patrick warnking
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Google und die Schweiz – eine Liebesgeschichte

08.06.2019
von Miriam Dibsdale

Seit Google vor 15 Jahren in Zürich Fuss gefasst hat, steigt die Anzahl Zoogler, wie die Mitarbeitenden sich an diesem Standort nennen, stetig. Der Country Director von Google Schweiz, Patrick Warnking, sieht aber nicht nur die Zukunft von Google, sondern auch die seiner Familie in der Schweiz. Und das hat seine Gründe.

Patrick Warnking, Sie haben schon in Münster, Saarbrücken, Luxemburg, Boston, Düsseldorf, Bergamo, München, Hamburg und Palo Alto gelebt. Seit 2011 ist die Limmatstadt Ihr Zuhause. Wie gefällt Ihnen Zürich?

Ein Teil meiner Familie kommt aus Rapperswil und Zürich, also war ich bereits als Kind oft in der Schweiz. Zum Beispiel habe ich in Hoch-Ybrig Skifahren gelernt. Zürich hat mir schon immer gefallen. Ich bin unglaublich gerne hier und es freut mich sehr, dass meine Familie hier so glücklich und integriert ist. Es ist sehr schön, dass zwei unserer Kinder mit ihren Schweizer Freunden Mundart sprechen.

Haben Sie Zürich und die Schweiz gegoogelt bevor Sie hergezogen sind?

Gute Frage (schmunzelt). Google hat uns geholfen, eine Wohnung, Geschäfte, Handwerker und andere Dienstleister zu finden. Google hilft mir bis heute im Alltag, zu vielen Themen relevante Informationen und Angebote zu finden. Beispielsweise rund um Kultur, Sport, Freizeit und Natur.

Sie haben eine Frau, fünf Kinder und einen Hund. Sind sie glücklich hier?

Das kann man wohl sagen! Wir sind alle sehr glücklich hier.

Haben Sie und Ihre Familie sich als Expats von Anfang an willkommen gefühlt oder war der Start schwierig?

Wir sind sehr bewusst nicht in eine Wohngegend für Expats gezogen und haben von Beginn an den Kontakt zu unseren Nachbarn gesucht und glücklicherweise auch gefunden. Das hat die Integration sehr gefördert. Auch die Mitgliedschaft in mehreren Vereinen half dabei sehr. Wir leben in der wunderschönen Gemeinde Richterswil im Kanton Zürich.

In Ihrer Freizeit sind Sie Pilot, Kitesurfer und Snowboarder. Welchem dieser Hobbies gehen Sie auch in der Schweiz nach?

Meine Frau, meine Kinder und ich verbringen viel Zeit in der Natur – im Sommer auf dem Wasser und im Winter im Schnee. Für diese Hobbies ist die Schweiz unschlagbar. Den Kindheitstraum von einem Brevet, als Privatpilot für kleine einmotorige Flugzeuge, habe ich mir in der Schweiz erfüllt. Dies erst noch in Wangen-Lachen, dem schönsten Flughafen der Schweiz.

Den Kindheitstraum von einem Brevet, als Privatpilot für kleine einmotorige Flugzeuge, habe ich mir in der Schweiz erfüllt.

Ihre Kinder sind zwischen 9 und 18 Jahre alt. Gehen sie gerne hier zur Schule?

Wir haben uns für öffentliche Schulen entschieden, weil wir von der Qualität überzeugt sind und weil wir die Integration fördern wollten. Unsere Kinder lieben die Schweiz.

Sehen Sie die Zukunft für sich und Ihre Familie hier oder möchten Sie irgendwann nach Deutschland zurück oder gar in ein anderes Land ziehen?

Wir sehen unsere Zukunft in der Schweiz. Wir halten es für wichtig, dass die Kinder im Rahmen ihrer Ausbildung auch einige Jahre in anderen Ländern verbringen. Jedoch sind wir überzeugt, dass sie dann die Schweiz und die hiesigen Möglichkeiten sogar noch mehr wertschätzen werden.

Zürich war 2004 die erste Niederlassung von Google ausserhalb der USA. Was waren die Beweggründe, in Zürich einen Standort zu eröffnen?

