Welche Herausforderungen erwarten die Bau- & Immobilienbranche zukünftig?
Fokus befragte Expert:innen aus jeglichen Bereichen des Bauzyklus.
Trends und die Anforderungen an Liegenschaften ändern stetig und beeinflussen die Investitionsentscheidungen. Digitalisierung, Mobilität und Nachhaltigkeit/ESG sind drei solcher Trends, welche die Gesellschaft und das gebaute Umfeld prägen und sich gegenseitig beeinflussen.
Die nachhaltige Realisierung und der Betrieb von Immobilien werden heute als Standard vorausgesetzt und sollen möglichst nichts kosten. Doch erstens setzt die Umsetzung von Energieoptimierung und Zirkularität die Datenverfügbarkeit voraus, die noch nicht gegeben ist. Zweitens ist ein nachhaltiger Gebäudepark nicht ohne zusätzliche Investitionen erreichbar. Diese sind nicht in allen Immobilienwerten vollumfänglich eingepreist und haben Werteinfluss. Und drittens muss die relative Renditeattraktivität von Immobilien verbessert werden, um das benötigte Investitionskapital zu beschaffen.
In diesem Zusammenhang sind auch die sozialen Aspekte zu beachten. Denn Investitionen in die Energieeffizienz bergen mitunter das Risiko von «Luxussanierungen» unter dem Deckmantel der Nachhaltigkeit. Dies hat Konsequenzen auf die Erschwinglichkeit mit Verdrängungseffekten in die Peripherie, was zusätzliche Pendlerströme zur Folge hat. Verdichtetes Bauen – z. B. durch Aufstockung – ist ein Ansatz, wobei technische Aspekte oder regulatorische Einschränkungen dies mitunter verunmöglichen.
Immobilien sind das grösste Investitionsgut unseres Landes. Polemik um diese Anlageklasse, die gleichzeitig unsere Ersparnisse und unseren Lebensraum repräsentiert, ist nicht angebracht. Die Gesellschaft ist gefordert, die Zukunft dieses Guts zum Wohle aller zu gestalten. Dazu zählen neue Zusammenarbeitsformen und Mobilitätskonzepte sowie neue Technologien für die Erstellung, den Betrieb und die Wiederverwendung von Immobilien, aber auch die Bereitschaft, auf Annehmlichkeiten oder gar Rendite zu verzichten.
Der nachhaltige Umbau des Gebäudebestands: Als gewichtiger CO2-Emittent und Energiekonsument steht der Immobiliensektor vor der dringend notwendigen, nachhaltigen Transformation.
Allein der Gebäudebetrieb trägt rund 30 Prozent zu den CO2-Emissionen in der Schweiz bei. Wird die Bautätigkeit und die damit verbundene graue Energie in die Betrachtung miteinbezogen, so sind es gar bis zu 40 Prozent. Immobilieneigentümerinnen und -eigentümer sind somit in der Verantwortung, ihren Beitrag zum Netto-Null-Ziel 2050 zu leisten und den energetischen Umbau des Schweizer Gebäudeparks proaktiv voranzutreiben.
Dabei erweist sich die Transformation als Kraftakt. Das Volumen anstehender Sanierungen ist schlicht enorm und die hierfür notwendigen personellen sowie materiellen Ressourcen sind bekanntlich beschränkt.
Dennoch gilt es den Immobilienbestand Schritt für Schritt ganzheitlich nachhaltig auszurichten und Liegenschaften stets im Zusammenspiel mit der gelebten und bebauten Umwelt zu verstehen. Eine rein ökologische respektive energetische Betrachtungsweise greift hier aber zu kurz – gesellschaftlich-soziale und ökonomische Aspekte sind dabei gleichermassen von Bedeutung.
Die Transformation des Gebäudeparks geht daher auch mit dem Umbau von Siedlungsstrukturen und einer zukunftsgerichteten Raumplanung einher. So geht es einerseits darum, genügend Wohnraum zur Verfügung zu stellen, was in Anbetracht limitierter Baulandreserven die Verdichtung in den Fokus rückt. Andererseits geht es darum, qualitativ besseren Wohnraum zu schaffen, beispielsweise durch die Einbettung in ein Quartier, dessen räumliche Ausgestaltung und Begegnungsmöglichkeiten erheblich zum Wohlbefinden beitragen können. Mehr noch – es schafft Identifikation, senkt die Mieterfluktuation und reduziert den Individualverkehr.
Die dahingehenden Anforderungen an die Eigentümerinnen und Eigentümer sind sicherlich anspruchsvoll, der Wandel geschieht jedoch
auch im Eigeninteresse – so bedeutet Nachhaltigkeit am Ende des Tages eben auch Werthaltigkeit.
Grundsätzlich stand es bis dato Schweizer Unternehmen innerhalb der Schweiz frei, ihre klima- und sozialrelevanten Tätigkeiten nach Empfehlungen der jeweiligen Branchenverbände offenzulegen.
Ab dem 01.01.2024 werden Unternehmen zu einer nicht-finanziellen Klimaberichterstattung in der Schweiz verpflichtet. Ist die Umsetzung dieser regulatorischen Anforderung eine grosse Herausforderung oder eine Chance für die Immobilienbranche?
