mutter sprayt sohn  zeckenspray ein
Natur Gesundheit Frühling

Zecken: Irrtümer, Prävention und die oft unterschätzten Folgen

17.06.2020
von Lars Meier

Wenn das schöne Wetter zu Ausflügen in der Natur einlädt, steigt auch die Gefahr eines Zeckenbisses. Welches sind die häufigsten Irrtümer über Zecken und was sind die Folgen eines Zeckenbisses? «Fokus» hat nachgeforscht.

Sie sind zwar nur einige Millimeter gross, dürfen deswegen aber keinesfalls bagatellisiert werden: Ein Zeckenstich kann zwar vergleichsweise leicht schmerzfrei von statten gehen, aber dennoch weitreichende Konsequenzen nach sich ziehen. Der richtige Schutz vor Zecken ist das A und O.

Rund um Zecken ranken sich zahlreiche Mythen und Irrtümer. «Die häufigsten Irrtümer sind, dass Zecken beissen und von den Bäumen auf uns Menschen herabspringen», erläutert Zeckenforscher Werner Tischhauser vom Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen an der ZHAW. «Zecken stechen uns mit einem Stechapparat und sie lauern den vorbeikommenden Blutwirten auf der bodennahen Vegetation sitzend auf, um sich bei der kleinsten Berührung abstreifen zu lassen.»

Zecken sind nicht nur bei warmen Temperaturen aktiv

Zwei Dinge lieben die Tiere besonders: Feuchtigkeit und Wärme. Besondere Vorsicht ist somit in Regenperioden im Sommer geboten. Aber auch bei kühleren Temperaturen sollte man auf der Hut sein. So verfallen Zecken erst in Winterstarre, wenn die Temperaturen länger unter sieben Grad Celsius sinken. Auch die Anzahl bekannter Zeckenarten weltweit dürfte verblüffen. So sind gemäss aktuellem Forschungsstand mehr als 900 verschiedene Arten geläufig. «Die wichtigste Zeckenart in der Schweiz ist der gemeine Holzbock Ixodes ricinus», weiss Werner Tischhauser. «In Gebieten der gemässigten Klimazone ist die Schildzecke weit verbreitet. Wenn dort eine begrünte Oberfläche vorhanden ist und genügend Wirtstiere – Tiere, an denen die Zecken Blut saugen können – zirkulieren, können Zecken vorkommen.»

Der Holzbock lebe in Wäldern des Schweizer Mittellandes im dichten Unterholz, an Waldrändern, auf Waldlichtungen, weiter auch in der Nähe von Flüssen und in waldnahen Parkanlagen. «Die Tiere warten jeweils auf einem Grashalm oder Busch auf einen Wirt, an den sie sich beim Vorbeigehen anklammern», so der Experte.

Die Zecke als Überlebenskünstlerin

Wie bereits erwähnt, kann man die Zecke in Sachen Temperaturen als Überlebenskünstlerin bezeichnen. Ihr Geheimnis ist die Anpassung an Temperaturschwankungen. «In den Sommer- und Winterperioden – wenn es zu heiss, zu trocken oder zu kalt ist – sucht die Zecke Schutz am Boden», erklärt Werner Tischhauser. «Zecken überleben sogar kurzzeitiges Einfrieren bei minus 20 Grad Celsius.» Die Forschung weiss zwar viel über Zecken, dennoch sind noch nicht alle Fragen restlos geklärt. Der Experte nennt ein Beispiel: «Ob die ansteigenden Fallzahlen von Neuinfektionen von durch Zecken übertragbaren Krankheiten wegen einer grösseren Zeckenpopulation oder eher wegen dem Freizeitverhalten der Menschen angestiegen ist, kann man nicht schlüssig beantworten.»

