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«Wer seine digitale Souveränität verliert, verliert die strategische Handlungsfähigkeit»

08.10.2025
von SMA

Künstliche Intelligenz ist längst keine Spielerei mehr: Sie verändert Geschäftsmodelle und ganze Branchen. Gleichzeitig stellen geopolitische Spannungen die IT-Strategien vieler Unternehmen auf die Probe und der Wettbewerb um Talente verschärft sich. Hasan Tekin, Geschäftsführer Deutschschweiz bei Wavestone, navigiert sein Unternehmen durch diese Phase der Transformation. Seit dem Merger von Wavestone und Q_Perior treibt er die Integration voran, baut Synergien auf und entwickelt die Unternehmenskultur Schritt für Schritt weiter.

Hasan Tekin,Geschäftsführer Deutschschweiz

Hasan Tekin
Geschäftsführer Deutschschweiz

Herr Tekin, wie mutig ist die Schweiz im internationalen Vergleich, wenn es um Digitalisierung und künstliche Intelligenz geht?

Die Schweiz ist eher pragmatisch als wagemutig. Wir experimentieren nicht unbedacht, sondern setzen auf Lösungen, die wirklich funktionieren. Wenn wir uns für eine Technologie entscheiden, dann führen wir sie nachhaltig und robust ein. Das sieht man besonders in der Finanzindustrie: Chatbots wurden zunächst sehr vorsichtig getestet, heute sind sie breit im Einsatz. In Bereichen wie Compliance-Checks oder Betrugserkennung war es ähnlich, aber heute sind wir im internationalen Vergleich sogar fast einen Schritt voraus. Das ist typisch Schweiz: lieber zuerst zögern und abwarten, dann dafür aber richtig und breit akzeptiert.

Gibt es Branchen, die im Bereich der generativen KI besonders schnell vorangehen und solche, die eher zögerlich sind?

Die Finanzindustrie ist eine der schnellsten Branchen, wenn es um Adaption geht. Auch weil sie grossem Druck unterliegt, effizient und regelkonform zu arbeiten. Auch Life-Sciences und Pharma sind sehr weit, weil sie international stark vernetzt sind. Ganz anders der öffentliche Sektor: Dort sind Entscheidungswege lang, Budgets knapp und Sicherheitsbedenken hoch. Auch die Industrie ist eher zurückhaltend. Dort dauert es, bis eine neue Technologie in grossem Stil ausgerollt wird.

Wo sehen Sie die grössten Quick Wins und wo die echten Gamechanger?

Die Quick Wins liegen klar in der Automatisierung repetitiver Aufgaben. RPA – also robotergestützte Prozessautomatisierung – war regelbasiert eine Art «dummer Computer». Die KI kann lernen, mit Ausnahmen umgehen und Prozesse intelligenter gestalten – der «schlaue Computer». Heute können Maschinen dank künstlicher Intelligenz Graubereiche erkennen, Ausnahmen verarbeiten und Prozesse deutlich besser gestalten.

Die echten Gamechanger entstehen dort, wo völlig neue Geschäftsmodelle möglich werden: Robo-Advisory in der Finanzindustrie, Predictive Maintenance in der Industrie oder KI-gestützte Diagnostik im Gesundheitswesen. Das sind Lösungen, die es ohne KI gar nicht gäbe. Es entstehen Plattformen, die in Echtzeit massgeschneiderte Lösungen bieten. Das ist echte Innovation und sie verändert ganze Branchen, nicht nur Prozesse.

Was macht den Erfolg solcher Projekte aus?

Erfolg ist mehrdimensional. Es geht um Produktivität, Time-to-Market, Innovationsgeschwindigkeit. Aber auch um Akzeptanz. Ein KI-Projekt ist nur dann erfolgreich, wenn es genutzt wird. Deshalb ist es entscheidend, dass Mitarbeitende verstehen, warum KI eingeführt wird, und Vertrauen entwickeln.

Datenschutz ist in der Schweiz ein grosses Thema. Wie wichtig ist der verantwortungsvolle Einsatz von KI?

Extrem wichtig. Transparenz und Nachvollziehbarkeit sind Pflicht. In vielen Ausschreibungen sind Nachhaltigkeits- und Compliance-Ziele heute Standard. Responsible AI ist damit kein Marketingbegriff, sondern eine Erwartungshaltung, und sie ist kulturell entscheidend für die Akzeptanz von KI.

