oprah winfrey an einer award-show
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Gesundheit Hollywood Porträt

Oprah Winfrey: «Man soll sich nicht dafür schämen müssen, wie man abnimmt»

05.04.2025
von Marlène von Arx

Oprah Winfrey ist so etwas wie Amerikas Mutter der Nation, und wenn dem Volk der Schuh drückt, ist sie zur Stelle. Mit ihren Gesprächsrunden auf der Plattform Oprah Daily will die Moderatorin vor allem Frauen Wege aufzeigen, die zu einem geistig und körperlich gesunden und erfüllten Leben führen.

Kaum jemand hat die Wellness-Ära in den USA dermassen stark geprägt wie Oprah Winfrey. Von 1986 bis 2011 moderierte sie die erfolgreichste Daytime-Talkshow im US-Fernsehen, die einem Millionenpublikum Denkanstösse und praktische Tipps für ein besseres Leben präsentierte. Jetzt ermuntert die Medien-Mogulin, Philanthropin, Schauspielerin und Autorin auf ihrer Onlineplattform Oprah Daily ihre nach wie vor treuen Fans, ihre Gesundheit und Wohlbefinden selbst in die Hand zu nehmen: «Meine Mission ist es, Frauen zu helfen, das Leben zu führen, das sie für sich wollen», erklärt Oprah Winfrey in ihrer Onlineklasse zum Thema Wechseljahre. Um die Menopause zu enttabuisieren, erzählt die 71-Jährige dem Studiopublikum, welche Symptome sie damals selber hatte und wie sie sich schliesslich dank Östrogen-Hormontherapie bedeutend besser fühlte: «Der Himmel war sofort wieder blauer. Hätte ich kein Östrogen genommen, wäre ich in eine Depression geschlittert.» Neben Fachärztinnen hat sie auch die Schauspielerin und Talk-Show-Moderatorin Drew Barrymore, die vor ihrem 50. Geburtstag steht, in ihre Gesprächsrunde eingeladen, sowie die Kennedy-Nichte Maria Shriver, die sich seit Jahren für die Women’s Research Initiative einsetzt. Präsident Biden unterzeichnete im März diesbezüglich ein Dekret, das die staatliche Forschung für die medizinische Versorgung von Frauen erweitern soll. «Es wurde auch Zeit», so Oprah. «Ich war schockiert, als ich erfuhr, dass medizinische Tests und Medikamenten-Tests jahrzehntelang nur an Männern durchgeführt wurden – angeblich, weil die Hormone bei Frauen zu sehr schwanken.»

Übergewicht findet im Hirn statt

Ein besonderes heiss diskutiertes Trendthema ist auf Oprah Daily natürlich auch die GLP1-Revolution auf dem Weightloss-Markt. Ursprünglich für Diabetes-Patient:innen entwickelt, sind Abnehm-Spritzen von Ozempic, Wegovy und Mounjaro nicht zuletzt auch bei Entertainer:innen der Renner, um lästige Kilos loszuwerden. Die Themen Food, Gewicht und Body-Image liegen Oprah Winfrey seit Jahrzehnten auch aus persönlichen Gründen am Herzen: Ihr offener und unkomplizierter Umgang mit ihren eigenen Gewichtsproblemen hat den Fernsehstar zur Identifikationsfigur und Inspiration für Millionen gemacht. 1988 karrte sie dreissig Kilogramm Tierfett auf die Bühne, um zu veranschaulichen, wie viel Gewicht sie verloren hatte – ein Moment, der in die TV-Geschichte einging. Doch wie bei vielen ihrer Fans kamen die Pfunde zurück. «107 Kilo war mein höchstes Gewicht», so die Moderatorin, die sich nun mit dem Antidiabetikum Semaglutid behandeln lässt, in einer Oprah-Daily-Klasse zum Thema. «Es gibt wohl keine öffentliche Person, deren Kampf gegen die überschüssigen Pfunde mehr ausgeschlachtet wurde als meiner.» Sie investierte in Weight Watchers, aber trat schliesslich aus dem Vorstand, als sie sich für den Medikamenten-Weg zur Gewichtsabnahme entschied. Ist Übergewicht ein Mangel an Willenskraft oder eine kurierbare Krankheit? Sind die Medikamente tatsächlich eine Wunderdroge, die für alle anwendbar und sicher ist? Nach dem Panel mit Ärztinnen folgert sie: «Wir sollten es als wissenschaftlichen Fakt akzeptieren, dass Übergewicht im Hirn gesteuert wird und nicht für alle gleich ist. Und man soll sich nicht dafür schämen müssen, wie man abnimmt. Ich habe genug von dieser Scham. Wirklich genug.»

