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Mein Kind hat Flugangst – was nun?

22.01.2020
von Fatima Di Pane

Eine Flugreise mit Kind und Kegel ist immer eine stressige Angelegenheit. Wenn ein Kind jedoch an Flugangst leidet, sind die Eltern mit zusätzlichen Problemen konfrontiert. Maria Bratsos, Psychologin am IAP Institut für Angewandte Psychologie der ZHAW, weiss Rat im Umgang mit der Flugangst des eigenen Kindes.

Maria Bratsos, stellen Sie sich folgende Situation vor: Voller Freude erzählt man dem Kind von der gebuchten Ferienreise. Anstelle von Freude schlägt einem jedoch Angst vor dem Fliegen entgegen. Wie reagiert man?

Die Angst des Kindes sollte man auf jeden Fall ernst nehmen und behutsam darauf eingehen. Dabei ist es wichtig, die Angst weder zu dramatisieren noch sie zu bagatellisieren oder herunterzuspielen. Konkret können Eltern auf die Angstäusserung des Kindes eingehen, indem sie nachfragen, welche Gedanken, Bilder, Vorstellungen oder Befürchtungen das Kind mit dem Fliegen verknüpft. Dabei ist es wichtig, das Alter des Kindes zu berücksichtigen und eine kindgerechte Sprache zu verwenden. Welche Anteile der Flugreise sind mit Angst besetzt? Welche Vorstellungen gehen damit einher? Wurden im Fernsehen oder in der Schule Bilder oder Erzählungen eines Flugzeugabsturzes aufgeschnappt? Es gibt viele Gründe weshalb Ihr Kind sich vor der Flugreise fürchtet. Nehmen Sie sich Zeit, setzen Sie sich mit Ihrem Kind zusammen und besprechen Sie das Thema in Ruhe. Dadurch vermitteln Sie Ihrem Kind Nähe und Sicherheit und signalisieren mit Ihrem Verhalten, dass Sie die Befürchtungen Ihres Kindes ernst nehmen.

Was kann man vorgängig tun, um die Angst zu lindern?

Eine Möglichkeit besteht darin, das Kind in die Planung des Reisetages miteinzubeziehen und den Tagesablauf vorgängig gemeinsam durchzugehen. Passen Sie dabei den Detaillierungsgrad den Bedürfnissen Ihres Kindes an: Kinder unterscheiden sich darin, welches Ausmass an Informationen sie benötigen, um sich emotional für eine bevorstehende Situation wappnen zu können. Lassen Sie sich am besten von den Fragen und Bemerkungen Ihres Kindes leiten.

Ebenfalls kann es hilfreich sein, zusammen mit dem Kind einen Notfallplan zu erarbeiten – sprich, eine Strategie, welche bei akuter Angst während des Flugs umgesetzt werden könnte.

Welche Strategien schlagen Sie vor?

Gibt es ein Spielzeug oder Stofftier, welches Ihrem Kind besonders viel Sicherheit vermittelt? Was tun Sie als Eltern Zuhause, wenn Ihr Kind Angst hat oder sich nicht wohl fühlt? Oder haben Sie ein bestimmtes Ritual, welches jeweils zum Einsatz kommt? Gibt es Geschichten oder Lieder, welche auf Ihr Kind beruhigend wirken? Nutzen Sie diese Hilfsmittel unbedingt ebenfalls für die Reise. Nehmen Sie das Lieblingsspielzeug oder Bilderbuch mit, damit Sie es griffbereit haben. Überlegen Sie zusammen mit Ihrem Kind, was Ihrer Tochter oder Ihrem Sohn im Moment der Angst helfen könnte und erstellen Sie einen gemeinsamen Plan. Diesen können Sie sogar bildlich oder schriftlich darstellen und gemeinsam gestalten, um ihn als tatsächlichen Notfallplan bei der Reise dabeizuhaben.

Turbulenzen während des Fluges verängstigen das Kind. Was kann man tun, um das Kind zu beruhigen?