Zecken überleben sogar kurzzeitiges Einfrieren bei minus 20 Grad Celsius. Werner Tischhauser

Prävention 

Das Vorbeugen von Zeckenstichen erfolgt einfach – bereits das Beachten einiger Punkte leistet bereits einen erheblichen Beitrag. Werner Tischhauser empfiehlt: «Mit Kleidung und geschlossenem Schuhwerk schützt man sich sehr gut.» Abgedeckte Haut sei der beste Schutz vor einem Zeckenkontakt, insbesondere beim Gang durchs Unterholz oder durch hohes Gras. «Es wird empfohlen, Kleidung mit langen Ärmeln und Hosenbeinen zu tragen und die Socken über die Hosenstösse zu ziehen. Nach einem Ausflug sollte zu Hause der Körper auf Zecken abgesucht und diese möglichst rasch und ohne jegliche Vorbehandlung entfernt werden.»

Bei einem Zeckenstich richtig handeln

Aufgrund ihrer geringen Grösse kann man Zecken leicht übersehen. Findet man am Körper eine Zecke, ist richtiges Handeln gefragt. «Die Zecke rasch und richtig entfernen», bekräftigt der Experte. Das Vorgehen ist folgendes: «Die Zecke mit spitz zulaufender Pinzette ganz vorne hautnah beim Stechapparat fassen. Den Zug senkrecht zur Stichstelle gleichmässig erhöhen. Das Tier dann ohne drehen, seitliches Neigen oder Quetschen des Körpers herausziehen.» Letzten Endes sei es zudem zentral, die Stichstelle zu desinfizieren. Das Quetschen oder Ersticken der Zecke sollte man dabei tunlichst vermeiden!

«Nehmen Sie beim Entfernen der Zecken kein Öl, Wachs, Klebstoff, Nagellackentferner und anderen Substanzen zu Hilfe», legt der Experte ans Herz. «Benützen Sie stattdessen eine feine Splitterpinzette oder führen Sie ein Messer von hinten unter die Zecke und schneiden Sie den Stechapparat ab. Verbleibende Reste entfernt der Arzt oder sie werden als Fremdkörper von der Haut selbst herausgearbeitet.» Danach sei die Stichstelle zudem während ein paar Tagen zu kontrollieren.

Über die Hälfte aller Zeckenstiche bleibt unentdeckt

Wie bereits angetönt ist es ein weit verbreiteter Irrtum, dass Zecken beissen – sie stechen nämlich. Werner Tischhauser erklärt detaillierter: «Die Tiere saugen Blut, um Baustoffe und Energie aufzunehmen, damit sie die Entwicklungsschritte ihres Lebenszyklus durchlaufen können. Um von einem Stadium zum nächsten zu gelangen oder wie beim Zeckenweibchen, um 2000 bis 3000 Eier produzieren zu können. Dazu müssen sich die Tiere zwei bis zehn Tage unbemerkt am Wirt festheften können.»

Meistens falle die saugende Zecke dann über die Reibung an der Kleidung oder über den Tastsinn beim Duschen auf. Das Beunruhigende: 50 Prozent aller Zeckenstiche bleiben wegen der ausgeklügelten und hoch spezialisierten Strategie der Zecken unentdeckt. «Ob es beim oder während dem Stich zu einer Infektion kommt, hängt vom Erreger ab und davon, wie lange die Zecke unentdeckt saugen kann», so der Experte.

50 Prozent aller Zeckenstiche bleiben wegen der ausgeklügelten und hoch spezialisierten Strategie der Zecken unentdeckt.

Eine vollgesogene Zecke kann das bis zu 200-fache ihres Körpergewichts erreichen.

Eine vollgesogene Zecke kann das bis zu 200-fache ihres Körpergewichts erreichen.

