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Deutschland Editorial Energie

Warum Nachhaltigkeit im Bauen trotz mancher Widerstände die richtige Leitlinie ist

23.09.2025
von SMA
Dr. Christine Lemaitre,Geschäftsführender Vorstand, Deutsche Gesellschaft für ­Nachhaltiges Bauen – DGNB e.V.

Dr. Christine Lemaitre
Geschäftsführender Vorstand, Deutsche Gesellschaft für ­Nachhaltiges Bauen – DGNB e.V.

Acht Jahre ist es her, dass die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen, kurz DGNB, zu ihrem zehnjährigen Jubiläum das Motto »Nachhaltig ist das neue Normal« ausgerufen hat. Damit verbunden war ein dreistufiges Gedankenspiel, das alle für sich einmal ausprobieren können.

Erstens: Würden Sie sagen, dass Nachhaltigkeit das neue Normal sein sollte? Die Antwort fiel damals wie heute meist eindeutig aus: Natürlich soll es das sein!

Spannender wird es bei der zweiten Frage: Sind Sie der Meinung, dass dies heute schon der Fall ist? Wenn im Jahr 2017 mehr als eine Handvoll Personen von 100 Menschen hier zustimmend den Arm gestreckt hat, war dies schon viel. Und heute? Heute gibt es eine ganz andere Art von Selbstverständlichkeit im Umgang mit den breit gefächerten Themen, die sich hinter der Idee des nachhaltigen Bauens verbergen.

Förderrichtlinien und regulatorische Vorgaben fokussieren nicht mehr nur die Energieeffizienz von Gebäuden, sondern betrachten auch den CO2-Fußabdruck, den diese über ihren gesamten Lebenszyklus verursachen. Das Prinzip des zirkulären Bauens, bei dem Ressourcen im Materialkreislauf gehalten und wieder- oder weiterverwendet werden, wird breit diskutiert und immer mehr angewandt. Die Gesundheit der Gebäudenutzenden findet zunehmend Beachtung, indem bei der Auswahl von Bauprodukten der Anteil an Schad- und Risikostoffen gezielter berücksichtigt wird. Und auch Biodiversitäts- oder Klimaanpassungsstrategien sind für viele Planende keine Fremdwörter mehr.

Vorzuleben, wie es besser geht, und anderen ein Vorbild zu sein, ist, was zählt.

Diese Entwicklungen sind positiv, weil sie dazu beitragen, dass Gebäude nicht nur als begehbare Investitionsobjekte betrachtet werden, sondern als Räume für Menschen. Weil sie der Verantwortung, die dem Bau- und Immobiliensektor zukommen muss, gerecht werden. Schließlich ist der Gebäudebereich einer der wesentlichen Ressourcenverbraucher, Abfallproduzenten und Verursacher von klimaschädlichen CO2-Emissionen. Die hier vorhandenen Potenziale bei jedem einzelnen Bauprojekt auszuschöpfen, ist kein Nice-to-have, sondern Pflichtprogramm.

Dass hier in den letzten Jahren viel in Bewegung gekommen ist, lässt sich bei der DGNB an verschiedenen Kennwerten ablesen. Über 2800 Mitgliedsorganisationen engagieren sich inzwischen im Non-Profit-Verein – mehr als doppelt so viele wie noch vor einigen Jahren. Die Anzahl der Gebäude- und Quartiersprojekte, die eine DGNB Zertifizierung durchlaufen, steigt weiter rasant. Bei den über die DGNB Akademie qualifizierten Expertinnen und Experten für nachhaltiges Planen, Bauen und Betreiben gab es in den letzten Jahren Rekordwerte. Und auch die Menge an Hochschulen, mit denen die DGNB bei der Grundlagenausbildung kooperiert, wächst stetig.

Es gibt allerdings auch ein »Aber«. Denn allen positiven Entwicklungen zum Trotz halten sich in Teilen der Bau- und Immobilienwirtschaft hartnäckige Widerstandskräfte und Vorbehalte, die durch die aktuelle politische Lage noch befeuert werden. Nachhaltiges Bauen und die dazugehörige Zertifizierung seien zu kompliziert, zu aufwendig und zu teuer. Ein Narrativ, dem in den meisten Fällen die Grundlage fehlt, das aber dennoch viel zu selten hinterfragt wird. Polemik schlägt leider viel zu oft Fakten.

Denn Baukosten zu sparen, heißt in erster Linie, zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Entscheidungen zu treffen. Dies geht mit einem Planungstool, das Zielkonflikte aktiv aufgreift und künftige Risiken präventiv adressiert, besser als ohne. Viel zu oft wird Nutzerkomfort mit Technikeinsatz gleichgesetzt, anstatt Angemessenheit zum Maß zu machen. Zudem entstehen relevante Mehrkosten primär durch kostspielige Umplanungen im Bauprozess und nicht durch die frühzeitige Auswahl von geeigneten Bauprodukten mit entsprechender Nachhaltigkeitsqualität.

Und so kommt bei dem Gedankenspiel rund um den Leitsatz »Nachhaltig ist das neue Normal« eine dritte Frage in den Fokus. Denn diese adressiert die Haltung von jeder und jedem Einzelnen von uns: Was machen Sie in Ihrem beruflichen oder persönlichen Umfeld dafür, dass wir diesem Ziel näherkommen, und haben Sie dafür das erforderliche Wissen?

Genau hierum geht es nämlich – um die direkten Einflussmöglichkeiten von uns allen. Es ist einfach, über die politische Lage oder die bürokratischen Hürden zu schimpfen. Vorzuleben, wie es besser geht, und anderen ein Vorbild zu sein, ist, was zählt. Und dies kann außerordentlich motivierend sein. Weil es Beiträge sind, unsere gebaute Umwelt ein Stück weit besser zu machen. Nicht nur für uns selbst, sondern für alle. Also machen Sie mit und engagieren Sie sich für mehr Nachhaltigkeit im Bauen!

Text Dr. Christine Lemaitre, Geschäftsführender Vorstand, Deutsche Gesellschaft für ­Nachhaltiges Bauen – DGNB e.V.

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