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Erziehung Familie Kinder

Wieso die Handynutzung der Eltern den Kindern schadet

22.02.2020
von Flavia Ulrich

Es gibt zahlreiche Artikel über die korrekte Benutzung des Smartphones bei Kindern. Aber auch junge Eltern müssen lernen, richtig damit umzugehen, denn die Ablenkung durch das Mobiltelefon kann beim Kind schlimmstenfalls zu Entwicklungsstörungen führen.

Das Smartphone begleitet die Menschen tagtäglich. Sei es zur digitalen Kommunikation, um sich zu informieren oder zur sinnlosen Ablenkung vom Alltag. Das Handy wird inzwischen pro Tag durchschnittlich zwei bis drei Stunden lang benutzt. Nicht nur Kindern und Jugendlichen sollte man den Umgang damit erklären und die Benutzung regulieren – Eltern müssen sich selbst genauso an der Nase nehmen.

Mediennutzung will gelernt sein

Zumeist liest man über den richtigen Umgang der Kinder mit dem Mobiltelefon. Das Aufwachsen mit dem Handy ist heutzutage jedoch normal und wird mit der fortlaufenden Digitalisierung ein immer wichtigeres Thema. Laut einer Studie der ZHAW über die Mediennutzung bei Kindern in der Schweiz besitzen bereits rund 25 Prozent der befragten Sechs- bis Siebenjährigen ein eigenes Smartphone. Sie benutzen die Geräte um Spiele zu spielen, Videos zu schauen, Nachrichten zu schreiben und im Internet zu surfen. Damit die Nutzung dennoch im Rahmen bleibt, müssen Eltern Regeln aufstellen. Sie sollten Benutzungszeiten vereinbaren und Kinder auf gefährliche Inhalte sensibilisieren.

Rollenwechsel

Doch nicht nur Kinder sollte man über die Benutzung des Smartphones aufklären, sondern auch für Eltern ist der richtige Umgang ein immer wichtiger werdendes Thema. Denn junge Eltern finden sich in einer völlig neuen Rolle und müssen das Elternsein zuerst erlernen. Während man früher E-Mails gelesen und Inhalte auf soziale Medien betrachtet hat, benötigt jetzt das Kind die volle Aufmerksamkeit. Eltern zu sein ist fordernd und eine Vollzeitbeschäftigung: Vor allem frischgebackene Mütter fühlen sich oft isoliert und von der Aussenwelt abgeschnitten. Das Handy hilft gegen dieses Gefühl, indem es mithilfe von sozialen Medien oder Nachrichtenapps die Kommunikation mit Freunden und Bekannten ermöglicht.

Die Psychologin Sharmila Egger ist mit digitalen Medien vertraut und klärt Eltern und Kinder über die sichere und gewinnbringende Mediennutzung auf. Sie sagt, dass Kinder oft mehr von ihren Eltern mitnehmen, als man denke. Dementsprechend sei der erste Schritt, dass sie ein gutes Vorbild hätten. Dem müssen sich die Eltern bewusst werden.

Auswirkungen auf das Kind

Wenn die Eltern ihr Mobiltelefon häufig benutzen und die Aufmerksamkeit dem Bildschirm statt dem Kind zuwenden, leidet die Beziehung zwischen Kind und Bezugsperson darunter. Vor allem bei Babys und Kleinkindern wirkt sich dieses fehlende Augenmerk stark auf die Bindung aus. Der US-Forscher Edward Tronick fand durch das «Still-Face»-Experiment heraus, dass sich die fehlende Interaktion zwischen Mutter und Baby auf dessen Gemütszustand auswirkt und die Verletzlichkeit stärkt (siehe Infobox). Einfach gesagt: Das Baby leidet unter der fehlenden Aufmerksamkeit der Mutter.

Der US-Forscher Edward Tronick fand durch das «Still-Face»-Experiment heraus, dass sich die fehlende Interaktion zwischen Mutter und Baby auf dessen Gemütszustand auswirkt und die Verletzlichkeit stärkt.

