Die Verrentungswelle läuft. Bis 2036 werden 19,5 Millionen Babyboomer aus dem deutschen Arbeitsmarkt ausscheiden. Einen Teil soll die Generation Z mit Jahrgängen ab 1997 ersetzen. Doch die favorisiert zeitweilige Beschäftigung. Der 44-jährige Oliver Kremer hat schon vor Jahren eine Personalvermittlung aufgebaut, die sogenannte Freelancer vermittelt. K-Recruiting hat inzwischen 33 000 Spezialistinnen und Spezialisten in seiner Datenbank. Kremer beschäftigt 50 Mitarbeitende in München, Zürich und San Diego. Das Unternehmen arbeitet für das »Who is Who« der Pharma-, Biotech- und Medizintechnikbranche.

Oliver Kremer
Founder & CEO
Herr Kremer, die Babyboomer gehen millionenfach in Rente und die Generation Z will flexibler und selbstbestimmter arbeiten, Stichwort Work-Life-Balance. Schlecht für die Unternehmen, die Fachkräfte brauchen, und gut für Sie als Vermittler für Freelancer?
In der Tat, die Wirtschaft steht vor großen Herausforderungen beim Thema Fachkräfte. Beispiel Corona: BioNTech wollte schnell einen Impfstoff entwickeln und auf den Markt bringen. Wir haben ihnen 40 hoch qualifizierte Spezialistinnen und Spezialisten vermittelt. BioNTech hat das Rennen so gewonnen – und sich bei uns dafür bedankt. In den USA sind hybride Arbeitsmodelle schon normal, also die Kombination von Festangestellten und Freelancern. Und die Demografie in Deutschland wird zwangsweise dazu führen, dass Projektprofis immer relevanter werden. Denn KI wird das Fachkräfteproblem nicht gänzlich lösen.
Untersuchungen zeigen, dass sich Freelancer oft besser weiterbilden, frische Ideen und neue Perspektiven mitbringen. Warum haben deutsche Unternehmen dann immer noch Vorbehalte?
Unternehmen denken und arbeiten oft noch traditionell. Dazu kommt, dass die Arbeitsmarktpolitik Festanstellungen priorisiert. Dabei belegen Studien, dass Freelancer motivierter und engagierter sind und Unternehmen mit einem Mix aus Freelancern und Festangestellten viel innovativer und erfolgreicher sein können, was zu ihrer Zukunftssicherung beiträgt.
Sie verschweigen, dass das Problem der Scheinselbstständigkeit existiert. Haben Unternehmen Angst, in das Fahrwasser der »Grauzonen«-Beschäftigung zu kommen?
Wir hatten als Personalvermittler in den letzten 16 Jahren nachweislich noch keinen einzigen Fall von Scheinselbstständigkeit. Auch weil wir uns mit der Compliance auskennen. Aber es gibt Unsicherheit und dazu werden noch Ängste geschürt. In anderen Ländern ist die Arbeitsmarktpolitik viel pragmatischer. In Holland veröffentlicht das Finanzamt für Unternehmen Musterverträge für selbstständige Arbeitsverhältnisse. Das schafft mehr Sicherheit für alle Beteiligten und ist effektiv.
Die Gen Z betrachtet ihre berufliche Laufbahn als eine Serie von Erfahrungen und Lernmöglichkeiten, anstatt sich langfristig an einen Arbeitgeber zu binden. Wird Job-Hopping das Damoklesschwert für normale Arbeitsverhältnisse?
Wenn ich den Statistiken glaube, dann haben wir eine durchschnittliche Fluktuationsrate von 30 Prozent bei Festangestellten. Job-Hopping ist also längst Teil des Systems, vielleicht auch wegen vieler unzufriedener Festangestellter. Aber Festanstellung wird nicht aussterben. Die Zahl von Freelancern wird jedoch steigen. Und die haben andere Werte. Selbstbestimmt, unabhängig, sinnbestimmt. Darauf müssen sich Unternehmen einrichten, aktuell auch auf der Suche nach fachlichem Know-how im Bereich KI. Und dass Projektarbeit bei der Einführung neuer Produkte und Services immer wichtiger wird.
Digitale Plattformen zur Auftragsvermittlung sind Ihre direkte Konkurrenz als Personalvermittler. Ist Ihr eigenes Modell da überhaupt noch zukunftsfähig?
Wir vermitteln Menschen, deren Können, menschliche Skills und Referenzen wir auch wirklich kennen. Und nur mit Vermittlungskompetenz und emotionalem Engagement werden sie auch in Zukunft die richtigen Freelancer zu den richtigen Unternehmen bringen.
Weitere Informationen unter k-recruiting.com

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