Damals wie heute besass die Limmatstadt einige Standortvorteile, die kaum woanders in dieser Form anzutreffen sind. Standortfaktoren waren vor 2004 – aber auch heute noch – die Nähe zu einigen der weltweit führenden technischen Hochschulen wie der ETH Zürich und anderen Universitäten der Schweiz sowie die hervorragende Infrastruktur und zentrale Lage des Landes. Unsere Mitarbeitenden schätzten die Schweiz als Wohn- und Arbeitsort mit sehr hoher Lebensqualität und vielen Vorzügen inklusive Freizeitmöglichkeiten und Bildungseinrichtungen. All dies war schon immer die Grundlage, um talentierte und motivierte Mitarbeitende für uns und die Schweiz gewinnen zu können. Deren hochwertige Arbeit wird innerhalb des Unternehmens und von Nutzern weltweit überaus geschätzt.

Im Global Competitiveness Report 2017-2018 des World Economic Forum (WEF) belegt die Schweiz den ersten Platz. Bestätigt das den Weg, den Sie mit Google eingeschlagen haben?

Ja. Innovation ist der zentrale Erfolgsfaktor. Wir entwickeln in der Schweiz Software, welche in vielen Ländern zum Einsatz kommt. Zudem helfen wir Unternehmen aus der Schweiz, beispielsweise im Detailhandel, Tourismus, in der Finanz- und Uhrenbranche, über die digitalen Kanäle neue Kunden in vielen Ländern zu finden und bestehenden Kunden einen besseren Service zu bieten. Dafür suchen wir Top Talente. Die hervorragenden Hochschulen in der Schweiz sind das Fundament, um diese Talente auszubilden.

Bildung, Forschung und Innovation bleiben aus meiner Sicht der Schlüssel für eine gute Zukunft in der Schweiz.

Wie kann die Schweiz diesen Platz längerfristig verteidigen?

Die Schweiz als traditionell innovatives Land steht derzeit vor der immens wichtigen Aufgabe, der nächsten Generation, aber auch der arbeitenden Bevölkerung, verstärkt digitale Fähigkeiten zu vermitteln. Bildung, Forschung und Innovation bleiben aus meiner Sicht der Schlüssel für eine gute Zukunft in der Schweiz. In der Bildung benötigen wir drei Säulen: Erstens, die Förderung des Nachwuchs in den MINT-Fächern. Zweitens, den massiven Ausbau des lebenslangen Lernens für aktuelle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Drittens, die Steigerung der Attraktivität für Top-Talente durch Forschungseinrichtungen in Wirtschaft und Akademie, die im internationalen Vergleich mit der Weltspitze mithalten können.

Der ehemalige Bundesrat Johann Schneider-Ammann sprach bei der Eröffnung der Büros an der Sihlpost gar von einer Liebesgeschichte zwischen Zürich und Google. Stimmen Sie dem zu?

Ja, uneingeschränkt. Wir engagieren uns in vielen Projekten in der Schweiz, um nachhaltig einen Beitrag für die Zukunft des Standorts zu leisten. Aber es gibt viel zu tun. Beispielsweise braucht es mehr Nachwuchs in den MINT-Fächern – vor allem junge Frauen. Mehr Investitionen fürs lebenslange Lernen und Medienkompetenz. Aber auch mehr Investitionen in Technologien für Datensicherheit, um international als eines der besten Länder in diesem Segment wahrgenommen zu werden. Es braucht mehr Risikokapital für Start-ups.

Von damals zwei Zooglers ist die Anzahl Mitarbeitende mittlerweile auf 3000 gestiegen.

Der Standort Zürich ist organisch gewachsen. Geplant war dieses Wachstum damals aber so nicht. Man kann daher zurecht von einer «Schweizer Erfolgsstory» des Google Standortes in Zürich sprechen. Denn global gesehen investiert Google stets dort, wo qualitativ hochwertige Arbeit geleistet wird. Dies ist in der Schweiz der Fall, wo wir an Schlüsseldiensten wie der Google Suche, dem Assistant, Google Maps, YouTube, aber auch AI-Technologien arbeiten und forschen. Der hiesige Standort bringt seit Jahren hervorragende Arbeit hervor, dies ist der Grund, warum weiter so stark investiert wird.