Im ersten Schritt werden ab 2024 Publikumsgesellschaften, Banken und Versicherungen mit mindestens 500 Mitarbeitenden und einer Bilanzsumme von mindestens 20 Mio. oder einen Umsatz von mehr als 40 Mio. aufweisen verpflichtet, einen öffentlichen Bericht über Klimabelange zu erstellen. Obwohl zurzeit nur ca. 200 von solchen Unternehmen in der Schweiz vorhanden sind, ist mit einer graduellen Verschärfung der verbindlichen Verordnung in den kommenden Jahren zu rechnen.
Auf den ersten Blick erscheint der zusätzliche administrative und entsprechende finanzielle Aufwand gross, nicht nur in der Erstellung des jährlichen Berichtes, sondern auch in der Beschaffung der notwendigen Daten.
Wie im Zuge der COVID-19-Pandemie wird diese Verordnung des Bundes die Unternehmen herausfordern, die Digitalisierung der Immobilienbranche mit der Einführung von digitalen Tools für eine effiziente Beschaffung und Management von einheitlichen und vergleichbaren Daten anzustossen.
Auf der anderen Seite werden Unternehmen herausgefordert, die Offenlegung einer Firmenstrategie zu klimarelevanten Risiken und Chancen sowie ein klarer Beschrieb der Rolle des Verwaltungsrates und Geschäftsleitung in deren Bewertung vorzulegen.
Somit wird die Nachhaltigkeit zur Chefsache und ein Bestandteil der ganzheitlichen Unternehmensstrategie. Die geforderte Selbstreflexion kann daher anstelle einer Herausforderung als eine Chance angesehen werden. Die verpflichtende Berichterstattung schafft nicht nur die vom Bund geforderte Transparenz, sondern kann als ein firmeninterne Risiko- und Opportunitätsanalyse genutzt werden, wie z. B. die Verbesserung der betrieblichen Effizienz oder frühzeitigen Erkennung von Risiken innerhalb des eigenen Immobilienportfolios.
Unternehmen, die sich schon heute mit den möglichen Auswirkungen und dazu passenden Lösungen auseinandersetzen, haben daher einen klaren Vorteil und können die verpflichtende Klimaberichterstattung nebst der geforderten Offenlegung als ein jährliches Perfomance Reporting zu ihrem Vorteil nutzen.

Bild: iStockPhoto/Balazs Sebok
Die Baubranche steht vor einer Vielzahl von Herausforderungen, die sich auf unterschiedliche Aspekte des Bausektors auswirken. Die wichtigsten Herausforderungen, welche die Baubranche gegenwärtig und in naher Zukunft zu bewältigen hat, beziehen sich auf die Aspekte Nachhaltigkeit und Netto-Null-Ziele, technologische Innovation, Urbanisierung und Bevölkerungswachstum sowie auf rechtliche und regulatorische Anforderungen.
Innovationen und Materialentwicklungen sind stark auf dem Vormarsch. Die Implementierung von nachhaltigen Baumaterialien und -methoden sind auch für Bauherrinnen und Bauunternehmer von grossem Interesse: Sie können den CO2-Ausstoss reduzieren, den Energieverbrauch senken und Abfälle minimieren. Die Entwicklung von recycelbaren oder biologisch abbaubaren Materialien wird eine zentrale Rolle spielen. Einen wesentlichen Stellenwert nimmt in diesem Zusammenhang die technologische Innovation ein. Neue Technologien wie 3D-Druck, künstliche Intelligenz und automatisierte Systeme bieten enorme Potenziale für Effizienzsteigerungen, Kostenreduktion und verbesserte Sicherheit. Die Baubranche muss jedoch in der Lage sein, diese Technologien zu implementieren und den technologischen Fortschritt aktiv zu nutzen.
Auch der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften ist eine der grössten Herausforderungen. Es gibt einen deutlichen Rückgang an gut ausgebildeten Handwerkern, Ingenieuren und Architekten. Um diese Lücke zu schliessen, gewinnen neue Schulungs- und Weiterbildungsprogramme an Bedeutung. Einfach zu handhabende Produkte, digitale Schulungstools und Simulationen können helfen, den Lernprozess zu erleichtern.
Die steigende Urbanisierung und das Bevölkerungswachstum führen zudem zu einem erhöhten Bedarf an Wohnraum und Infrastruktur. Effiziente Produktionsprozesse sind eine der Voraussetzungen, um die steigende Nachfrage zu befriedigen, ohne Kompromisse bei der Qualität einzugehen. Die Entwicklung von modularen und vorgefertigten Bauelementen kann hier eine Lösung sein. Kunden verlangen zunehmend nach nachhaltigen Lösungen, transparenten Kommunikationsprozessen und digitalen Tools zur Überwachung des Baufortschritts.
Hinzu kommen neue Bauvorschriften und Normen, insbesondere in Bezug auf Sicherheit, Umwelt und Energieeffizienz. Es ist wichtig, vorauszudenken und diese Herausforderungen als Chancen zu nutzen. Dies gilt insbesondere für Lösungen in der eher konservativen Bauindustrie.
