Die Baslerin Tugce Demir begeistert mit ihren Make-up-Transformationen die Jugendlichen auf TikTok und Instagram über die Landesgrenzen hinaus. Im Interview erzählt sie, wie es dazu kam, welche Looks ihr am besten gefallen und ob sie sich Social Media als Beruf vorstellen kann.
Tugce, wie bist du zu TikTok gekommen?
Die Anfänge sind schon lange her, um 2015/16. Damals hiess es noch musical.ly. Ich fand es einfach auf dem Applestore und wunderte mich, was das für eine App war. Ich habe es heruntergeladen und reingeschaut. Zu der Zeit war musical.ly noch nicht so bekannt, besser gesagt in der Schweiz noch gar nicht. Ich fand es cool, habe aber im ersten Jahr nur geschaut, was die Leute posten. Erst danach habe ich selbst Videos reingestellt. Die ersten paar Male habe ich diese immer wieder gelöscht, weil ich mich unsicher fühlte. Noch niemand hat sich wirklich damit beschäftigt. In der Schule, auf der Arbeit und überall hiess es, das sei doch kindisch. Jetzt machen es alle (lacht).
Du machst sowohl Beauty- als auch Horror-Looks und vieles dazwischen. Welche Art von Make-up macht dir am meisten Spass?
Mir machen die Halloween-Make-ups mehr Spass. Die brauchen zwar mehr Zeit, aber während der Vorbereitung bin ich dann selbst gespannt, wie es herauskommt. Manchmal gefällt mir das Resultat, manchmal nicht. Doch ich gebe immer mein Bestes.
Und wenn es nicht gefällt, kommt es trotzdem auf TikTok?
Nein, dann schminke ich es ab (lacht). Auch wenn es stundenlang dauert, kann es sein, dass ich irgendwann aufgebe.
Welches ist dein absoluter Lieblingslook?
Pennywise war richtig cool. Dieses Make-up brauchte auch nicht so lange, etwa zwei Stunden. Also ein eher einfacher Look. Andere dauern bis zu sieben Stunden. Und er lief am besten auf TikTok. Pennywise würde ich irgendwann gerne noch einmal machen.
Wie lange dauert die Kreation eines Videos von der Idee bis zum Upload?
Einen ganzen Tag (lacht). Ich bin wirklich einen vollen Tag beschäftigt. An solchen Tagen plane ich nichts anderes. Es hat noch nie geklappt, wenn ich an einem TikTok-Tag mit einer Kollegin abgemacht habe, auch wenn es erst um sechs Uhr abends ist. Es dauert immer länger als gedacht.
Du hast erwähnt, dass das Make-up bis zu sieben Stunden in Anspruch nehmen kann. Wie lange lässt du einen Look drauf, bevor er abkommt?
Das Make-up schminke ich gleich wieder ab (lacht). Nach fünf Minuten filmen schminke ich mich ab. Das ist manchmal schade, aber es ist eine Menge Make-up und ich glaube, das ist nicht so gesund für die Haut. Deshalb: Je schneller weg, desto besser. Trotzdem verwende ich nicht die billigste Schminke, in der was weiss ich drin sein kann.
Was denkst du rückblickend von deinen ersten Videos?
Die ersten Videos waren Lipsync-Videos auf musical.ly; die sind nichts Besonderes und eher langweilig. Deswegen hatte ich sie auch gelöscht. Hinzu kommt, dass damals vor allem englische Lieder im Trend waren und ich gar nicht wirklich Englisch konnte. Das sah man den Lipsyncs auch an. Mittlerweile habe ich dank TikTok Englisch gelernt (lacht).
Bezüglich Make-up-Videos sind die ganz alten schon cringe. Aber die der letzten zwei Jahre sind ok (lacht).
Könntest du dir vorstellen, dich beruflich voll und ganz den sozialen Medien zu widmen?
Hätte ich eine gute Stimme oder so etwas, dann könnte man sich das vielleicht überlegen. Aber Menschen, die «normale» Videos machen wie ich mit Make-up, sollten sich nicht nur auf Social Media konzentrieren. Einige denken vielleicht, sie werden dadurch berühmt und machen viel Geld, aber das ist nicht gegeben. Das ist keine Zukunft. Man muss immer etwas im Sack haben, wie beispielsweise eine Ausbildung. So kann man auf etwas zurückgreifen, wenn es auf den sozialen Medien nicht mehr läuft.
Ich persönlich würde mich nicht auf die sozialen Medien fokussieren. Man weiss nie, was passiert und kann die Zukunft nicht voraussehen. Vielleicht gibt es all das nicht mehr, wenn ich 35 bin. Es wäre natürlich schön, aber ich glaube nicht, dass all dies lange anhält. Man kann ja den Beruf reduzieren, solange es auf Social Media gut läuft und man beides gleichzeitig weiterführen kann. Den Job für TikTok oder Instagram aufgeben würde ich aber auf keinen Fall.