Wie gross der Einfluss von Oprah Winfrey in der Gesundheitsbranche ist, zeigte sich schon in den Neunzigerjahren – und das mit teilweise kurioser Wendung: Als medizinischer Fachmann in ihrer Talkshow erlangte Dr. Mehmet Oz landesweiten Bekanntheitsgrad. Er bekam alsbald eine eigene Sendung und vermarktete schliesslich pseudowissenschaftliche Produkte, empfahl Malaria-Medikamente gegen Corona und kandidierte als Schützling von Donald Trump erfolglos für einen Senatssitz. Vergangenen November ernannte ihn Präsident Trump als Leiter des Zentrums für «Medicare & Medicaid Services», eine Abteilung des Ministeriums für Gesundheitspflege und Soziale Dienste.

Oprah Winfrey

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Auch ihr psychologischer Go-to-Experte «Dr. Phil» landete dank seinen Auftritten in «The Oprah Winfrey Show» eine eigene Talkshow, die 20 Jahre lief. Wie sich herausstellte, doktorierte er zwar in Psychologie, war aber kein lizenzierter Psychologe. Seine Methoden wurden als grausam und unethisch sowie das Arbeitsklima bei seiner Show als toxisch kritisiert. Weil er glaubt, die amerikanische Familie sei durch DEI (Diversity, Equity, and Inclusion) bedroht, trat er für die Trump-Kampagne auf und verbreitet nun politische Propaganda via Podcast.

Fürsprecherin für psychische Gesundheit nach Kindheitstrauma

Dass Oprah Winfrey seit Jahren auch die psychischen Wunden ihrer Mitmenschen zu heilen versucht, hat nicht zuletzt mit den Traumata aus ihrer eigenen Kindheit zu tun: Geboren als uneheliche Tochter einer Dienstmagd und eines Coiffeurs, wuchs Oprah am Ende einer ungeteerten Strasse bei der Grossmutter in Mississippi auf. Eigentlich war sie nach der Bibelfigur Orpah benannt, aber oft wurde ihr Vorname falsch ausgesprochen und «Oprah» blieb hängen. Mit sechs Jahren reisst die Mutter sie aus dem gewohnten Umfeld und zieht mit ihr nach Milwaukee, wo sie wegen ihrer dunkleren Hautfarbe diskriminierend behandelt wird. Mit neun wird sie von einem Cousin vergewaltigt. Mit vierzehn bekommt sie einen Sohn, der kurz nach der Geburt stirbt. «Gerettet haben mich meine Lehrer und Lehrerinnen», erzählt sie in der Doku-Serie « The Me You Can’t See » (Apple TV+) unter Tränen. «Über viele Jahre war die Schule der einzige Ort, wo ich mich geliebt fühlte. Deshalb wollte ich auch lange Lehrerin werden.»

