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Karriere IT Interview

Bracken Darrell: «Von der Vergangenheit zählt, was wir daraus lernen»

30.10.2020
von Fatima Di Pane

2013 übernahm Bracken Darrell bei Logitech das Ruder. Der US-Amerikaner erzählt vom Wert der Ehrlichkeit und wie Kunst sein Denken beeinflusst. 

Herr Bracken Darrell, während der Coronakrise explodierte die Nachfrage nach Logitech-Produkten in der Sparte des Videokonferenzmaterials. Wie sind Sie mit dieser Situation umgegangen?

Bracken Darrell

Bereits vor der Pandemie hatten wir uns so
aufgestellt, dass wir die vier Haupttrends abdecken können; dazu gehören die
Videokollaboration, unterwegs Arbeiten, E-Sports sowie die Demokratisierung der
Contenterstellung.

Dies war langfristig angelegt und trieb schon vor der Pandemie das Wachstum des Unternehmens an. Im Januar und Februar kamen unsere Produktionsstätten sowie die unserer Zulieferer in Asien wegen Covid-19 völlig zum Erliegen.  Wir erholten uns schliesslich schnell von dem dreiwöchigen Stillstand. Wir haben dann wieder Vollgas in unserer Produktion gegeben und haben in wichtigen Kategorien den Bedarf aufgeholt. Unsere hervorragenden Teams ermöglichten diese zügige Erholung.

 

Im Januar und Februar kamen unsere Produktionsstätten sowie die unserer Zulieferer in Asien wegen Covid-19 völlig zum Erliegen. Bracken Darrell

Sie bitten in bestimmten Abständen um ungefiltertes Feedback von Ihren neuen Mitarbeitenden. An welche Art von Feedback erinnern Sie sich besonders?

Ich bitte in vielerlei Hinsicht um Feedback. Ich frage vor allem neue Mitarbeiter nach Feedback, weil diese den Vorteil haben, noch nicht zu viel zu wissen und damit eher unvoreingenommen sind. Wir versuchen, das «Speaking-up» zu einem Teil unserer Kultur zu machen.

An ein Feedback erinnere ich mich dabei besonders gut. Ich möchte kleine sowie grosse Ideen fördern. Eine unserer neuen Mitarbeiterinnen schlug mir vor, draussen Möbel zu installieren, damit sich Mitarbeitende dort treffen können. Ein paar Wochen später taten wir dies dann. Das gefällt mir, weil es ein Beispiel für den «Vorteil des Neuankömmlings» ist, Dinge zu sehen, die intuitiv und gute Ideen sind, die uns aber nicht mehr in den Sinn kommen, weil wir schon eine Weile da sind.

Zuletzt hörten wir von Mitarbeitenden, dass das Arbeitstempo im Lockdown zu Hause eine Herausforderung sei.  Wir haben kürzlich die Logi-Thanks-Feiertage (weltweit ein Tag pro Monat) eingeführt, um den zusätzlichen Aufwand zu würdigen sowie unseren Kollegen hoffentlich eine Pause zu verschaffen.  Wir sind auch dazu übergegangen, freitags keine Sitzungen abzuhalten, um den sehr arbeitsreichen Sitzungszyklus während der Pandemie etwas aufzulockern.

Wann ist Ehrlichkeit nicht angebracht?

Einer unserer Werte ist es, offen und authentisch zu sein. In letzter Zeit haben wir in Themen wie Umwelt und Gleichberechtigung ganz besonders auf Ehrlichkeit und Transparenz geachtet. Wir müssen uns der Realität stellen und extern sowie intern aufrichtig unseren Standpunkt kommunizieren, und mit mehr Dringlichkeit handeln.

Ich glaube, es gibt nicht viele Momente, in denen Ehrlichkeit nicht angebracht ist. Wenn jemand meine grosse, dank Basketball oft gebrochene, Nase nicht mag, muss ich das natürlich nicht unbedingt wissen. Aber würde ich jemanden fragen, ob sie meine Nase mögen, hätte ich dann schon gerne eine ehrliche Antwort. (lacht)

Ich glaube, es gibt nicht viele Momente, in denen Ehrlichkeit nicht angebracht ist. Bracken Darrell

Daniel Borel, Mitbegründer von Logitech, sagte: «Sie haben Logitech wieder relevant gemacht». Welche Emotionen weckt diese Aussage in Ihnen?

Die Gründer haben ein bemerkenswertes Unternehmen aufgebaut. Tausende Mitarbeitende haben mit dieser Basis gearbeitet. Logitech war immer relevant.

Es hat mir viel Spass gemacht, das Unternehmen und den Brand, den sie kreiert haben auf ein neues Level zu bringen. Ich bin stolz, so wie alle Mitarbeitende. Aber das stärkere Gefühl ist der Enthusiasmus für alles, was noch vor uns liegt. Wir sind schliesslich immer noch am Anfang der Geschichte.

2013 machte Logitech Verluste von 248 Millionen Franken. Nachdem Sie das Steuer übernahmen, hat sich das Blatt komplett gewendet. Auch im Q2 diesen Jahres sind die Umsätze erneut gestiegen. Worin sehen Sie die Gründe für diesen Erfolg?

Ich glaube, unsere starke Performance fusst auf drei Dingen: Erstens haben wir das Design. Wir stellen den User ins Zentrum der Experience.  Wir haben unsere Herangehensweise an Produkte neu erfunden, indem wir den Benutzer immer in den Mittelpunkt stellen und um ihn herum gestalten. Wir nennen sie zwar noch immer Produkte, doch eigentlich verkaufen wir Erlebnisse.

