Teenager sendet E-Mails vom Smartphone in ihrem Bett und tippt Textnachrichten auf dem Smartphone. Junger Handy-süchtiger Teenager wacht nachts im Bett mit dem Smartphone zum Chatten auf. Symbolbild Bildschirme in der Erziehung
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Erziehung Familie Kinder

Eine gesunde Balance zwischen Spiel- und Bildschirmzeit

30.09.2023
von SMA

Bildschirme ziehen Kinder magisch an. Die Gesellschaft ist sich noch nicht ganz einig, wie problematisch sie wirklich für die Kleinen sind. Einerseits hat zu viel Zeit vor dem Bildschirm negative Auswirkungen auf die Gesundheit. Andererseits können wir Kinder nicht komplett von modernen Technologien abschirmen. Es ist eine Frage der Balance.

Die Geschwindigkeit, mit der sich Medien und Technologien entwickeln, sorgt durch all die neuen Möglichkeiten für Enthusiasmus. Gleichzeitig weckt sie auch Ängste vor dem Unbekannten. Die Frage ist, ob diese Bedenken berechtigt sind. «Sorgen darüber, was Medien bei Kindern bewirken, sind zeitlos», erklärt der Pädagoge Philippe Noens der KU Leuven. «Derzeit ist man besorgt, dass Smartphones die neue Generation verderben. Früher hat man sich dieselben Sorgen über das Fernsehen gemacht. Fernseher wurden sogar das ‹Auge des Teufels› genannt. Mit dem geschichtlichen Kontext im Hinterkopf können wir die Beunruhigung etwas relativieren und die positiven Seiten betrachten.»

Realistisch bleiben

Kinder bekommen immer früher ihr erstes Smartphone, jeden Tag schauen sie Fernsehen und selbst im Unterricht arbeiten sie täglich an Bildschirmen. Viele Eltern fragen sich, ob diese Fülle an Bildschirmzeit gut für die Kinder ist. «Bildschirme sind nun mal Teil des Lebens», erzählt Noens. «Sie sind überall und können enorm praktisch sein. Aber es ist die Aufgabe der Eltern, eine gute Balance für ihre Kinder zu finden und auf mögliche Gefahren zu achten. Für Eltern, die selbst ohne Bildschirme aufgewachsen sind, stellt es eine Herausforderung dar. Denn sie können sich nicht auf ihre eigenen Erfahrungen und Erziehung verlassen. Die Technologie verändert sich so schnell, dass selbst junge Eltern nicht mit den Medienmöglichkeiten aufgewachsen sind, mit denen ihre Kinder nun konfrontiert werden.» Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schlug einige Richtlinien zu Bildschirmzeiten vor, um Eltern zu unterstützen. Bei Kindern unter zwei Jahren empfiehlt die WHO keine Bildschirme. Kinder bis fünf Jahre verbringen bestenfalls ein Maximum von einer Stunde vor einem Bildschirm und bis im Alter von zwölf Jahren maximal zwei Stunden.

Zwei Jungs spielen Online-Spiele

Bild: iStockPhoto/Milan_Jovic

Obwohl die WHO zu einer Nulltoleranz für Bildschirme bei Kleinkindern bis zwei Jahre rät, ergaben Untersuchungen, dass die Kleinsten rund 2,5 Stunden pro Tag in einen Bildschirm schauen. Die Nulltoleranzgrenze scheint streng. Insbesondere da es für frischgebackene Eltern neben Spielzeit an der frischen Luft als Ablenkung praktisch ist und für Ruhe sorgt. Bildschirme sind nicht mehr aus unserer Gesellschaft wegzudenken – und genauso wenig aus der Erziehung. Aber Eltern sollten sich gut über die Gefahren informieren und sich Tipps für eine gesunde, ausgewogene Bildschirmzeit abholen.

Auch die Pro Juventute bietet Unterstützung und Ratschläge im Umgang mit Bildschirmmedien. Einerseits verweist die Pro Juventute ebenfalls auf zeitliche Faustregeln. Andererseits empfehlen sie alternativ die 3-6-9-12-Regeln. Bei diesen geht es nicht vorrangig um Zeit, sondern um einen adäquaten Lernprozess und eine angemessene Begleitung mit digitalen Medien.

Ein Blick in die Zukunft der Bildschirme

Was Eltern vermeiden sollten, ist, dass sich Kinder zu sehr an Bildschirme gewöhnen. Philippe Noens verweist auf die Arbeit des niederländischen Professors Peter Nikken, der glaubt, dass Kinder mit zu viel Bildschirmzeit dies bis ins Erwachsenenalter durchziehen. «Diese Menschen haben ein höheres Risiko für ein ungesundes Leben», erläutert Noens. «Diese Untersuchungen gehen über einzelne Gesundheitsprobleme wie Schlafmangel, Übergewicht und Kurzsichtigkeit hinaus. Es zeigt genauso die sozialen Folgen: Jede Stunde, die ein Kind in einen Bildschirm schaut, ist eine verpasste Chance für soziales ‹Training›. Mit Freund:innen spielen, Sport machen und bewegen sind ideale und unerlässliche Teile der sozialen Entwicklung. Die erhält man nicht vor einem Bildschirm.»

Junge schwarze Mutter und lächelnde Tochter, die zu Hause auf einem digitalen Tablet mit Kopierraum spielen. Junge afroamerikanische Frau mit fröhlichem und aufgeregtem kleinen Mädchen, das ein digitales Tablet benutzt, während sie sich zu Hause auf der Couch entspannt.

Bild: iStockPhoto/Ridofranz

Folgt man den Richtlinien der WHO, verbringen Kinder zu viel Zeit mit Bildschirmen. Darüber hinaus gibt es keine Hinweise darauf, dass die Bildschirmzeit in Zukunft abnehmen wird. Im Gegenteil, auch in Schulen gehören Bildschirme zur normalen Infrastruktur. «Kürzlich nahm ich an einer Debatte der Frage teil, ob Schulen smartphonefreie Orte werden sollen», erzählt Noens. «Davon bin ich kein grosser Fan. Als Pädagoge bin ich der Meinung, dass Medien und Technologie mehr Aufmerksamkeit im Unterricht verdienen. So können wir als Gesellschaft verhindern, dass Kinder ‹Sklaven› der digitalen Medien werden und ihnen einen gesunden Umgang damit beibringen.»

Schulen sollten eine unterstützende Rolle in der Medienerziehung einnehmen, aber die Hauptrolle spielen die Eltern. «In Zeiten der Digitalisierung muss die Jugend lernen, wie sie die Medien als Hilfsmittel einsetzen kann und welchen Gefahren sie sich bewusst sein muss , findet Philippe Noens. «Und das schon in jungen Jahren.»

Text Joost Schellekens
Übersetzung und Bearbeitung Kevin Meier

Weitere Informationen zu digitalen Medien in der Erziehung für Eltern

 projuventute.ch

familienleben.ch

jugendmedien.ch

zhaw.ch

generationsmartphone.ch

 

 

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