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Deutschland Sicherheit

Der schwarze Schwan im Firmenteich

21.10.2022
von Rüdiger Schmidt-Sodingen

Seit der Coronapandemie häufen sich die Krisenmeldungen. Wie können Unternehmen auf plötzliche Krisen oder gezielte Angriffe auf Infrastrukturen reagieren? Der Begriff »Risikomanagement« taucht immer öfter auf, um bewusster und vor allem erfolgreicher mit Krisen umzugehen. 

Risiken, was für Risiken? So dachten bis vor zwei oder drei Jahren noch viele Unternehmen, die angesichts immer komplexer werdender Lieferketten, Produktionsanforderungen und Kundenerwartungen schon genug zu tun hatten. Erst Corona, dann der Krieg in der Ukraine und nun auch noch die Inflation. Dieses Dreieck des Schreckens lähmt nicht nur die Verbraucherinnen und Verbraucher. Es lähmt auch dort, wo eigentlich Tag für Tag erfolgreich und sorgenfrei produziert werden soll. 

Was aber heißt schon »sorgenfrei«? Das umsichtige Unternehmertum, das verantwortungsvoll und weitsichtig Geschäfte und Mitarbeitende lenkt, war eigentlich immer mit Sorgen beschäftigt. Die der Mitarbeitenden, Kundschaft oder neuerdings auch Kritiker:innen von außen. Sabotageakte aber, die gezielt Infrastrukturen angreifen, um Wirtschaftskreisläufe zu schwächen und damit auch Gesellschaften und politische Führungen oder gar Politikmodelle, erfordern nun noch mal ein Umdenken und Umplanen. 

Echte und falsche schwarze Schwäne

Was passiert, wenn der »schwarze Schwan«, den der Statistiker Nassim Nicholas Taleb vor 20 Jahren erstmals als Sinnbild für ein massives, unvorhersagbares Ereignis zeichnete, plötzlich im Firmenteich schwimmt? Wie schnell lässt er sich vertreiben, welche Pläne können gegen ihn aktiviert werden?

Eine »Koalition der Willigen« muss Ökosysteme und Menschenleben schützen und dabei neue Ideen und Wege beschreiten.

Expert:innen raten einerseits dazu, die massenhaften Panik- und Warnmeldungen, die derzeit die Nachrichten bestimmen, nicht in den Betrieb schwappen zu lassen. Es gehe nicht darum, nun schnell das ganze Konzept oder Geschäftsmodell über den Haufen zu werfen. Vielmehr müsse man mithilfe vorhandener Daten Betriebs- und Produktionsabläufe mit den Ereignissen draußen vor der Tür und deren Entwicklungen kurzschließen. 

»Risiken managen« statt »Rollläden runter«

Was aber kann und sollte nun ein eingesetztes Risikomanagement tun? Es muss sich mit dem Unmöglichen auseinandersetzen und dabei echte von falschen »schwarzen Schwänen« unterscheiden. Falsche schwarze Schwäne sind Ereignisse, die man bei einer genaueren Analyse doch hätte voraussehen können. Echte schwarze Schwäne sind im Grunde nicht vorhersehbare Katastrophen, die auch bei tiefergehenden Analysen von geopolitischen oder gesellschaftlichen Ereignissen niemand auf dem Schirm hatte. Die kleine Risiko-Tierkunde kennt daneben noch das »graue Nashorn«, das dann vor der Tür steht, wenn ein Risiko wegignoriert wurde. Einige Familien- und Traditionsbetriebe haben das Tier noch kurz vor der Geschäftsaufgabe gesehen.

Darüber hinaus brachte die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, BIZ, 2020 das erste Mal den »grünen Schwan« ins Spiel, der als Folge von Naturkatastrophen oder Pandemien unser aller Leben grundlegend verändert – und den wir alle hätten sehen können, wenn wir es denn gewollt hätten. Corona-Vorboten und auch Anzeichen für die Klimaunverträglichkeit vieler menschlicher Wirtschaftstätigkeiten gab es schließlich genug.    

»Verschwenden Sie niemals eine Krise!«

BIZ-Vize Luiz Awazu Pereira da Silva forderte angesichts der grünen Schwäne auf, über Puffer nachzudenken, die unser bisheriges Verständnis von Effizienz und Produktion überprüfen. »Verschwenden Sie niemals eine Krise«, rief er aus, um anschließend drei Dinge zu fordern oder Unternehmen mit auf den Weg zu geben: eine »vernünftige Messung globaler Risiken«, eine »angemessene Preisgestaltung« und »die Widerstandsfähigkeit unserer Systeme, Institutionen und Vorgehensweisen bei der Vermeidung grüner Schwäne«.  

Anschließend mahnte Luiz Awazu Pereira da Silva eine unbedingte globale Zusammenarbeit von öffentlichen und privaten Akteuren an. Angesichts der jetzigen Kriegsauswirkungen mit Energieverteuerung und Kaufzurückhaltung kann man die Äußerungen des BIZ-Vizes auch dahingehend interpretieren, dass sie allgemein zu mehr Kooperation in Krisenfällen aufrufen. Eine »Koalition der Willigen« muss Ökosysteme und Menschenleben schützen und dabei neue Ideen und Wege beschreiten. Erste Ansätze sind kollektive Risikoversicherungen und Hilfsfonds, angepasste Produkte und Zielgruppen, gemeinschaftlich betriebene und bezahlte Vertretungen, die kurz- oder mittelfristig Teile der Produktion, Dienstleistungen oder Lieferungen übernehmen oder umleiten. Vergangene Krisen haben gezeigt: Der schwarze Schwan lässt sich mit B- und C-Plänen verscheuchen. Denn er liebt übersichtliches Gelände ohne Überraschungen, ohne Zusammenhalt oder Notfallteams. Sollte sich in Zukunft also wieder etwas zusammenbrauen und ein schwarzes Tier landen, werden einige Firmen entspannt winken und rufen können: »Mein lieber Schwan!«

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