In einigen Jahren sollen alle Gebäude an der Europaallee bezogen sein. Das sind insgesamt 50 000 Quadratmeter mit Platz für bis zu 5 000 Personen. Andere Firmen bauen Stellen ab, Google schafft neue. Wie gross möchte Google in der Schweiz werden?

Wir stehen auch intern jedes Jahr im Wettbewerb mit anderen Standorten rund um Innovation und Produktivität. Wir planen deshalb Optionen für Wachstum, sind uns aber sehr bewusst, dass wir uns intern und extern immer neu für die weitere Entwicklung qualifizieren müssen. Im Moment konzentrieren wir uns darauf, Talente für die neuen Gebäude zu finden.

Global gesehen investiert Google stets dort, wo qualitativ hochwertige Arbeit geleistet wird.

Grosse Firmen wie Swisscom beklagen sich, Google schnappe ihnen qualifizierte Arbeitskräfte weg. Teils sogar schon, bevor diese das Studium überhaupt abgeschlossen hätten. Gibt es nicht genügend qualifizierten Nachwuchs für alle?

Der Wettbewerb um qualifizierten Nachwuchs ist gross. Und wie gesagt wünschen wir uns mehr junge Talente aus der Schweiz in den MINT-Fächern. Wir können alle helfen, indem wir unsere Kinder und Göttikinder – vor allem auch junge Frauen – für diese Fächer begeistern. Wir müssen ihnen erklären, wobei sie uns mit Lösungsansätzen helfen können: Energie, Umwelt, Mobilität, Gesundheit, Bildung und vielen anderen Themen.

Wie viele Bewerbungen erhalten Sie durchschnittlich auf eine ausgeschriebene Stelle?

Es sind sicherlich einige. Aber für uns ist nicht unbedingt die Masse entscheidend. Wir glauben, dass ein Kandidat nicht nur vom Skill-Set der meist Qualifizierteste sein sollte, sondern dass die Person auch zu unserer Unternehmenskultur passen muss. Wir benötigen vielfältige Talente, um unsere Unternehmensziele erreichen zu können. Die Zusammenarbeit einer Vielzahl von intellektuell und kulturell vielfältigen, zukunftsorientierten Menschen ist dabei ganz entscheidend. Um auch in Zukunft erfolgreich zu sein, zu wachsen und innovativ zu bleiben, sind wir auf den Beitrag von Googlern aus vielen Kulturen und mit unterschiedlicher Herkunft angewiesen.

Google Schweiz bildet seit 2018 Informatiklehrlinge aus. Zusätzlich sind Sie an der Universität und ETH Zürich Teil des «Advisory Boards». Können Sie so aktiv auf das Ausbildungswesen in der Schweiz Einfluss nehmen?

Ich freue mich, im Milizsystem der Schweiz ehrenamtlich Beiträge in verschiedenen Bereichen leisten zu können. Hervorragende Hochschulen sind zentraler Erfolgsfaktor für den Standort. Gleichzeitig bin ich etwas stolz, dass meine Kolleginnen, Kollegen und ich es geschafft haben, die Lehrlingsausbildung Applikationsentwicklung EFZ bei Google Schweiz einzuführen. Es braucht beides. Ich habe selber eine Lehre zu Beginn meiner Ausbildung absolviert.

Wo hat die Schweiz noch Verbesserungspotenzial?

Künstliche Intelligenz und Datenverschlüsselung müssen aus meiner Sicht zwei wichtige Forschungsschwerpunkte sein. In beiden Themen sollte sich die Schweiz das Ziel setzen, zur Weltspitze zu gehören und entsprechend investieren. Dabei ist die Schweiz prädestiniert, insbesondere in der Sicherheit und der Ethik beim Umgang mit Daten eine führende Rolle zu spielen. Dieser Fokus sollte weiter flankiert werden durch sehr gute Grundausbildung inklusive Medienkompetenz. In diesem Feld gib es noch sehr viel Nachholbedarf. Zu viele Menschen schützen sich nicht richtig und verwenden schwache Passwörter oder keine Zwei-Wege-Verschlüsselung für E-commerce und Email.

