windenergieanlagen in einer reihe entlang eines bergkamms
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Editorial Energie

Energie für die Schweiz

27.06.2025
von SMA
Dr. Björn Avak, Geschäftsführer Electrosuisse

Dr. Björn Avak
Geschäftsführer Electrosuisse

Energie bildet das Fundament einer modernen und prosperierenden Gesellschaft. Die Anfänge des heutigen Schweizer Energiesystems gehen auf das Ende des 19. Jahrhunderts zurück. Damals erstellten private und öffentliche Investoren Elektrizitätserzeugungs- und Netzinfrastruktur für Städte, Industrie und Eisenbahn. Es resultierte eine Erhöhung der Lebensqualität durch elektrische Beleuchtung und eine Verbesserung des Warenangebots. Bis in die 1960er-Jahre wurde der steigende Energiebedarf primär durch den Ausbau der Wasserkraft gedeckt. Der zusätzliche Energiebedarf in der folgenden Phase wurde durch die Schweizer Kernkraftwerke und den Import von Erdöl abgedeckt.

Seit den 1980er-Jahren nimmt das Bewusstsein für Nachhaltigkeit zu, insbesondere im Hinblick auf den Klimawandel. Gemäss Pariser Klimaabkommen, welches national mit dem Klima- und Innovationsgesetz umgesetzt wird, soll der Treibhausgasausstoss der Schweiz bis 2050 auf null reduziert werden. Die Schweizer Gesellschaft hat sich verpflichtet, eine anspruchsvolle Herausforderung anzugehen.

Die Energiewende erklärt

Im Stromnetz müssen zu jedem Zeitpunkt Nachfrage und Angebot übereinstimmen. Bisher bedeutete dies, durch Bau und Betrieb zentraler Kraftwerkskapazität ausreichende Energiemengen zu produzieren und zu verteilen. Im Zuge der Energiewende ist die primäre Herausforderung nicht mehr die Menge, sondern der zeitliche und räumliche Abgleich von Produktion und Verbrauch. Dies stellt einen grundlegenden Paradigmenwechsel dar.

Zukunft wird durch menschliches Handeln gestaltet. Technik ist ein Angebot an Werkzeugen. – Dr. Björn Avak

Je grösser der Anteil nicht steuerbarer Energiequellen wie Photovoltaik und Wind im Netz wird, desto herausfordernder wird dieser Abgleich. In der zeitlichen Dimension ist der Abgleich im Winter am herausforderndsten. Dann führen Wärmepumpen zu einem hohen Energiebedarf, während gleichzeitig die Photovoltaikproduktion gering ist. Dies führt zur viel zitierten Winterstromlücke. Die Antwort auf diese Dimension des Paradigmenwechsels liegt in den Energiespeichern.

Der räumliche Abgleich ist hingegen im Sommer am anspruchsvollsten. Das Schweizer Elektrizitätsnetz wurde gemeinsam mit den Kraftwerken errichtet, um zentral produzierte Energie in die Fläche zu verteilen. Regenerative Stromproduktion erfolgt dezentral und nutzt wechselnde Pfade im Netz. Die notwendigen Netzausbauten sind kostenintensiv und aufgrund hoher Regulierungsdichte auch langwierig. Die Sicherheitsreserven im Schweizer Stromnetz sind in den letzten Jahren gesunken. Grossflächige Stromausfälle wie am 28. April dieses Jahres auf der iberischen Halbinsel resultieren typischerweise aus einer Verkettung von Ereignissen, die nicht durch ausreichende Reserven kompensiert werden können. Die räumliche Dimension des neuen Paradigmas findet ihre Lösung im Ausbau des Elektrizitätsnetzes.

