carole ackermann
Die Frau Interview

Carole Ackermann: «Was wir jetzt leisten, ist unsere Visitenkarte für den nächsten Schritt»

29.03.2025
von Katja Deutsch

Carole Ackermann ist nicht nur Verwaltungsratspräsidentin der EHL-Gruppe (ehemals Hotelfachschule Lausanne), sondern auch in mehreren hochrangigen Positionen mit grosser Verantwortung tätig: Sie ist Vizepräsidentin der BVZ Holding, Mitglied des Verwaltungsrats von Allianz Suisse, der BKW, von BNP Paribas Schweiz sowie des Swiss Food & Nutrition Valley. Zudem gründete sie die Beratungs- und Risikokapitalfirma Diamondscull. Im Interview verrät sie, wie sie als Frau den Aufstieg in Spitzenpositionen geschafft hat und was eiskaltes Wasser damit zu tun hat.

Carole Ackermann, haben Sie Ihre Karriere gezielt geplant?

Nein, und das Wenige, das ich geplant hatte, kam anders. Søren Kierkegaards Erkenntnis «Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden» beschreibt es treffend. Wichtiger als ein starrer Plan ist regelmässige Reflexion: Bin ich noch auf dem richtigen Weg? Fühlt dieser sich gut und richtig an? Passt er zu meinen Werten und zu meiner Leidenschaft? Wenn nicht, passe ich Tempo, Richtung oder Flughöhe an. Oft haben auch unerwartete Gelegenheiten meinen Weg bestimmt: Wer seine Stärken kennt, wird auch Chancen erkennen und ergreifen.

Sie haben – wie Zigtausende andere auch – BWL studiert. Doch im Top-Management der Schweiz liegt der Frauenanteil bei nur 22 Prozent. Welche drei Ratschläge würden Sie Frauen geben, die eine Führungsposition anstreben?

Mit Ratschlägen tue ich mich immer etwas schwer (lacht), denn der Weg kann sehr unterschiedlich verlaufen. Was mir geholfen hat: Fokussiere dich auf deine Stärken und darauf, was du gerne tust, sorge für einen hohen Energielevel, achte auf deine Gesundheit und umgib dich mit Leuten, die dich motivieren, fordern, aber auch fördern und dir Energie geben. Und für Frauen besonders wichtig – überlege zweimal, wen du heiratest.

In Ihren verschiedenen Funktionen haben Sie überwiegend mit männlichen Kollegen zu tun. Wo liegt darin die grösste Herausforderung?

Seit meiner Studienzeit an der HSG war ich es gewohnt, in einem Umfeld mit wenigen Frauen zu sein. Was mir damals fehlte, waren Vorbilder. Vielleicht engagiere ich mich gerade deshalb heute gerne für Diversität – sei es durch die Teilnahme an Veranstaltungen mit vielfältigem Publikum oder die Unterstützung junger weiblicher Talente bei neuen Geschäftsideen. Ich schätze es sehr, in einem mittlerweile diverseren Umfeld zu arbeiten. Kombiniert mit Inklusion führt dies zu breiter abgestützten Lösungen.

Sie engagieren sich zudem in der Initiative «Women in Leadership». Welche konkreten Punkte sind Ihnen hierbei wichtig oder konnten Sie bereits umsetzen?

WIL ist eine Initiative der Mitarbeiterinnen der EHL Hospitality Business School, initiiert von Prof. Sowon Kim. Aus der ursprünglichen Idee der Prävention sexueller Belästigung in der Hospitality-Branche ist ein Netzwerk entstanden, in dem wir Frauen uns gegenseitig unterstützen, für Visibilität sorgen, mit Studierenden zentrale Karrierethemen adressieren und unser Beziehungsnetz zur Verfügung stellen. Damals wie heute steht der Austausch über die Herausforderungen von Karriere, Beruf, Familie und einem erfüllten Leben im Mittelpunkt.

