
Franziska Barmettler
CEO digitalswitzerland
Trotz adressierter Gründe für ein Nein im 2021, überparteilicher Unterstützung, grossem Rückhalt aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft sowie zuversichtlicher Hochrechnungen hatte die Vorlage zur e-ID an der Urne einen schweren Stand. Das äusserst knappe Ja zur e-ID ist Chance und Auftrag zugleich.
Der Abstimmungssonntag zur staatlichen e-ID zeigt, wie wir in der Schweiz mit der digitalen Transformation umgehen. Wir gehen vorwärts, aber mit angezogener Handbremse. Vor vier Jahren wurde die e-ID wuchtig verworfen, diesmal haben wir dem Schweizer Stimmvolk nur knapp ein Ja abgerungen. Das ist ein Fortschritt. Zugleich ist der hauchdünne Entscheid zugunsten der e-ID ein Warnsignal.
Offensichtlich ist: Die Schweizer Bevölkerung hat kein blindes Vertrauen, nicht in den Staat, nicht in die Wirtschaft und nicht in den technologischen Fortschritt. Und das ist auch gut so. Die Digitalisierungsskepsis weiter Teile der Bevölkerung liegt mit dem Abstimmungsergebnis auf der Hand. Die digitale Wirtschaft ist gefordert, die bestehenden Vertrauens- und Verständnislücken zu schliessen. Dazu braucht es breitere Allianzen und einen vertieften gesellschaftlichen Dialog über die Chancen der Digitalisierung.
Die e-ID zeigt, wie die Schweiz die digitale Zukunft selbst in die Hand nehmen kann.
Mit Blick nach vorne müssen einerseits die Anliegen der Bevölkerung bei der nun anstehenden Umsetzung der e-ID berücksichtigt werden. Gleichzeitig gilt es den konkreten Nutzen der e-ID im Alltag frühzeitig und für breite Teile der Bevölkerung sichtbar zu machen. Im Fall der e-ID sind wir überzeugt: Sobald sie verfügbar ist, wird sie schnell genutzt werden, denn die zuverlässige Identifikation von Menschen im Internet wird in Zeiten von Fake News immer wichtiger. Und wer die ID oder den Fahrausweis zu Hause vergessen hat, wird sicherlich froh sein, die e-ID auf dem Handy zu haben.
Die e-ID wird davon leben, dass wir sie überall nutzen können. Deshalb wird digitalswitzerland nun gemeinsam mit dem Bund und relevanten Akteuren konkrete Anwendungsfälle priorisieren. In runden Tischen mit Mitgliedern, Verbänden, Behörden und Expertinnen und Experten schärfen wir Anforderungen, klären Zuständigkeiten und definieren das gemeinsame Vorgehen. Darauf aufbauend werden Pilotprojekte priorisiert, vorbereitet und in realen Umgebungen getestet.
Schliesslich zeigt die e-ID, wie die Schweiz die digitale Zukunft selbst in die Hand nehmen kann. Die e-ID ist eine Lösung «Made in Switzerland». Sie ist sicher, modern und souverän. Dieses aktive Handeln sollten wir uns auch in anderen Digitalisierungsfeldern zutrauen.
Die nächste grosse technologische Revolution ist bereits gestartet und geht rasant voran: die künstliche Intelligenz. Die Schweiz ist bereits gut aufgestellt, aber auch hier gilt es die Handbremse zu lösen und die Chancen ins Zentrum zu stellen. Mitte Oktober wird digitalswitzerland in Bern die Erarbeitung eines «AI Action Plans» für die Schweiz lancieren. Dieser Plan sieht vor, dass die Chancen und Herausforderungen von KI gemeinsam diskutiert, offene Fragen adressiert und Massnahmen im Austausch zwischen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft erarbeitet werden. Er soll auch dazu beitragen, dass die gesamte Schweizer Bevölkerung an dieser technologischen Entwicklung teilhaben kann.
Parallel dazu bereitet der Bund die internationale Bühne für die Schweiz vor und bringt die wichtigste internationale KI-Konferenz, den Global AI Summit, 2027 nach Genf. Nach der e-ID ein weiteres Momentum, das es zu nutzen gilt.
Auch hier wird es breite Allianzen und viel Dialog brauchen. Dies klingt nach intensiver Arbeit. Aber wenn wir diesen Weg nicht konsequent einschlagen, werden wir die Digitalisierung in der Schweiz nie ins Rollen bringen und stets mit angezogener Handbremse unterwegs sein. Was uns angesichts der rasanten technologischen Entwicklung schon bald vor die nächsten grossen Herausforderungen stellen wird.
Text Franziska Barmettler, CEO digitalswitzerland
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