Nie wurde in den Medien mehr über das Thema Big Data gesprochen als heute. Was für Unternehmen ein enormes Potential darstellt, ist für die Nutzer oftmals ein unverzeihlicher Eingriff in die Privatsphäre. Dabei sind wir den Datenhaien gar nicht so ausgeliefert, wie wir denken.
San Francisco, Freitagmorgen, 20. Juli 2018: Ich verliess um 07:16 Uhr meine Wohnung in der Lowell Street und machte mich mit dem Bus auf in Richtung Hyde Street. Dort kam ich um 08:43 Uhr an und blieb bis um 11:38 Uhr. Meinen Mittag verbrachte ich im India Curry House, 1040 Columbus Avenue. Ich brauchte erstaunlicherweise nur 19 Minuten, bis ich satt war. Anschliessend begab ich mich zu Fuss wieder zurück in die Hyde Street.
Woher ich das so genau weiss? Google verriet es mir.
Grosser Nutzen und hohes Risiko
Der technologische Fortschritt der letzten Jahre macht es möglich. Die ultraschnelle Verarbeitung riesiger, komplexer Datenmengen, welche mit herkömmlichen Methoden nie ausgewertet werden könnten. Diese Anhäufung von Daten aus unterschiedlichsten Quellen wird gemeinhin als «Big Data» bezeichnet. Der Cambridge Analytica-Skandal verdeutlichte, welche Nachteile mit der strukturierten und systematischen Datenerhebung einhergehen: Das Datenanalyseunternehmen verwendete die gesammelten Informationen von 50 Millionen Facebook-Nutzern ohne deren Kenntnis zur Beeinflussung des US-amerikanischen Präsidentenwahlkampfes vor zwei Jahren.
Das «Öl des 21. Jahrhunderts», wie Stefan Gross-Selbeck, CEO von XING, die Daten einst bezeichnete, stellt für viele Unternehmen inzwischen eine wichtige Ressource dar. Anwendung findet Big Data zum Beispiel in der Marktforschung oder Webanalysen, aber auch zum Aufdecken von Missbrauchsfällen bei Finanztransaktionen und der medizinischen Diagnostik.
Hoher Datenschutz als Unterscheidungskriterium
Dieses Jahr wurde sie Tatsache: die EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Das Ziel der DSGVO ist es, das in allen Ländern der EU unterschiedlich ausgelegte Datenschutzrecht zu vereinheitlichen. Im Zuge dessen dürfen Unternehmen nur noch so viele Daten sammeln, wie für ihre Geschäftstätigkeit nötig sind. Dabei müssen sie den Nutzer von Anfang an über den Zweck und das Ausmass der Datenerhebung informieren. Der Kunde wiederum muss seine Einwilligung geben und kann diese jederzeit zurückziehen. Darüber hinaus darf eine Kopie der vom Dienstleister gesammelten persönlichen Daten verlangt und eine sofortige Löschung aller Daten beantragt werden. Verletzungen der gesetzlichen Bestimmungen sanktionieren nationale oder regionale Aufsichtsbehörden mit Verwarnungen oder Bussen.
Anwendung findet Big Data zum Beispiel in der Marktforschung oder Webanalysen, aber auch zum Aufdecken von Missbrauchsfällen bei Finanztransaktionen und der medizinischen Diagnostik.
Die DSGVO sei ein wichtiger Schritt vorwärts, meint der deutsche Datenschützer und Autor Malte Spitz. Nebst der Schaffung von Eindeutigkeit zeige sie auch über die EU hinaus Wirksamkeit. «Viele Unternehmen sprechen darüber und so manche Staaten sehen sie als Vorbild für eigene Gesetze. Damit wird sie zunehmend auch global Geltung haben», meint Spitz. Als weiteren Vorteil nennt er den Denkanstoss, den die neue Verordnung ausgelöst hat. «Unternehmen mussten sich vielleicht zum ersten Mal überhaupt mit all diesen Fragen auseinandersetzen.» Der Aspekt des Privatsphärenschutzes werde überdies explizit zum Unterscheidungskriterium für Firmen, welche sich durch erhöhten Datenschutz von der Konkurrenz abzuheben versuchten.
Ein Appell an die Selbstbestimmung
Gemäss einer vor zwei Jahren herausgegebenen Umfrage des Vodafone Instituts für Gesellschaft und Kommunikation überwiegen für mehr als die Hälfte der rund 8200 befragten Teilnehmer die Nachteile beim Thema Big Data. Nur 16 Prozent würden Suchmaschinen und sozialen Netzwerken im Hinblick auf deren Umgang mit persönlichen Daten vertrauen. Eine generelle Skepsis ist ersichtlich, die es vonseiten der Unternehmen, der Verbraucher, aber auch der Politik anzugehen gilt. «Man sollte jedem einzelnen die Möglichkeit geben, seine Privatsphäre stärker zu schützen und gleichzeitig ein hohes generelles Schutzniveau für alle aufbauen», empfiehlt Spitz.
Die Vodafone-Umfrage wollte von den Leuten wissen, was Unternehmen oder Organisationen machen könnten, um das Vertrauen zurückzugewinnen. 68 Prozent nannten eine einfache, klare Sprache sowie kurze und verständliche AGB als vielversprechenden Ansatz. Weiter wurden Transparenz bezüglich der Datensammlung und -nutzung, Vermeidung von Kleingedrucktem und die Möglichkeit, die Privatsphäre-Einstellungen zu ändern, von mehr als der Hälfte hervorgehoben.
Trotz aller Skepsis darf man einen entscheidender Punkt nicht vergessen: die Selbstbestimmung. Ich entscheide, was ich preisgebe und welche Informationen geschützt werden sollten. Bei manchen Bereichen werde die Privatsphäre einfacher aufgegeben als bei anderen, meint Spitz. «Hier obliegt es jedem Einzelnen zu entscheiden, in welchen Bereichen er seine Privatsphäre besonders stark schützen möchte. Dementsprechend muss jeder seinen Fokus dort legen, wo das Bedürfnis am höchsten ist. Das bedeutet dann auch einmal Mehraufwand.»
Schützen kann man seine Daten auf vielfältige Weise. Zum einen sollte man im Internet verschiedene Passwörter brauchen und diese möglichst sicher wählen. Ein sicheres Passwort ist mindestens zwölf Zeichen lang, beinhaltet Klein- und Grossbuchstaben, Zahlen, Sonderzeichen und darf nicht aus persönlichen Angaben abzuleiten sein. Des Weiteren bietet der Webbrowser selbst diverse Möglichkeiten, die Verbreitung personenbezogener Daten einzuschränken. So kann beispielsweise der Gebrauch von Cookies oder die Cache-Nutzung gesteuert und Zusatzsoftware heruntergeladen werden, um die digitalen Spuren möglichst klein zu halten.
Text: Sven Hoti
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