Ein anderes Zukunftsthema ist die IT-Souveränität. Nice-to-have oder Überlebensfaktor?

Ganz klar Überlebensfaktor. Wer seine digitale Souveränität verliert, verliert die strategische Handlungsfähigkeit. Geopolitische Risiken wie der Ukrainekrieg haben gezeigt, wie abhängig wir von globalen Lieferketten und Energiezufuhren sind, dasselbe gilt für IT. Kunden fragen uns heute gezielt, wie sie ihre Infrastruktur resilienter machen können, welche Nearshore-Optionen es nebst Osteuropa gibt, wie sie ihre Lieferketten absichern.

Beobachten Sie eine Rückkehr zu lokalen Lösungen?

Nein. Wir sehen eher, dass Multi-Cloud-Strategien punkten. Eine vollständige Rückkehr zu lokalen Lösungen ist nicht realistisch. Lokale Anbieter gewinnen zwar an Bedeutung, aber entscheidend ist, Abhängigkeiten zu reduzieren und flexibel zu bleiben.

KI wird auch zur Waffe. Wie bereiten Sie Kunden darauf vor?

Automatisierte Phishing-Kampagnen und Deep Fakes sind nur der Anfang. Wir werden gezielte, KI-gestützte Angriffe sehen, die kritische Daten manipulieren oder ganze Lieferketten stören. Das passiert bereits. Und darauf muss man vorbereitet sein. Wir setzen auf regelmässige Awareness-Trainings, Krisenübungen und eine technologische Abwehr auf höchstem Niveau. Resilienz ist kein einmaliges Projekt, sondern eine Daueraufgabe.

Lassen Sie uns über Kultur sprechen: Vor über einem Jahr hat Q_Perior mit Wavestone fusioniert. Wie haben Sie eine gemeinsame Identität geschaffen?

Mit Q_Perior waren wir vor allem im DACH-Raum stark, Wavestone im frankofonen Europa – beide auch mit Standorten in den USA. Als gemeinsame Sprache ist Englisch gesetzt, gleichzeitig bleiben die lokalen Sprachen im Tagesgeschäft bestehen. Um die Sprach- und Kulturgrenzen zu überwinden, haben wir bewusst Begegnungsformate geschaffen, in denen Teams aus unterschiedlichen Regionen zusammenkommen. Unser Ziel: die Organisation zusammenzuführen, ohne sie komplett umzubauen.

In der Schweiz haben wir uns entschieden, die Teams in der Deutschschweiz und in der Romandie nicht vollständig zu verschmelzen. Stattdessen setzen wir auf eine Strategie, die die Stärken beider Regionen erhält und die Zusammenarbeit fördert. Dazu organisieren wir gemeinsame Events und Marketinginitiativen, bei denen auch Kunden und Mitarbeitende aus beiden Regionen eingebunden sind. So entstehen Synergien, ohne die Unterschiede zwischen Märkten, Sprachen und Kunden zu vernachlässigen.

Resilienz ist kein einmaliges Projekt, sondern eine Daueraufgabe. – Hasan Tekin, Geschäftsführer Deutschschweiz

Wieso? Wäre es nicht einfacher, alles zu vereinheitlichen?

Nein. Es sind unterschiedliche Sprachen, unterschiedliche Märkte, unterschiedliche Kunden. Wir wären nicht die ersten, die versuchen würden, alles unter einen Hut zu packen und daran scheitern würden. Die Kulturen sind anders. Aber das dürfen sie auch sein. Es sind die Werte, die uns verbinden. Die Art und Weise, wie wir arbeiten. Das macht die Fusion erfolgreich.

Welche Synergien haben Sie realisiert?

Wir ergänzen uns perfekt: Wavestone brachte starke konzeptionelle Kompetenz ein, Q_Perior die Erfahrung bis tief in die Umsetzung. Heute können wir Strategien entwickeln und sie gemeinsam mit dem Kunden implementieren. Geografisch sind wir stärker aufgestellt, haben Zugang zu neuen Märkten und können uns nun auch für grosse globale Kunden positionieren, für die wir vorher nicht interessant waren.

Fusionen sind selten einfach. Was war die grösste Herausforderung?