Um die Schweiz erfolgreich durch die Energiewende zu führen, sind der umfassende Aufbau von Energiespeichern und der Ausbau des Elektrizitätsnetzes für erneuerbare Energien somit von entscheidender Bedeutung. Leider gibt es für derart vielschichtige und zukunftsgerichtete Aufgaben selten eine einfache Standardlösung. Niemand kann heute vorhersagen, wie das Schweizer Energiesystem im Jahr 2050 genau aussehen wird. Vor diesem Hintergrund arbeitet auch das Bundesamt für Energie zur Gestaltung der Energiewende mit fünf Alternativszenarien. Was wir zum heutigen Zeitpunkt jedoch bereits kennen, sind mögliche Bausteine, die uns zur Umsetzung der Energiewende zur Verfügung stehen. Diese gilt es klug zu kombinieren und dabei zu lernen. Hierauf möchte ich im Folgenden eingehen.

Technische Lösungen

Wie dargelegt stellt der zeitliche und räumliche Abgleich von Produktion und Verbrauch die zentrale Herausforderung der Energiewende dar. Heute kommen hierfür insbesondere Wasserkraftwerke zur Anwendung. Darüber hinaus existieren weitere technologisch erprobte Ansätze, die in den kommenden Jahren einen wesentlichen Beitrag leisten können.

Batteriespeicher, deren Preise sich in den letzten Jahren mehr als halbiert haben, sind eine Lösung für kurzfristige Energiespeicherung. Zur langfristigen Speicherung kann Überschussenergie mittels «Power-to-Gas» in synthetische Brenngase wie Wasserstoff oder Methan umgewandelt werden. Bei Bedarf kann diese Energie wieder verstromt oder direkt als Treibstoff genutzt werden. Der Gesamtprozess ist CO2-neutral. Zudem können auch nicht elektrische Lösungen zur Energiespeicherung beitragen. So kann Wärmeenergie mit Erdsonden oder in Tanks gespeichert werden. Gemäss ersten Schätzungen könnten bis zu 40 Prozent der Winterstromlücke der Schweiz auf diese Weise geschlossen werden. Im Kontext der Energiewende dürfen verschiedene Energieformen nicht getrennt voneinander betrachtet werden. Es gilt, Energie als interdisziplinäres Gesamtsystem zu konzipieren.

Neben Infrastruktur spielt Digitalisierung eine entscheidende Rolle. Durch Digitalisierung können Verbraucher:innen mit Produzenten als Smart Grid zusammenarbeiten und das Netz stabilisieren. Auf diese Weise wird Energie primär dann verbraucht, wenn diese reichlich zur Verfügung steht. Zusätzlich kann Kommunikation zwischen Gebäude und Energieversorger ermöglichen, die Batterie von Elektrofahrzeugen via bidirektionales Laden zur Netzstabilisierung einzusetzen. Mit intelligenten Algorithmen zur Analyse von Energiedaten lassen sich Einsparmöglichkeiten erkennen und der Energieverbrauch reduzieren.

Der Mensch als Gestalter der Zukunft

Zukunft wird durch menschliches Handeln gestaltet. Technik ist lediglich ein Angebot an Werkzeugen, welches bereitsteht, um die Energiewende zu gestalten. Wissen, Orientierung und Vernetzung befähigen uns, diese gestalterische Rolle mit Erfolg und Freude zu meistern. Wissen ist die Basis für die erfolgreiche Lösung einer Herausforderung. Damit es auf die Gegebenheiten eines konkreten Vorhabens anwendbar ist, muss es praxisorientiert sein. Orientierung über den Stand der Technik in Forschung und Praxis ist unerlässlich. Nur wer orientiert ist, kann die anspruchsvollen Aufgaben der Energiewende zielgerichtet und gelassen angehen. Nicht zuletzt ist die Vernetzung der Menschen untereinander entscheidend. Die Herausforderungen der Energiewende erfordern die Zusammenarbeit verschiedener Disziplinen und Akteure. Die nachhaltigsten Lösungen entstehen häufig dann, wenn die Akteure kooperativ und über Organisationsgrenzen hinweg das Gesamtsystem verbessern

Text Dr. Björn Avak, Geschäftsführer Electrosuisse

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