Die Fundamente von Immobilieninvestitionen haben Risse erhalten: Höhere Finanzierungs- und Baukosten kratzen an der Attraktivität vom Betongold, der scheinbar unerschöpfliche Kapitalzufluss ist eingebrochen und das goldene Jahrzehnt automatischer Aufwertungen gehört der Vergangenheit an. In diesem anspruchsvolleren Umfeld erwarten Anleger höhere Renditen auf ihr investiertes Kapital, der Druck, die Mietzinsen zu optimieren, nimmt zu. Das kann zu gesellschaftlichen Spannungen führen. Allerdings wird oft ausgeblendet, dass hinter den Immobilienanlegern auch Vorsorgegelder von Pensionskassen oder Versicherungen stecken, welche wiederum ihren Versicherten und Rentner:innen gegenüber in der Pflicht stehen.
Um im Wohnungsmarkt Gegendruck auf die Preisspirale und die Verknappung zu erzeugen, gilt es investorenfreundliche Rahmenbedingungen zu schaffen für private, institutionelle und öffentliche Kapitalgeber. Parallel dazu muss die Ausnützung bei bestehenden, überbauten Grundstücken wesentlich erhöht werden. Ansonsten führen Konversionen und Segmentierungen zu Verdrängungseffekten, tragen aber nicht zur Problemlösung bei.
Die Immobilienbranche kann die veränderte Zinslandschaft nicht beeinflussen, ebenso wenig die Bauvorschriften und Genehmigungsprozesse. Sie kann jedoch durch mehr Transparenz und offenere Kommunikation ihre Standpunkte und Aufgaben besser in der Öffentlichkeit präsentieren. Dazu zählen beispielsweise die Bereitstellung von Wohn- und Arbeitsräumen für Haushalte und Unternehmen, die Erwirtschaftung von Erträgen für Renter:innen oder ein möglichst minimaler CO2-Austoss bei der Erstellung und Nutzung von Gebäuden.
Es liegt im Interesse der Gesellschaft, dass diese Aufgaben bestmöglich und effizient erledigt werden können und mehr Wohnraum geschaffen wird. Unzweckmässige Hindernisse müssen abgebaut werden, um ein Klima zu schaffen, damit Immobilien für Investoren eine interessante Anlageklasse bleiben. Davon profitieren letztendlich auch Mieter:innen.
Netto-Null und die Dekarbonisierung sind aktuell die grössten Herausforderungen für die Bauwirtschaft. Die metallischen Bauprodukte werden dabei eine zentrale Rolle übernehmen und den Weg für die Dekarbonisierung ebnen und die dazu wichtige Energiewende mitgestalten.
Den metallischen Baustoffen kommt in vielerlei Hinsicht eine besondere Rolle zu, wenn es um die Dekarbonisierung der Schweiz geht. Der Bausektor ist für rund 80 Prozent der Siedlungsabfälle verantwortlich. Unsere Materialkreisläufe sind seit Langem geschlossen. Die metallischen Wertstoffe darunter wurden in der Regel bereits mehrfach rezykliert und werden auch weiterhin im Kreislauf teilnehmen. Doch auch in anderer Sicht tragen die Materialien bei. Die Langlebigkeit und die physikalischen Eigenschaften der Metalle machen sie zu einem ausgezeichneten Material, um andere Baustoffe zu substituieren, die insgesamt eingesetzte Menge an Baumaterial zu minimieren und so den CO2-Fussabdruck bei der Erstellung zu minimieren. Die Materialien sind auch in besonderem Masse zur Wiederverwendung geeignet. Stahlträger lassen sich einfach trennen, eine neue Schweissverbindung im Rahmen der Wiederverwendung ist härter als das Ausgangsmaterial und am wichtigsten: Die Produkte sind im Querschnitt normiert. Ein HEA-100-Träger wird immer ein solcher bleiben – die Abmessungen sind bekannt. Nicht zuletzt kann der Stahlbau bereits mit seiner Erfahrung in der Wiederverwendung beitragen. Die Wiederverwendung ganzer Hallen im Industriebereich hat eine lange Tradition.
Die Herausforderungen liegen aber im Detail. Durch das Recycling der Materialien und die Verwendung von CO2-freiem Strom konnte der CO2-Ausstoss der Produktion von Stahl und Alu bereits um bis zu 95 Prozent reduziert werden! Die Branche arbeitet mit Hochdruck daran, den verbleibenden CO2-Rucksack zu reduzieren. Die notwendigen Techniken benötigen grossen Mengen Strom und hohe Investitionen. Der Hebel für die Länder ist aber enorm. Die EU unterstützt daher die Transformation mit erheblichen Mitteln. Die Schweizer Politik hat sich entschieden, die Entwicklung am Gartenzaun zu beobachten. Die Verschiebungen, die das in der Basisindustrie auslösen wird, sind enorm. Die Versorgungssicherheit der Schweiz wird darunter leiden und vor allem die Preise für Schweizer Bauherrschaften werden spürbar steigen.
Schreibe einen Kommentar