Doch Oprah Winfrey schlägt einen anderen Weg ein: Sie zieht zum Vater nach Nashville und gewinnt 1971 den «Miss Black Tennessee»-Schönheitswettbewerb. Bereits in der Highschool betätigt sie sich als Radioreporterin. 19-jährig wird sie die erste schwarze Moderatorin der Lokal-TV-Nachrichten in Nashville. In Chicago steigt sie schliesslich zur international renommierten Interviewerin auf, der sich nicht nur Normalsterbliche, sondern auch Persönlichkeiten aus Politik, Unterhaltung und Sport anvertrauen. Durch das Syndizieren ihrer Show baut Oprah Winfrey ein eigenes Medien-Imperium auf und wird mit einem geschätzten Vermögen von rund drei Milliarden Dollar zur reichsten Amerikanerin.

Wir sollten es als wissenschaftlichen Fakt akzeptieren, dass Übergewicht im Hirn gesteuert wird und nicht für alle gleich ist. – Oprah Winfrey

Nebenbei erhält sie eine Oscar-Nomination für ihre Nebenrolle in Steven Spielbergs «The Color Purple» und produziert Filme aus der afroamerikanischen Perspektive wie «Selma» und «The Butler». 2017 produzierte und spielte sie die Hauptrolle im TV-Film «The Immortal Life of Henrietta Lacks». Henrietta Lacks erkrankte Anfang der Fünfzigerjahre an Gebärmutterkrebs. Ohne ihre Einwilligung wurden ihr Zellproben entnommen, aus der die «unsterbliche» HeLa-Zellinie kreiert wurde, die nach wie vor in der Forschung angewendet wird: «Ich weiss relativ viel über afroamerikanische Geschichte, aber von dieser Frau hatte auch ich noch nie etwas gehört», so Oprah damals in unserem Interview. «Und selbst ihre Tochter verstand die langzeitige Bedeutung nicht, die ihre Mutter für die Forschung hatte.»

Ein einfaches Leben auf grossem Fuss

Letztes Jahr schloss sich ein Hollywood-Kreis, als Oprah eine Neuauflage des Musicals «The Color Purple» produzierte. Aber inzwischen schätzt sie auch lange Ferien und mit Stedman Graham, ihrem Partner seit 1986, ihr Leben zu geniessen. Das unverheiratete Paar entschied sich, kinderlos zu bleiben. Stattdessen «adoptierte» die Wohltäterin Absolventinnen der Oprah Winfrey Leadership Academy for Girls, die sie 2007 in Südafrika gegründet hatte. Sie nennt diese jungen Frauen, die in den USA weiter studieren, ihre «Tochter-Girls».

Verändert haben sie Ruhm und Reichtum nicht, findet sie: «Ich bin die gleiche, die ich auch als Primarlehrerin geworden wäre. Ich führe ein einfaches Leben, einfach auf grossem Fuss.» Wenn man in ihrem Alter noch etwas beweisen will, habe man wohl irgendwann den falschen Weg eingeschlagen. «Jetzt geht es darum, zu geniessen, mit den Hunden raus in die Natur zu gehen, zu lesen, ein paar Leute um den Tisch zu versammeln oder mit Freunden auf einem Boot Spass zu haben.» Damit meinte sie ihre Jachtferien mit den Obamas. Nebst Paddleboarding und Schnorcheln sei auch viel gelacht und geredet worden. «Worüber kann ich nicht verraten, denn was auf dem Boot passiert, bleibt auf dem Boot.» Als sie im Januar 2018 bei den Golden Globes mit dem «Cecil B. DeMille Award» für ihr Lebenswerk ausgezeichnet wurde und eine rauschende Rede hielt, die den damaligen #MeToo-Moment exakt traf, spekulierten viele, ob Oprah Winfrey vielleicht selbst für das Präsidentschaftsamt kandidieren würde. Den Hoffnungen vieler nahm sie diesbezüglich aber bereits ein Jahr zuvor den Wind aus den Segeln: «Ich fühle mich nicht qualifiziert, die Verantwortung für dieses Amt zu übernehmen», so Winfrey, die in der Endphase des letzten Wahlkampfs für Kamala Harris die Werbetrommel rührte. «Ich hätte auch nicht die Energie. Es ist nicht meine Berufung.»


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