Die Schweizer Landwirtschaft ist ein wichtiges Fundament der hiesigen Lebensmittelindustrie. «Fokus» erklärt, was Schweizer Bauern und Bäuerinnen leisten und welche Bedeutung ihnen zukommt.
Zur Jahrtausendwende existierten gemäss Bundesamt für Statistik noch über 70 000 landwirtschaftliche Betriebe. Heute sind es noch knapp 49 000. Doch trotz sinkender Zahl hat die Landwirtschaft eine grosse Bedeutung für die Schweizer Lebensmittelversorgung. «Ungefähr 50 Prozent der Lebensmittel stammen aus der Schweizer Landwirtschaft. Die andere Hälfte wird aus dem Ausland importiert», erklärt Nadine Trottmann vom Schweizer Bauernverband. Diese Zahl zeigt besonders die Wichtigkeit der Schweizer Landwirtschaft auf.
Vielseitige Wichtigkeit der Landwirtschaft
«50 Prozent mag nach wenig Erscheinen, jedoch ist dies mit den natürlichen Produktionsbedingungen und der hohen Bevölkerungsdichte ins Verhältnis zu setzen», meint Trottmann. Im Vergleich zum Ausland steht Schweizer Bauern und Bäuerinnen gerade einmal ein Viertel Ackerfläche pro Person zur Verfügung. Dennoch leistet die Schweizer Landwirtschaft Grosses: Lebensmittelproduktion, Pflege von Kulturland, Förderung der Biodiversität und Schaffung von Arbeitsplätzen. «Auch der Bund weiss um die Wichtigkeit der Landwirtschaft und hat diese während der Coronapandemie unterstrichen, indem er sie als systemrelevant einstufte», fügt Trottmann hinzu.
Selbstversorgungsgrad
Einen wichtigen Beitrag leistet die Landwirtschaft zudem zur Versorgungssicherheit. Sie sorgen gemäss Agrarbericht 2022 für einen Selbstversorgungsgrad von circa 50 Prozent in der Schweiz. Dieser zeigt, in welchem Umfang die Schweizer Bevölkerung mit inländischen Produkten versorgt ist. Es wird dabei zwischen dem Selbstversorgungsgrad brutto und netto unterschieden. Brutto beinhaltet die Inlandproduktion und netto abzüglich importierter Futtermittel für Tiere.
Ein hoher Selbstversorgungsgrad stellt für die Schweiz eine gewisse Sicherheit dar. «In unseren Augen sollte die Schweizer Produktion im Zusammenhang mit der Versorgungssicherheit im Zentrum stehen», unterstreicht Trottmann: «Als Grasland haben wir in der Schweiz besonders für die Haltung von Wiederkäuern gute Produktionsbedingungen. Entsprechend hat man bei den tierischen Produkten eine hohe Selbstversorgung.» Der Selbstversorgungsgrad von 50 Prozent verdeutlicht jedoch ebenfalls, dass Importe und damit auch stabile Handelsbeziehungen von grosser Wichtigkeit für die Versorgungssicherheit sind.
Technologischer Fortschritt in der Landwirtschaft
Im gesamten landwirtschaftlichen Sektor spielt die Technologisierung und Digitalisierung eine wichtige Rolle. Der Einfluss dabei ist enorm und einiges hat sich verändert, wie Trottmann aufzeigt: «Fahrzeuge wie Traktoren, Säh- oder Sortiermaschinen, Melkroboter, Wetterprognoseapps oder Sensoren zur Überwachung der Bodenfeuchtigkeit sind nicht mehr wegzudenken und kommen in irgendeiner Form auf jedem Betrieb zur Anwendung.» Durch die gesteigerte Effizienz wird einerseits ressourcenschonender gearbeitet und andererseits konnten die Erträge verbessert werden.
Schutz der Umwelt
Aufgrund der Effizienzsteigerung wurde in der Landwirtschaft im Zuge der sogenannten Grünen Revolution ab Mitte des 20. Jahrhunderts mehr Dünger- und Pflanzenmittel eingesetzt: «Anfangs war man sich ökologische Auswirkungen von solchen Mitteln noch nicht bewusst, heute weiss man es besser», erklärt Trottmann. Der landwirtschaftliche Sektor ist deshalb heute sehr darum bemüht, auf Natur und Umwelt zu achten und dies in hohem Mass, wie Trottmann ausführt: «Gemäss gesetzlicher Regelung müssen sieben Prozent der landwirtschaftlichen Flächen zur Biodiversitätsförderung aufgewendet werden. Diese Vorschrift haben Bauern und Bäuerinnen fast um das Dreifache übertroffen, indem sie 20 Prozent der Flächen zur Biodiversität aufwenden.»
Zudem tragen Bauern und Bäuerinnen dem Umweltschutz mit Leistungen wie das Schützen der Produktionsgrundlagen wie Boden, Gewässer und Atmosphäre, die Pflege von Kulturland und die Förderung von Biodiversität bei. Auch der ökologische Fussabdruck spricht für die Landwirtschaft. Dieser stammt nämlich gemäss Bundesamt für Statistik zu rund 70 Prozent vom Import und nur zu knapp 30 Prozent aus der inländischen Produktion.
Die Schweizer Bauern und Bäuerinnen tragen dem Umweltschutz bei.
Direktvermarktung als Lösung
Die Landwirtschaft ist in eine lange Wertschöpfungskette eingebettet, bis das fertige Produkte bei der Schweizer Bevölkerung auf dem Esstisch landet. In dem Prozess ist die Landwirtschaft vor einige Herausforderungen gestellt: «Viele Landwirtschaftsbetriebe stehen wenigen Abnehmer:innen gegenüber, was schlussendlich dazu führt, dass gerade einmal ein Drittel der Wertschöpfung in die Landwirtschaft selbst zurückfliesst», erklärt Trottmann. Dabei kann die Direktvermarktung Abhilfe schaffen. Diese bringt Produzent:in und Konsument:in näher zusammen und fördert einen intensiveren Austausch. «Schweizweit bieten etwa 26 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe Direktvermarktung an, wo es vor über zehn Jahren erst halb so viele waren», berichtet Trottmann.
Bedeutsamkeit für das Schweizer Volk
Heute arbeiten knapp 150 000 Beschäftigte in der Landwirtschaft, was gerade einmal 2,3 Prozent aller Erwerbstätigen in der Schweiz ausmacht, wie das Bundesamt für Statistik in der landwirtschaftlichen Strukturerhebung für das Jahr 2022 aufzeigt. Vor 20 Jahren waren es noch 3,9 Prozent. Und doch ist die Landwirtschaft essenziell, besonders im ländlichen Raum, wie Trottmann ebenfalls unterstreicht: «Dort leistet sie einen wichtigen Beitrag zur dezentralen Besiedelung und trägt unter anderem dem Erhalt der öffentlichen Infrastruktur wie Schulen oder dem öffentlichen Verkehr bei.»
Auch die Schweizer Bevölkerung steht hinter der Landwirtschaft und sieht deren Wichtigkeit, wie der Agrarbericht 2022 zeigt. Trottmann weiss die Unterstützung der Bevölkerung zu schätzen: «Es ist sehr erfreulich zu sehen, dass die Bauern und Bäuerinnen bei der Schweizer Bevölkerung Vertrauen und ein gutes Image geniessen.»
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