Grossbauprojekte für die kommenden Generationen
Die Schweiz wächst dieses Jahr zur Neun-Millionen-Nation an. Gleichzeitig werden laut Bund jedes Jahr 10 000 Wohnungen zu wenig gebaut, um das Wachstum auszugleichen. Doch diese Not macht auch kreativ. Welche innovativen Grossbauprojekte wurden lanciert oder befinden sich derzeit im Bau, um diese Situation zu beheben?
Die Schweiz befindet sich derzeit in einer Zwickmühle: In den Medien wird über Wohnungsnot und Bevölkerungswachstum berichtet. Oft hört man in den Grossstädten von Wohnungsbesichtigungen, an denen mehr als 100 Mitbewerber:innen um die Wohnung buhlen. Dem gegenüber stehen jedoch grosse und attraktive Bauprojekte, die helfen sollen, der aktuellen Situation entgegenzuwirken. Vier davon werden folgend genauer betrachtet und haben alle eines gemeinsam: Sie nutzen ihre gewählten Baumaterialien und ihre architektonische Gestaltung auf innovative Art, um nicht nur Platz für Wohnungen, Geschäfte oder Veranstaltungen zu bieten, sondern auch um Umweltziele zu erreichen und sich auf natürliche Weise in ihre Umgebung zu integrieren.
Der älteste Werkstoff für modernes Arbeiten
Das «Innhub» im Engadin ist ein geplanter Co-Working-Space am Anfang des Dorfteils Chamues-ch. Es soll gleichzeitig ein Arbeits- und Entspannungsort für Einzelne, ganze Unternehmen oder gar Organisationen aus der ganzen Welt sein. Dadurch sollen sogenannte Arbeitstourist:innen ihren Weg in das kleine und idyllische Bergdorf finden und verweilen. Aus diesem Grund entstehen dort nicht bloss Büros und Konferenzräume, sondern unter anderem auch ein Café, Wohnungen und ein Medizin- sowie Sportzentrum. Überzeugen kann das «Innhub» aber nicht nur mit seinem neuartigen Konzept, sondern auch mit seiner einzigartigen Gestaltung, welches hauptsächlich auf das Naturmaterial Holz setzt. So kann eine natürliche Wärme im Raum erzeugt werden, die ein entspanntes, aber dennoch produktives Austauschen und Arbeiten ermöglicht.
Als weiterer Vorteil kann auf einen lokal erhältlichen Rohstoff für den Bau zurückgegriffen werden. Wer das «Innhub» für sich selbst bereits jetzt schon erleben will, kann dem kleineren Pop-up einen Besuch abstatten. Dieses fungiert als Vorgeschmack für das finale Projekt, das im Jahre 2025 fertiggestellt werden soll.
Ein Vorzeigeobjekt für Grossbauprojekte in der Messelandschaft
Die neue Festhalle Bern auf dem Bernexpo-Gelände soll 2025 seine Tore öffnen. Derzeit steht an seinem Platz noch die alte Halle aus dem Jahre 1948, die damals als Provisorium gebaut wurde. Die neue Festhalle überzeugt mit einer seinem baulichen Umfeld angepassten Architektur und soll ohne Einsatz fossiler Energieträger betrieben werden. Die zwei geschlossenen Hallen sind von bronzefarbenem Metall umhüllt.
Dieses ist leicht perforiert, um lichtdurchlässig zu bleiben und schimmert je nach Witterung und Tageszeit unterschiedlich. Verbunden werden sie durch eine überdachte Laube, die aus Weissbeton gebaut werden soll. So soll ein einladender und offener Raum entstehen, der zum Bleiben einlädt. Die Halle bietet Platz für Veranstaltungen mit bis zu 9000 Teilnehmenden und für Kongresse mit bis 1200 bis 3500 Personen. Besonderer Fokus wurde auch auf die das Messegelände umgebende Grünfläche gelegt. Diese bleibt nämlich erhalten und wird durch eine Dachbegrünung mit einheimischen Pflanzen erweitert. So wird sichergestellt, dass sich die neue Halle organisch in die bestehende Umgebung einfügt. Auch entspricht die neue Halle, im Gegensatz zur alten, den aktuellen Bauvorschriften in Bezug auf die Zugänglichkeit für Menschen mit eingeschränkter Mobilität. Unter dem Aspekt der Energieeffizienz bewertet, ist die neue Festhalle eine Vorreiterin in der Schweiz. Und wenn man die Wertschöpfungssteigerung betrachten will, rechnet eine Studie der Hochschule Luzern mit einer Erhöhung von 77 Millionen Franken durch den Bau der neuen Festhalle.
Eine ganze Gemeinde im Aufschwung
In der immer attraktiver werdenden und zentral gelegenen Gemeinde Cham entstehen gerade zwei sehr interessante Quartiere. Das Papieri-Areal und das Chama-Areal. Obwohl sie im Vergleich zueinander unterschiedliche Grössenverhältnisse vorweisen, basieren sie beide auf dem Grundgedanken der Nachhaltigkeit durch Innovation. Das Papieri-Areal ist das grössere der beiden. Auf dem Gelände der ehemaligen Papierfabrik Cham entstehen hier über zehn Jahre 1000 neue Wohnungen und genau so viele neue Arbeitsplätze.
Zum einen mit dem Bau von fünf neuen Hochhäusern, zum anderen mit der Sanierung der historischen Bauten. Die Neubauten setzen entweder auf Konstruktion mit Holz-Beton-Verbund oder auf Recyclingbeton. Bei den historischen Bauten soll ein Anteil von 25 Prozent der ehemaligen Gebäude der Papierfabrik bestehen bleiben und weiter genutzt werden. Das gesamte Areal ist am Schluss der sechs Bauetappen komplett CO2-emissionsfrei und besitzt einen in sich geschlossenen und gesteuerten Energiekreislauf. Dies zum einen durch die Totalsanierung des Flusskraftwerks, das zuvor die Fabrik mit Strom belieferte, zum anderen mithilfe von Fotovoltaikanlagen auf den Dächern. Auch beim Chama-Areal setzt man auf die Energie der Sonne, um für das Areal Strom zu produzieren. Auf den Dächern von vier sich aktuell im Bau befindlichen Gebäuden werden rund 800 m2 dieser Anlagen verbaut. Bis 2026 werden hier rund 280 Miet- und Eigentumswohnungen erstellt, die mit nachhaltigem Strom versorgt werden.
Wärme soll das Areal aus seinen Erdsonden beziehen, die im Winter Wärme gewinnen und im Sommer zur Klimatisierung eingesetzt werden sowie aus Fernwärme. Um die Mobilität von Bewohnerinnen und Anwohnenden jederzeit sicherzustellen, wird auf Sharing-Angebote gesetzt: Vom E-Auto bis zum E-Bike stehen Fortbewegungsmittel rund um die Uhr zur Verfügung. Und falls mal beim eigenen Velo etwas schiefgehen sollte, steht eine Fahrradwerkstatt zur Nutzung bereit, um zum Beispiel selbst die gerissene Fahrradkette zu reparieren. Die Kombination von modernen Technologien und innovativen Konzepten stösst auf Erfolg. Bei beiden Arealen sind ein Grossteil der bereits gebauten oder sich im Bau befindenden Wohnungen bereits vergeben.
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