von Individualverkehr definitiv revolutionieren», sagt der Experte.

Bei jeglicher Forschung zu Mobilität sei es wichtig, auch die gegenwärtigen informationstechnologischen Entwicklungen im Blick zu behalten, hebt der Experte hervor. «Digitale Arbeitsformen, aber auch Möglichkeiten, sich zukünftig privat vermehrt im virtuellen Raum zu treffen, werden unsere Fortbewegung und damit unsere Ansprüche an Infrastruktur massiv beeinflussen.»

Weniger ist mehr

Trotz diverser Innovationen und Neuentwicklungen im Bereich Fortbewegung wird oft vergessen, dass die Gesellschaft aufgrund der Digitalisierung je länger je weniger mobil sein muss. Und es auch sollte: «Seit Jahrzehnten steigt unser Mobilitätsaufkommen. Warum immer mehr unterwegs sein? Innehalten, als Gesellschaft zur Ruhe kommen – auch das wird in Zukunft eine grosse Rolle spielen.»

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