Zweitens sind wir dort, wo das Wachstum ist. Es ist schwer zu wachsen, wenn man sich nicht in wachsenden Kategorien befindet.

Es war von entscheidender Bedeutung, Wachstumstrends zu finden, bei deren Verstärkung wir helfen können und wo wir uns auch als Leader etablieren können.

Der letzte Punkt ist die Grösse. Es scheint ein so gesunder Menschenverstand zu sein, dass Unternehmen, wenn sie wachsen, Grossunternehmen werden müssen.  Wir sind jedoch geschrumpft und haben im Allgemeinen kleinere Teams gebildet.  Und ich glaube, wir haben dem Durchschnittsmenschen mehr Freiheit und Verantwortung gegeben, um zu schaffen sowie zu wachsen.  Wir wurden also effektiv in der Struktur kleiner, während unsere Einnahmen wuchsen.

Sie haben eine Zeit lang Kunst studiert. Können Sie aus dem Studium Nützliches für den Business-Alltag mitbringen?

Ich interessiere mich für so viele Dinge. Mein Kunststudium begann mit Gombrichs «The Story of Art» und führte mich dann in die heutige Kunstwelt. Ich habe mich sehr früh dazu entschieden, unsere Produkte als Teile der Weltkultur zu behandeln.

Ich habe meinen Assistenten beispielsweise damit beauftragt, die zehn ersten Produkte, die wir herstellen, aufzuheben, weil diese eines Tages ihren Platz in einem Museum finden werden. Ich glaube nicht wirklich daran, dass diese Dinge in einem Museum enden, aber ich setze meine Standards so hoch.

Mein Kunststudium begann mit Gombrichs «The Story of Art» und führte mich dann in die heutige Kunstwelt. Bracken Darrell

Sie sagen, dass Geld und Erfolg träge machen kann. Wie verhindern Sie es, selbst in die Trägheit zu rutschen?

Nicht das Geld oder der Erfolg machen träge, aber ich glaube das Konzept des Erfolgs ist nicht gut. Die Worte Erfolg und Versagen sollten aus dem Vokabular gestrichen werden; es sind Lern-Möglichkeiten.

Erfolg ist, was wir versuchen zu erreichen und wenn wir es dann haben, fürchten wir uns davor, es zu verlieren. Wir schützen es, hören auf, Risiken einzugehen und wollen unseren Ruf nicht verlieren.

Jeder Tag beginnt bei null. Von der Vergangenheit zählt nur, was wir folglich daraus lernen können. Mit dem Versagen ist es ähnlich: Es verleitet uns dazu, unsere Vergangenheit zu verurteilen, statt davon zu lernen.

Sie sind in bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen. Wie beeinflusst dies Ihr heutiges Leben?

Es hat mich nicht geldgierig gemacht, aber ich habe realisiert, dass der Hunger nach Verbesserung eine treibende Kraft sein kann. Geld ist ein Werkzeug, um zu Überleben und Veränderung zu erwirken. Ich erinnere mich gerne daran, wie ich damals am Küchentisch gemeinsam mit meinen Geschwistern und meiner Mutter die Hausaufgaben gemacht habe. Dadurch, dass ich die Aufgaben meiner Geschwister mitbekommen habe, konnte ich auch mehr lernen.

Sie glauben daran, dass E-Sport eines Tages olympisch sein wird. Worauf fusst diese Meinung? Spielen Sie selbst?

Ja, ich spiele selbst auch. Die Olympischen Spiele sind eine Bewegung, welche die besten einer Kategorie zusammenbringt, damit sie sich aneinander messen. Doch auch die Olympischen Spiele müssen sich erneuern und experimentieren, ansonsten verlieren sie an Relevanz. Das ist einfach so.

Aufgrund der grossen Beliebtheit wird E-Sports die nächste Generation zu den Olympischen Spielen bringen. Und für viele Menschen unter 30 sind E-Sports wichtiger, als jede andere existierende Olympische Sportart.

Sie setzen sich in jeder Sparte Ihres Lebens akribische Ziele. Warum? 

Ich hatte diese Idee damals in meinen Zwanzigern. Mir fiel damals auf, dass ich bei der Arbeit viele Tools zur Zielsetzung hatte, und diese auch stets nutzte. Wenn es jedoch um mein Privatleben, mein Leben als Vater, die Gesundheit oder um Hobbies ging, hatte ich viel weniger Zielsetzung oder Struktur.

Also begann ich damit, meine Werte zu definieren sowie mir lang-und kurzfristige Ziele in allen Bereichen meines Lebens zu setzen. Am Ende jedes Jahres beurteilte ich dann die Erfüllung meiner Ziele. Ich habe noch nie mehr als 68 Prozent erreicht, aber ich höre nie damit auf, nach 100 Prozent zu streben. Diese Vorgehensweise hat mein Leben um einiges strategischer gemacht.

Ich möchte für immer weiterarbeiten. Ich glaube an kontinuierliches Wachstum und Entwicklung, Neugierde sowie die Suche nach neuen Erfahrungen. Deshalb setze ich mir Ziele und verfolge sie, um zu versuchen, mich zu verbessern und zu wachsen und etwas zu schaffen.

Interview Fatima Di Pane

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