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Mobbing – wenn Gemeinheiten ausufern

02.11.2020
von Lars Meier

So vielfältig die Formen von Mobbing auch sein können – in jedem Fall verletzt Mobbing und zieht psychische Folgen nach sich. Was man dagegen unternehmen kann. 

Die Erfahrung, ausgeschlossen zu werden und nicht dazuzugehören, kennen so gut wie alle Jugendlichen. Doch was ist «nur» eine Gemeinheit und was bereits Mobbing? «Unter Mobbing versteht man, wenn eine oder mehrere Personen eine andere Person absichtlich und über eine längere Zeitdauer gezielt plagen beziehungsweise schikanieren», klärt Psychotherapeutin Ernesta von Holzen vom Jugendpsychologischen Dienst des Kantons Aargau auf. Konkret müsse das Verhalten mindestens einmal pro Woche und über mindestens drei Monate andauern, um als Mobbing gelten zu können.

Unter Mobbing versteht man, wenn eine oder mehrere Personen eine andere Person absichtlich und über eine längere Zeitdauer gezielt plagen beziehungsweise schikanieren Ernesta von Holzen

Über die Rolle der Gruppe

Gemäss der Expertin kann Mobbing allen widerfahren, wenn es die Gruppendynamik zulässt. «Mobber*innen sind meist beliebt. Sie wirken nach aussen sozial kompetent und können andere anführen», so Ernesta von Holzen. «Oft agieren sie im Hintergrund; das aggressive Verhalten führen andere aus.» Das Perfide: «Die meisten wissen, was läuft, aber sie unternehmen nichts dagegen, weil sie selbst nicht Opfer werden wollen», weiss die Expertin. Auch bei Leidtragenden lässt sich eine Gemeinsamkeit festmachen. Ernesta von Holzen fügt an: «Mobbingopfer sind unserer Erfahrung nach meistens Jugendliche mit einem geringen Selbstwertgefühl. Diese können nicht für sich einstehen und sich nicht wehren.»

Mobber*innen sind meist beliebt, wirken nach aussen sozial kompetent und können andere anführen Ernesta von Holzen

«Mobbing hat sehr viel mit Haltung zu tun»

Mobbing betrifft nicht nur Täter und Opfer. Auch Bezugspersonen wie Eltern und Lehrkräfte spielen dabei eine tragende Rolle. «Mobbing hat sehr viel mit Haltung zu tun», bekräftigt die Expertin. «Eine der besten Mobbingpräventionen ist, wenn die Schule und Lehrpersonen ganz klar die Haltung vertreten, dass Mobbing an ihrer Schule nicht toleriert wird und wenn sie beobachtete Unstimmigkeiten in der Klasse früh ansprechen.»

Mobbing betrifft nicht nur Täter und Opfer

Hilfe holen ist das A und O

Wer gemobbt wird, sollte sich Hilfe holen und sich anderen anvertrauen. «Betroffene sollten sich psychologisch und psychotherapeutisch unterstützen lassen, damit sie in dieser Situation nicht alleine sind», rät Ernesta von Holzen. Denn viele Opfer erzählten ihren Eltern nichts. Sie seien durch das Mobbing in der Regel isoliert. «Durch die Beratung kann die jugendliche Person ihr Selbstvertrauen wieder stärken und mit einer Fachperson für sich Strategien erarbeiten, wie sie mit dem Mobbing umgehen will.» Die meisten Kantone verfügen zudem über Jugendberatungsstellen. An diese können sich Jugendliche anonym wenden, da die Beratung kostenlos ist und die Beratungspersonen unter Schweigepflicht stehen. Niemand muss Mobbing also stumm über sich ergehen lassen – mit der richtigen Hilfe kann auch gegen diese Situation vorgegangen werden.

Einen weiterführenden Input gibt es hier – Thomas Brunner, Leiter Beratung bei Pro Juventute, verrät, inwiefern genau Gespräche in Problemsituationen helfen.

Text Lars Gabriel Meier

Eine Antwort zu “Mobbing – wenn Gemeinheiten ausufern”

  1. Boehnke, Nicole-Daniela sagt:

    Guten Tag.

    Da ich selbst Mobbingopfer in der Schule war, möchte ich erwähnen, dass selbst meine Eltern, meine Verwandtschaft, meine Lehrer und im Beruf meine Vorgesetzten und Chefs mich gemobbt haben. Es ist nur meiner Angst vorm Sterben zu verdanken, dass ich keinen Suizid beging. Wem, bitteschön, hätte ich mich damals anvertrauen sollen? Ich hatte das Gefühl, dass jede/r Einzelne von ihnen mir persönlich den Tod wünschen würde. Es war die Hölle. Als ich erwachsen wurde, verließ ich die Stadt. Anfangs erlebte ich immer wieder Mobbing. Die Situation änderte sich für mich, als ich zum 1. Mal in meinem Leben wahre Liebe und Mitgefühl von einer einzigen Person erfuhr. Das gab mir so einen Selbstwertschub, dass ich seitdem nie wieder gemobbt wurde! Was allerdings bis heute in mir blieb, ist eine gewisse Menschenscheu. Mein ganzes Leben hatte ich Angstzustände. Erst seit geringer Zeit bekomme ich keine Panikattacken mehr. Was ich damit sagen möchte: Es sind oft die eigenen Eltern, die ihr Kind so nieder machen, dass die Kinder quasi zum Gemobbt-werden aufgezogen werden.
    Wer Aufklärung zum Mobben betreibt, sollte auch ggf mit werdenden Eltern über ihr Verhalten im Leben mit ihrem Kind sprechen. Leider scheint mir allerdings, dass Mobbing zum Leben dazu gehört, weil es das auch in der Tierwelt gibt. Aus psychologischer Sicht kann ich Mobbing sogar nachvollziehen: da ist jemand, der oder die sich irgendwie seltsam verhält oder kleidet. Mit dem/der „stimmt was nicht“, der Urinstinkt sagt: “ Er/Sie könnte für die ganze Gruppe gefährlich werden, vielleicht durch eine Krankheit, die uns alle ausrotten wird.“ Also läuft anfangs unbewusst ein Programm in ihnen ab. Das bedeutet: Fort mit ihm/ihr! Und an diesem Punkt müsste man bei der Aufklärung ansetzen. Vielleicht darüber aufklären, warum dieser Mensch als komisch wahrgenommen wird, wie man sich daraufhin verhalten könnte. Vielleicht einen Film machen, wo zuerst zu sehen ist, dass ein Kind zuhause von der Familie drangsaliert wird, um Mitgefühl zu erzeugen.

    PS: Heutzutage habe ich Freunde, eine tolle Beziehung, ich werde auf der Arbeit gemocht, bin glücklich und dankbar.

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