Lebenslanges Lernen ist heute Realität. Welche Fähigkeiten halten Sie für besonders wichtig, um in dieser sich schnell verändernden Welt erfolgreich zu sein?

Aktuell herrschen Disruption und Ungewissheit. Gute Entscheidungen sind schwer planbar und bedürfen nebst einer soliden Analyse, Intuition, Kreativität, auch den Mut, Neues zu wagen.

Soft Skills, insbesondere emotionale Intelligenz, sind das Herzstück vieler EHL-Programme. Zudem gilt: «Lernen, umlernen, neu lernen.» Das erlebe ich oft auch in der Arbeit mit Start-ups – auch wenn ich mich manchmal bewusst zwingen muss, alte Muster loszulassen, damit Neues entstehen kann.

Wie wichtig war Ihr persönliches Netzwerk für Ihren Erfolg und wie können junge Frauen ein solides berufliches Netzwerk aufbauen?

Ein Netzwerk allein reicht nicht, aber es hilft. Wer die notwendigen Qualifikationen hat und gleichzeitig sichtbar ist, erhöht die Chancen auf neue Karrieremöglichkeiten. Der Aufbau eines Netzwerks kostet jedoch Zeit und Energie und es fällt nicht jedem gleich leicht. Was wir aktuell leisten, ist unsere Visitenkarte für den nächsten Schritt. Ich empfehle jungen Frauen, gezielt Kontakt zu Personen zu suchen, die ihnen auf ihrem Weg helfen können – sei es über Social Media, Veranstaltungen oder bestehende Bekanntschaften.

Welche Rolle spielt Mentoring in Ihrer Arbeit und welche Tipps haben Sie für Frauen, die sich aktiv ein Mentor-Mentee-Verhältnis wünschen?

Ich habe kein offizielles Mentor-Mentee-Verhältnis, unterstütze aber regelmässig Frauen durch gegenseitige Reflexionen zu unseren Fortschritten, Hindernissen und nächsten Schritten. Solche Beziehungen sind wertvoll, da beide Seiten vom Austausch profitieren – ein echtes «Give and Take». Besonders Reverse Mentoring zeigt, wie viel man voneinander lernen kann.

Die EHL bietet Alumni-Mentoring, Innovationsmentoring für Start-ups und Peer-Mentoring für Mitarbeitende an. Mein Tipp: klare Erwartungen formulieren und es einfach ausprobieren.

Früher besuchte ich gezielt Veranstaltungen, um Visibilität zu erhalten, heute geht es mir mehr darum, etwas zurückzugeben. Ich mache das gerne und es gehört sowohl zu meinem Job als auch zu gutem Bürgertum dazu, finde ich.

Sie rudern und segeln leidenschaftlich gerne. Hat Sie dieser oftmals harte, eisige «Gegenwind» auch in beruflicher Hinsicht abgehärtet?

Anspruchsvolle Ziele verfolgen, verlangt nach einer grossen Frustrationstoleranz. Diese hilft, mit Unwägbarkeiten umzugehen und Rückschläge als Korrektiv und Antrieb sportlich zu nehmen. Segeln kann man wunderbar mit leichter Brise – ich liebe Sonne bei 20 Knoten Wind – und rudern auf glattem See in der Früh macht viel Freude. Aber manchmal regnet es und es ist kalt und das gehört halt auch dazu. Man trainiert im Team und wenn man sich mit den anderen verabredet hat, kann man nicht kneifen. Das gilt auch im Beruf: Mit der richtigen Einstellung kann man es auch geniessen, wenn die Bedingungen nicht perfekt sind.

Sie sind sozusagen von aussen in die Hotel­branche gekommen. Welche Vorstellungen haben Sie für die Zukunft der EHL?

Unser Ziel ist es, die Marktführerschaft nicht nur zu halten, sondern Schritt um Schritt auszubauen. Dafür müssen wir agil bleiben und uns stetig erneuern.

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