FSME

Die Frühsommer-Meningoenzephalitis, kurz FSME, gehört zu den zentralen übertragenen Erkrankungen durch Zecken. «FSME-Viren werden über die Speicheldrüse der Zecke direkt übertragen», weiss Werner Tischhauser. Das heisst, dass man die Übertragung des gefährlichen Virus durch schnelles Entdecken und Entfernen der Zecke nicht verhindern könne. Der Experte erklärt: «Zum Schutz gibt’s aber eine hochwirksame und sehr gut verträgliche Schutzimpfung. Um den Impfschutz aufzubauen, muss man vier Wochen einberechnen.» Soviel Zeit brauche es, um im standardisierten Impfschema mit den ersten zwei von insgesamt drei Impfdosen die Grundimmunisierung zu erreichen. Ein weiterer Tipp: «Am besten macht man das in den Wintermonaten, dass man im Frühling bereit ist für neue Entdeckungen in der Natur.»

Die häufigsten Irrtümer sind, dass Zecken beissen und von den Bäumen auf uns Menschen herabspringen. Werner Tischhauser

Borreliose

Borrelien, eine Bakterienart, verursachen zudem die bakterielle Borreliose. «Jährlich werden zwischen 12 000 bis 18 500 Neuinfektionen vom BAG über eine Hochrechnung verzeichnet», wie Werner Tischhauser weiss. «Die Borrelien befinden sich, zusammen mit bis zu 50 weiteren Mikroorganismen und potenziellen Krankheitserregen im Zeckenmagen.» Beginne eine Zecke mit der Blutmahlzeit, nehme sie aus der Sauggrube soviel vom Blut-Speichel-Gemisch auf, bis sie «voll» ist. Der Saugprozess sei im Vergleich mit einer Mücke viel selektiver und dauert viel länger an, weil die Zecke die nicht benötigten Teile mit einer zeitlichen Verzögerung von 12 bis 24 Stunden über den Stechapparat zurück an den Wirt abgibt. «Bei diesem Rückfluss von dem Tier zum Wirt findet zeitlich verzögert die Übertragung der Borrelien statt», so der Experte. «Je länger die Zecke mit der Blutmahlzeit fortfahren kann oder wenn sie gar unbemerkt bleibt, erhöht sich das Risiko, dass eine damit infizierte Zecke Borrelien auf den Wirt überträgt.»

Ein Arztbesuch sorgt für Gewissheit

Bemerke und entferne man die Zecke am selben Tag, an dem sie jemanden gestochen hat, dann sei das Risiko einer Übertragung von Borrelien und eine später aktiv ablaufende Borreliose sehr klein. «Deshalb ist der gewissenhafte und regelmässig durchgeführte Körpercheck auf angeheftete Zecken die wichtigste Präventionsmassnahme, wenn es um die Vermeidung der Lyme-Borreliose geht», bekräftigt der Experte. Aber: Nur aus 3 Prozent aller Zeckenstiche folgt eine aktiv ablaufende Borreliose mit den typischen Symptomen wie der Wanderröte (Erythema migrans) oder grippeartigen Symptomen. «Bei den FSME-Infektionen sind es Werte im Promillebereich. In jedem Fall gilt: Besteht irgendein Verdacht auf eine Infektionskrankheit nach einem bemerkten Zeckenstich, dann sollte dieser Fall durch einen Arzt angeschaut werden», fasst der Experte zusammen. Zeigten sich nach einem Zeckenstich Beschwerden wie Kopf- oder Gelenkschmerzen, Hautrötungen oder grippeartige Beschwerden, sei ein Arztbesuch nötig.

Weitere Informationen

Webseite Präventions-App «Zecke» mit Downloadlinks für iOS und Android: www.zecke-tique-tick.ch

Webseite der Liga für Zeckenkranke Schweiz LiZ: www.zeckenliga.ch
LiZ-Broschüren-Bestellservice: LiZ-Publikationen

Zeckenkarte Schweiz auf map.geo.admin.ch: BAG-Zeckenstichmodell

ZHAW, Zeckenforschung: www.zhaw.ch/iunr/zecken

Text Lars Gabriel Meier

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Vorheriger Artikel ASMR – Entspannung mit Alltagsgeräuschen
Nächster Artikel Mit dem Rauchen aufhören: So klappt’s