Die meisten deiner Videos sind mit türkischer Musik hinterlegt oder haben eine Unterschrift auf Türkisch. Was bedeutet dir die türkische Kultur?
Ich bin selbst Türkin und verwende deshalb die Sprache. Als ich mit Social Media anfing, wurden meine Videos vor allem in der Türkei geschaut und erst später in der Schweiz. Auch hier haben mehrheitlich türkische Menschen zugesehen. Und dann wurde ich auf der Strasse erkannt. Viele wissen nicht, dass ich in der Schweiz wohne, da ich in meinen TikToks nie Deutsch oder Schweizerdeutsch spreche. Sie denken, ich lebe in der Türkei, weil ich auf Türkisch poste. Manchmal sind sie schockiert, mich in der Schweiz zu sehen. Einige fragen mich, ob ich hier Ferien mache. Wenn ich dann Schweizerdeutsch mit ihnen spreche, sind sie verwirrt (lacht).
Was findest du am schönsten an der Content Creation?
Einerseits ist das Make-up selbst toll. Manchmal gibt es zwar Tage, an denen ich keine Lust darauf habe. Ich habe nun schon lange nicht mehr aufwendiges Make-up gemacht. Gleichzeitig zu arbeiten und diese Looks zu machen, ist anstrengend und zwischendurch braucht man eine Pause.
Andererseits ist es motivierend, unterstützende Kommentare zu erhalten und zu wissen, dass es den Leuten gefällt. Wenn ich eine längere Pause einlege, schreiben sie schon, wann denn ein neues Video kommt. Sie warten darauf, dass ich wieder Make-up-Looks mache. Der ganze Prozess macht Spass, aber kann eben auch anstrengend sein.
Welche unschönen Seiten der sozialen Medien hast du miterlebt?
Es gibt immer Hate-Kommentare. Das ist normal, man wird so oder so gehatet. Zudem gibt es Menschen, die die Videos zwar toll finden, aber neidisch sind und deswegen absichtlich blöde Kommentare hinterlassen. Solche Comments wird es immer geben.
Was wäre dein Rat im Umgang mit Social Media?
Wie gesagt wird es Hate immer geben, egal ob man seine Sache gut oder schlecht macht. Je mehr Erfolg man hat, desto mehr Hater werden einen angreifen, aus dem Nichts. Einige Menschen haben grosse Schwierigkeiten, damit umzugehen. Daran sollte man aber nicht hängen bleiben, sondern gemeine Comments ignorieren oder löschen. Wenn man sich nicht runterziehen lässt, kann man weiter einfach das tun, was einem Spass macht.
Neben Social Media gehst du einem gewöhnlichen Beruf nach. Weshalb hast du dich für einen Beruf im Gesundheitswesen entschieden?
Es sind sehr wichtige Berufe, denn die Gesundheitsbranche braucht Fachkräfte. In diesen Berufen wird es auch nicht langweilig, es ist immer etwas los. Während der Coronazeit war es besonders anstrengend. Ich mag meinen Job sehr und kann mir keinen anderen vorstellen.
Du arbeitest in einem Altersheim. Wissen die Bewohner:innen von deinen Videos? Was denken sie dazu?
Die Mitarbeitenden wissen alle Bescheid bis hoch zur Leitung. Die Bewohner:innen wussten lange nichts von dem, bis ich einmal in der 20 Minuten erschien. Eine Bewohnerin hat es gesehen und es ist herumgegangen. Es wurden auch Bilder von mir in Make-up abgedruckt und sie fanden es seltsam, warum man so etwas tun sollte. Sie haben nicht verstanden, weshalb ich verkleidet bin. Weil sie Social Media nicht kennen, war es aber auch schwierig zu erklären. Das ist aber schon lange her und ich finde es nicht schlimm. Heute gibt es immer noch einige, die davon wissen.
Wie gelingt es dir, TikTok und deinen Beruf unter einen Hut zu bringen?
Ich habe schon immer zu 80 Prozent gearbeitet. Im Gesundheitsbereich kann einen eine 100-Prozent-Stelle kaputtmachen. Natürlich ist es super für die, die das schaffen. Aber ich brauche meine Freizeit. Geld ist für mich nicht alles, insbesondere wenn mir danach die Zeit fehlt. Die restlichen 20 Prozent verwende ich für alles andere, wie zum Beispiel Fitness oder TikTok.
Ich achte sehr auf Pausen. TikTok widme ich mich nur, wenn ich wirklich ausgeruht bin. Wenn ich erschöpft bin oder keine Lust habe, beschäftige ich mich nicht damit.
Letztes Jahr habe ich es immer so durchgezogen. Nun lege ich aber seit etwa sechs Monaten eine Pause ein, in der ich nur ab und an etwas poste. Zwischendurch braucht es längere Auszeiten, um danach wieder gut starten zu können. Wenn man immerzu denkt, man müsse alles machen und erreichen, kann das nicht gesund sein. Man muss seine eigenen Grenzen kennen.
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