Familienberaterin und Elterncoach Caroline Märki setzt sich in ihrer Arbeit mit Familienbeziehungen auseinander, und wie diese gestaltet und gestärkt werden können. Sie sagt: «Nur schon ein kurzer Blick aufs Handy ist ein Kontaktunterbruch. Die Message, die die Eltern gerade gelesen haben, kann ihre Gedanken einnehmen und somit sind sie schnell mal abgelenkt und nicht mehr innig mit dem Kind verbunden.» Wird ein Kleinkind für längere Zeit aufgrund des Smartphones emotional vernachlässigt, können sich Bindungsstörungen entwickeln, die sich durch das ganze Leben ziehen.

Beziehungskiller Smartphone

Nicht ausser Acht lassen sollte man ausserdem die Auswirkungen von Smartphones auf Familienbeziehungen . Caroline Märki sieht das Handy vor allem zu Hause als Hindernis: «Wenn jeder immer wieder einen Blick darauf wirft, dann kann ein Ernst nehmen, ein echtes Zuhören und das in Kontakt bleiben darunter leiden.» Sharmila Egger erkennt aber auch einfache Vorteile in den Familienalltagen: Der Fahrdienst werde über Gruppenchats organisiert, für Familiengeschenke werde in der Verwandtschaft über Bezahlapps Geld gesammelt und der Familienkalender sei oft nicht mehr am Kühlschrank, sondern in einer App.

Handy-Benutzung will gelernt sein

Um folglich als Eltern gegenüber der Kinder eine Vorbildfunktion einzunehmen, sollte man ganz einfache Regeln aufstellen. Neben dem Definieren von medienfreien Zeiten für die ganze Familie empfiehlt Sharmila Egger unnötige Pushbenachrichtigungen zu deaktivieren, Offline-Hobbys zu pflegen und wenn möglich keine Geschäftsmails auf dem privaten Handy zu lesen.

Das Nichtstun wieder einführen

Das Mobiltelefon sollte man jedoch nicht verteufeln, denn es gehört mittlerweile zu unserer Gesellschaft dazu und vereinfacht unser Leben. Auch Eltern brauchen im Alltag gewisse Auszeiten und Unterhaltung. Das Smartphone hilft ausserdem bei der Pflege von sozialen Kontakten. Laut Caroline Märki sollte sich das Nichtstun wieder etablieren. Kaum müsse man einige Minuten warten, greife man zum Handy. «Diese wertvollen freien Minuten, welche zum Reflektieren und Nachfühlen genutzt werden könnten, gehen dadurch verloren. Immer kommt ein äusserer Reiz und der Fokus ist nur selten bei sich und seinen Gedanken und Gefühlen», sagt sie.

Wie funktioniert das «Still-Face»-Experiment?

Das «Still-Face»-Experiment ist in drei Phasen gegliedert, die jeweils rund drei Minuten andauern:

1. Phase: Die Mutter und das Baby interagieren spielerisch und liebevoll miteinander. Das Baby sitzt währenddessen in einem Kindersitz und darf nicht ge- aber dafür umso mehr unterhalten werden. Es lächelt, freut sich und ist aufgeregt.

2. Phase: Die Mutter schaut das Baby danach mit einem stillen Gesicht an. Sie darf nicht auf die Kontaktversuche des Babys reagieren. Zuerst bleibt das Baby fröhlich: Es steckt die Arme nach der Mutter aus und lächelt. Je länger diese zweite Phase andauert, desto verwirrter und trauriger wird das Baby. Ganz am Schluss zieht es sich zurück, schaut auf die Füsse oder fängt an zu weinen.

3. Phase: In dieser abschliessenden Phase kommt es wieder zu einer Annäherung zwischen der Mutter und dem Baby. Es ist ihr wieder erlaubt es anzulächeln und auf die Mimiken und Gestiken zu reagieren.

Nicht nur für die Babys stellt dieses Experiment eine Belastung ihrer Gefühlswelt dar, sondern die Mütter fühlen sich von ihnen weggerissen und traurig. Durch diesen Versuch realisieren sie jedoch auch, wie fest sie gebraucht werden und wie stark die Mutter-Kind-Beziehung ist. Dies hilft auch in der Rolle als Mutter zu wachsen und sich weiterzuentwickeln.

Text Flavia Ulrich

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