Als Gründungsmitglied von digitalswitzerland helfen Sie ausserdem mit, die Position der Schweiz als führenden «Innovation Hub» zu stärken. Welche Massnahmen wurden bisher diesbezüglich umgesetzt?

Es gibt bereits zahlreiche Erfolge in den ersten Jahren: Beispielsweise die zweimalige Durchführung des Digitaltags für die Bevölkerung in der ganzen Schweiz, MINT Camps für Jugendliche und mehr Risikokapital für Start-Ups durch Bootcamps, Invest und das Swiss Accelerator Network. Nicht zuletzt auch die Einführung der schweizweiten Suchmaschine «educationdigital.ch» mit mehreren hundert Bildungsangeboten im Bereich Digital von mehr als 70 Hochschulen und privaten Unternehmen, die somit grosse Transparenz im Bereich der Digitalen Bildung schafft. Und wir planen noch viel mehr dieses Jahr.

Wir glauben an eine sehr gute Zukunft des Standorts und investieren deshalb weiter in der Schweiz.

Was ist denn konkret geplant?

Wir planen als digitalswitzerland eine nationale Kampagne mit wichtigen Partnern zum Lebenslangen Lernen im zweiten Halbjahr 2019. Wir möchten einen grösseren Teil der Bevölkerung für mehr Weiterbildung aktivieren. Dazu wird es zahlreiche Partnerschaften geben. Ich bin überzeugt, dass dies erstens vielen Menschen helfen kann, weniger Sorge um den Arbeitsplatz zu haben und zweitens den Standort noch wettbewerbsfähiger machen wird. Zu diesem ThemaIch darf aktuell viele Gespräche führen und finde viel Unterstützung, um Kräfte über viele Organisationen zu bündeln. Ich bin sehr dankbar für die spannende Zusammenarbeit bei diesem wichtigen Thema, das den Standort nachhaltig weiter stärken kann. Zusätzlich werden wir in diesem Jahr Sommercamps für Jugendliche im Bereich der MINT-Fächer ausweiten, um mehr Nachwuchs in den Fächern zu finden, die in Zukunft noch wichtiger für viele Branchen werden.

Dieses Jahr wurde die Schweizer Google Cloud Region lanciert. Ist das ein weiteres Bekenntnis zum Standort?

Ja. Wir glauben an eine sehr gute Zukunft des Standorts und investieren deshalb weiter in der Schweiz. Allerdings steht auch die Schweiz als Standort im internationalen Wettbewerb und muss sich jedes Jahr neu in der Innovation beweisen. Dem tragen wir mit weiteren Investitionen Rechnung.

Amazon hat seit 2016 ebenfalls einen Sitz in Zürich. Würden Sie auch anderen Firmen einen (Entwicklungs-) Standort in der Schweiz empfehlen?

Sicher, Wir können den Standort sehr empfehlen und wir glauben, dass das Schweizer Ökosystem – inklusive KMU und Hochschulen – davon profitiert, wenn hier noch mehr Unternehmen Innovationen entwickeln.

Patrick Warnking, Country Director Google Schweiz

Seit 2011 ist Patrick Warnking Country Director Google Schweiz. Von 2007 bis 2010 hat er mehrere Teams für Medien, Games, Entertainment und Classified bei Google in Deutschland geleitet. Vor Google hat er zehn Jahre den Aufbau von Digital bei der KirchGruppe und bei ProSiebenSat1 Media AG begleitet – zuletzt als Commercial Director für Digital. Stationen der Ausbildung waren Bankkaufmann, Diplom-Kaufmann, Internationaler MBA in Berlin, Mailand, New York und Stanford Executive Program. Im Rahmen von Ausbildung und Job hat Patrick Warnking in Deutschland, USA, Italien und der Schweiz gelebt.

Bilder Google/Stéphanie Liphardt

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