Als erstes ist es wichtig, selbst Ruhe zu bewahren. Denn besonders junge Kinder orientieren sich stark an den Reaktionen der Eltern und nehmen diese als Anhaltspunkt für ihr eigenes Verhalten. Angenommen, Ihr Kind erschrickt durch die erlebten Turbulenzen und wendet sich Ihnen hilfesuchend zu: Sieht es einen angstbesetzten Gesichtsausdruck und womöglich hastige Bewegungen, wird dies die Angst noch verstärken. Strahlen Sie jedoch durch ihren Blick und Ihre Körperhaltung Ruhe aus, wird dies allein bereits dazu beitragen, dass sich Ihr Kind etwas entspannen kann. Nehmen Sie Ihr Kind allenfalls in den Arm, spenden Sie Sicherheit durch Ihre Berührung oder durch sanfte Worte, ohne jedoch die Angst wegzureden oder ihrem Kind absprechen zu wollen.

Und dann?

Ist der erste Schreck erst mal vorüber, können Sie zusammen mit Ihrem Kind den vorbereiteten Notfallplan zu Rate ziehen und zusammen entscheiden, welches Hilfsmittel es aktuell braucht. Diese Erfahrung vermittelt Ihrem Kind die Gewissheit, dass sein ganz individuelles Angsterlebnis seine Berechtigung hat, jedoch mit Ihrer Hilfe reguliert und normalisiert werden kann. Ausserdem erfährt Ihr Kind Kontrolle und Selbstwirksamkeit, indem es die eingangs zusammen erarbeiteten Notfallstrategien selbst wählen und mitsteuern kann.

Mutter und Tochter in einem Flugzeug

Wie bereiten sich die Eltern auf eine Reise mit einem verängstigten Kind vor?

Um als Eltern während des Fluges selbst Ruhe zu bewahren und die Aufmerksamkeit auf das ängstliche Kind richten zu können, ist es hilfreich, sich im Vorfeld der Reise mit Ihren eigenen Ängsten und Sorgen auseinanderzusetzen. Ist Flugangst für Sie ebenfalls kein Fremdwort? Und wie gehen Sie selbst mit dieser Angst um? Sind Sie unsicher, ob Sie sich zutrauen, Ihr Kind in kritischen Momenten zu beruhigen? Nehmen Sie die Unterstützung Ihres Partners/Ihrer Partnerin in Anspruch und besprechen Sie gemeinsam, wer die Unterstützung Ihres Kindes im Ernstfall übernehmen kann. Können Sie im Umgang mit Ihrer eigenen Angst Ihrem Kind ein Vorbild sein, ist bereits vieles gewonnen.

Mehrere Stellen bieten Flugangst-Seminare für Kinder an. Sind diese sinnvoll?

Gemäss Onlinerecherche enthalten die Seminar-Einheiten der verschiedenen Anbieter ähnliche Inhalte: Informationen und Bewältigungsstrategien zu Angst im Allgemeinen, Entspannungstechniken, eine Flugzeugbesichtigung sowie die Vermittlung von technischem Wissen über ein Flugzeug und über das Fliegen.

Denn besonders junge Kinder orientieren sich stark an den Reaktionen der Eltern und nehmen diese als Anhaltspunkt für ihr eigenes Verhalten.

Ein Vorteil eines solchen Seminars besteht sicherlich darin, dass sowohl Kinder als auch Eltern von denselben Wissensinhalten profitieren können und sie von erfahrenen Fachpersonen vermittelt werden.

Worauf muss man bei der Wahl eines geeigneten Flugangst-Seminars achten?

Falls sich Eltern und Kind für den gemeinsamen Besuch eines Flugangst-Seminars entscheiden, sollten folgende Kriterien beachtet werden: Die Informationsinhalte müssen auf Kinder eines ähnlichen Entwicklungsstandes abgestimmt sein, also für Kinder in ähnlichem Alter. Je breiter die angebotene Altersspanne, desto grösser das Risiko, dass insbesondere sehr junge Kinder von den gemeinsamen Informationsinhalten überfordert sein könnten.

Wer ist dazu qualifiziert, solche Seminare zu leiten?

Man sollte darauf achten, dass Seitens der Anbieter nicht nur vage von sogenannten «Experten» die Rede ist, sondern die jeweilige Berufsbezeichnung der Seminarleitenden explizit genannt wird, beispielsweise Psychologe/-in oder Pilot/-in. Ebenfalls sollte das gesamte Kursprogramm vorgängig in detaillierter Form transparent gemacht und öffentlich zugänglich sein. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, könnten betroffene Kinder und deren Eltern durchaus von einem solchen Flugangst-Seminar profitieren. Einen Wermutstropfen gilt es jedoch noch zu nennen: Die Preise sind nicht ganz ohne.

Text Fatima Di Pane

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