Vertrauen aufzubauen. Am Anfang herrscht immer Skepsis. Wir haben viel zugehört, transparent kommuniziert und Schritt für Schritt Vertrauen aufgebaut. Und ja, wir mussten akzeptieren, dass sich Dinge ändern. So etwa die Informationskultur, weil wir nun börsenkotiert sind. Heute haben wir eine stärkere, integrierte Organisation mit einem grösseren Portfolio und neuen Chancen für unsere Mitarbeitenden. Mein persönliches Learning: wichtig für Management ist «zuelose … zuelose … zuelose» und Geduld haben. Kultur kann nicht top-down vorgegeben werden, Kultur muss wachsen.

«Responsible Consulting» klingt nach einem grossen Versprechen. Was bedeutet das für Sie?

Für mich bedeutet es, dass wir Projekte so gestalten, dass neben dem wirtschaftlichen Erfolg auch gesellschaftlicher und ökologischer Nutzen entsteht. Wir messen unseren CO2-Fussabdruck pro Mitarbeitenden, haben klare Budgets und monitoren sie aktiv. Nachhaltigkeit ist ein wichtiger Teil unseres Geschäftsberichts, nicht nur Marketing.

Spüren Sie, dass Kunden stärker Nachhaltigkeit einfordern?

Ja, sehr deutlich. Viele Projekte enthalten heute ESG-Kriterien – das macht uns nicht nur attraktiver als Arbeitgeber, sondern stärkt auch langfristig den wirtschaftlichen Erfolg. Gleichzeitig hinterfragen wir unsere eigenen Prozesse kritisch: von der Haltedauer unserer Firmen-Smartphones und Notebooks bis hin zu unserem Einsatz für mehr Diversität und Chancengleichheit. Natürlich gibt es konjunkturelle Schwankungen: In Phasen politischer oder wirtschaftlicher Unsicherheit rückt Nachhaltigkeit manchmal in den Hintergrund. Der langfristige Trend ist jedoch eindeutig: Verantwortung wird zum Wettbewerbsvorteil – unabhängig davon, wer gerade in Washington regiert.

Was macht Wavestone zu einem ausgezeichneten Arbeitgeber?

Wenn ich unsere Resultate der letzten zehn Jahre vom Great Place to Work anschaue – dann machen wir nicht alles falsch (schmunzelt). Wir sind ein People-Business. Fachliches Know-how lässt sich vermitteln, entscheidend ist der persönliche Fit. Unsere Werte – energetic, responsible, together – sind unverhandelbar. Wir leben sie und das spüren sowohl bestehende als auch neue Mitarbeitende.

Wie sprechen Sie die Generation Z an?

Wir stellen den Menschen in den Mittelpunkt, leben unsere Werte und treten dabei ehrlich auf. Sind wir schon die perfekte Company für alle Jungen? Nein. Aber wir unterscheiden uns durch unser Werteschema und unser Leadership lebt es vor.

Flexibilität ist wichtig: In jedem Vorstellungsgespräch wird nach flexiblen Arbeitszeiten und Arbeitsorten gefragt. Gleichzeitig ist ein gewisses Mass an Präsenz im Unternehmen entscheidend. Purpose erlebt man nur gemeinsam – physische Begegnungen schaffen Identifikation und Kultur. Wir wollen, dass sich Menschen mit unserer Marke verbunden fühlen.

Gibt es CSR-Projekte, die Ihnen besonders am Herzen liegen?

Ja, unsere Powerdays. Mitarbeitende pflanzen Bäume, engagieren sich gegen Food-Waste oder unterstützen Kinder in afrikanischen Schulen. Sie bringen eigene Ideen ein, setzen Projekte um und das Unternehmen beteiligt sich finanziell. Das schafft Sinn, Gemeinschaft und Stolz.

Wenn Sie unbegrenzte Ressourcen hätten, welches Projekt würden Sie sofort starten?

Ich würde eine offene, globale Plattform für nachhaltige Technologieberatung aufbauen. Jedes Unternehmen sollte Zugang zu diesem Wissen haben: open source, kollaborativ und inklusiv.

Wie sieht für Sie die Unternehmens­beratung 2035 aus?

In zehn Jahren wird Beratung Technologie, Nachhaltigkeit und Menschlichkeit nahtlos verbinden – der Mensch bleibt dabei stets im Mittelpunkt. Das ist unser Zielbild und macht uns zum idealen Partner für jede Transformation.


Weitere Informationen unter wavestone.com und office_ch@wavestone.com

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