Hierzulande ist man zu Recht stolz auf die Schweizer Landwirtschaft und ihre hochwertigen Erzeugnisse. Doch politisch wird der Agrarsektor regelmässig zum Zankapfel. Ein aktuelles Spannungsfeld entsteht etwa aus dem Anspruch, gleichzeitig biodivers und effizient zu sein. Die Digitalisierung könnte hierfür einen Lösungsansatz bieten.
Eine saftige Bergwiese, wiederkäuende Kühe und ein Senn, der das hohe Gras schneidet. So malerisch stellen sich viele Schweizerinnen und Schweizer die hiesige Landwirtschaft vor. Die Realität ist selbstverständlich anders: Viele Schweizer Bauernhöfe sind hochmoderne Produktionsbetriebe, die eine Vielzahl von Aufgaben erfüllen und nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten maximal-effizient geführt werden. Die Ansprüche an die Landwirtinnen und Landwirte sind dementsprechend hoch. Und trotzdem hat sich im vergangenen Jahr der Rückgang der Betriebe glücklicherweise abgeschwächt, wie der «Agrarbericht 2022» des Bundesamtes für Landwirtschaft zeigt.
Wie steht denn derzeit um die Schweizer Landwirtschaft? Konkrete Statistiken geben Aufschluss und gewähren einen Einblick: So hat hierzulande die Zahl der Betriebe mit einer Fläche von 5 bis 20 Hektaren um 2,8 Prozent abgenommen, während jene mit einer Fläche von über 30 Hektaren hingegen um 1,3 Prozent zugenommen haben. Der durchschnittliche Hof in der Schweiz erstreckt sich heute über eine Fläche von 21,3 Hektaren. Dem aktuellen Zeitgeist entsprechend steigt zudem die Anzahl der Biohöfe an: 2021 gab es 7670 Bio-Betriebe, ein Plus von 1,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Angebaut werden vermehrt Getreide, Raps und Sonnenblumen, während Zuckerrüben und Kartoffeln leicht zurückgehen. Der Milchkuhbestand wiederum hat sich nach einem mehrjährigen Rückgang annähernd stabilisiert. 2021 umfasste die landwirtschaftliche Nutzfläche (LN) 1,04 Millionen Hektaren (was knapp einem Viertel der gesamten Landesfläche entspricht). Davon waren fast zwei Drittel Naturwiesen und Weideland, auf 37 Prozent wurde Ackerbau betrieben.
Die Story hinter der Statistik
So viel zu den Zahlen und Fakten. Diese zeigen einen grundsätzlich stabilen Agrarsektor, können aber nicht die Herausforderungen abbilden, mit denen sich die Branche konfrontiert sieht. Eine Grundproblematik stellt die besondere Geografie des Landes dar, die mit ihren zahlreichen Bergregionen und Seen zu einer relativ kleinen Fläche von fruchtbarem Ackerland führt. Dadurch verschärfen sich aktuelle Herausforderungen wie der allgemein härter werdende Wettbewerb aufgrund der Globalisierung sowie der Liberalisierung der Märkte.
Hinzu kommen steigende Anforderungen im Bereich der Nachhaltigkeit: Die Erhaltung der Biodiversität, der Bodenqualität und der Wasserressourcen sind für die Landwirtschaft von entscheidender Bedeutung. Diese nachhaltigen Praktiken sind zwar erforderlich, um die langfristige Produktivität sicherzustellen, gleichzeitig ist aus dem Lager der Bäuerinnen und Bauern aber auch die Kritik zu hören, dass Direktzahlungen immer stärker an das Kriterium der Biodiversität gekoppelt werden. Dies verringere die landwirtschaftlichen Nutzflächen noch zusätzlich und führe damit indirekt zu einem geringeren Selbstversorgungsgrad. Diese Entwicklung sieht die Agrarbranche besonders kritisch, da der Ukrainekrieg die Lebensmittelimporte erschwert hat.
Die Botschaft des Landwirtschafts-sektors an die Politik ist klar: In Bern müsse man die Weichen neu stellen und das System der Direktzahlungen revidieren.
Die Botschaft des Landwirtschaftssektors an die Politik ist klar: In Bern müsse man die Weichen neu stellen und das System der Direktzahlungen revidieren. Dieses stammt noch aus den 90er-Jahren und hatte ursprünglich die Aufgabe, bestehende Preis-Differenzen auszugleichen. Doch heute seien die Direktzahlungen nicht mehr den aktuellen Gegebenheiten angemessen und an immer mehr Faktoren geknüpft, die nichts mit der direkten Produktion zu tun haben. Man müsse sich daher fragen, ob man in der Schweiz Selbstversorgung oder Biodiversität präferieren möchte.
Der digitale Hof in der Schweizer Landwirtschaft
Nebst den verschiedenen Herausforderungen sowie dem politischen Handlungsbedarf sieht die Landwirtschaftsbranche aber auch spannende Chancen für ihren Sektor. Grosses Potenzial bietet zum Beispiel die Digitalisierung. So kommen bereits heute autonome Fahrzeuge auf Feldern zum Einsatz, die dank GPS-Ortung und Kameratechnologie selbstständig Pflanzenschutzmittel verteilen können – punktuell und genau dort, wo es notwendig ist. Solche modernen Infrastrukturen sind zwar kostspielig, können aber durch das Plus an Effizienz merkliche Spareffekte bewirken. Dadurch wird auch das Problem der fehlenden Arbeitskräfte in der Landwirtschaft abgefedert. Auch beim Anbau müssten Landwirtinnen und -wirte innovativ und offen für neue Ansätze sein: So könne etwa der Anbau neuer Pflanzenkulturen attraktiv sein und die Produktion von Rohstoffen für die Herstellung von Fleischersatz biete ebenfalls interessante Optionen.
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