Beinahe ein Vierteljahrhundert war Yonas Mulugeta Teil von CSL Immobilien. Während dieser Zeit stieg er nicht nur zum Teilhaber, Verwaltungsrat und CEO auf, sondern arbeitete mit diversen Anspruchsgruppen des Bau- und Immobilienwesens eng zusammen. In seinem letzten Jahr als Geschäftsführer baten wir ihn darum, der Branche den Puls zu messen.
Yonas Mulugeta, nach 23 Jahren bei CSL Immobilien, 15 davon als CEO, haben Sie per September dieses Jahres Ihren Rücktritt angekündigt. Wie hat Sie diese lange Zeit in der hiesigen Baubranche geprägt?
Es war eine äusserst spannende und lehrreiche Zeit. Als ich damals als junger Architekt ins Unternehmen eintrat, konnte ich mir nicht vorstellen, welchen Einfluss diese Jahre und Jahrzehnte auf mich haben würden. Sowohl in meiner Rolle als Mitarbeiter als auch als Unternehmer und CEO haben sie mich nachhaltig geprägt. Die Branche und die Aufgaben, die ich ausführen durfte, waren und sind äussert vielfältig, von der Unternehmensführung über das Erarbeiten von Strategien und Budgets bis hin zur indirekten und direkten Führung. Ich denke, heute noch mehr als zu meinen Anfängen, ist die Kommunikation zu einer absoluten Schlüsselkomponente geworden. Obwohl das Bauwesen auf den ersten Blick sehr technisch erscheint, geht es letztendlich immer um Menschen und ihre Bedürfnisse. Wer also in diesem Segment erfolgreich sein möchte, muss Menschen mögen. Und glücklicherweise trifft das auf mich zu. Dementsprechend erfüllten mich meine Aufgaben und ich konnte ihnen stets mit grosser Leidenschaft nachgehen. Nach 23 Jahren ist jedoch die Zeit gekommen, meine Verantwortung in kompetente Hände zu übergeben. Und das werde ich im September tun.
Die Immobilienbranche, die Sie so geprägt hat, durchlief in den vergangenen Jahren einen Wandel. Welches sind die grössten und disruptivsten Veränderungen, die Sie miterlebt haben?
Da gibt es mehrere (lacht). Hier einige davon, ohne Anspruch auf Priorisierung oder Vollständigkeit: Zuerst möchte ich die Professionalisierung der Branche erwähnen. Diese hat in den letzten Jahren merklich an Fahrt gewonnen. Die Akteure sind heute besser ausgebildet und können rasch auf Daten sowie effiziente Tools zurückgreifen, was – hoffentlich – zu fundierteren Entscheidungen führt. Ein weiterer Wandel betrifft die Digitalisierung: Als ich angefangen habe, wurden Pläne noch von Hand gezeichnet. Dann kam das digitale CAD-Zeichnen und heute planen und visualisieren wir digital mit BIM, (Building Information Modeling). Die zunehmende Internationalisierung der Branche ist ihrerseits eine grundlegende Entwicklung, ebenso wie die erhöhte Transparenz in unserer Branche, die in Zukunft noch weiter zunehmen wird. Was ich als besonders positiv erachte, ist das wachsende Bewusstsein hinsichtlich der Knappheit von Ressourcen. Wir planen und realisieren heute deutlich achtsamer und unter den Aspekten der Nachhaltigkeit. Künftig wird es spannend sein, zu sehen, welche Spuren weitere Entwicklungen in der Baubranche hinterlassen werden. Ich denke da insbesondere an neue Technologien wie die künstliche Intelligenz (KI).
Die Branche und die Aufgaben, die ich ausführen durfte, waren und sind äussert vielfältig, von der Unternehmensführung über das Erarbeiten von Strategien und Budgets bis hin zur indirekten und direkten Führung. Yonas Mulugeta
Welches sind Ihres Erachtens die grössten aktuellen und künftigen Herausforderungen der Branche?
Der Umgang mit den endlichen Ressourcen steht für mich im Zentrum. Gegenüber der Generation meiner Tochter sowie deren Nachkommen stehen wir in der Verpflichtung, uns essenzielle Fragen zu stellen: Wie gehen wir mit dem Bevölkerungswachstum um? Wie stellen wir sicher, dass diejenigen Ressourcen, über die wir verfügen, fair verteilt werden? Als Akteure der Bau- und Immobilienbranche haben wir die Aufgabe, im wahrsten Sinne des Wortes, Lebens(t)räume zu schaffen. Dabei tragen wir eine enorme Verantwortung, da die Art und Weise, wie wir unsere Umwelt gestalten, das Leben nachfolgender Generationen direkt mitbestimmt. Diese Aufgabe müssen wir mit Vorsicht und Anstand angehen. Natürlich spielen hier auch die Regularien eine zentrale Rolle, weshalb eine zielgerichtete Zusammenarbeit mit dem Gesetzgeber wichtig ist. Ich würde mir daher wünschen, dass unsere Branche geschlossener auftritt und für eine gemeinsame Meinung einsteht. Ausserdem habe ich grossen Respekt vor den Herausforderungen und Möglichkeiten, die künstliche Intelligenz (KI) mit sich bringt. Es bleibt abzuwarten, was in diesem Bereich auf uns zukommt. Was mich trotz dieser Herausforderungen beruhigt: Wohnen wird immer ein Grundbedürfnis bleiben. Im Zentrum unseres Handelns stehen immer die Menschen und ihre Umwelt.
Das vergangene Jahr, besonders die zweite Jahreshälfte, war für Immobilieninvestorinnen und -investoren nicht die beste Zeit. Wie attraktiv sind Immobilien als Anlage im Jahr 2023?
Grundsätzlich halte ich Investitionen in Immobilien nach wie vor für empfehlenswert. Allerdings bin ich ein Verfechter einer differenzierten Betrachtung. Wir müssen zwischen Retail-, Wohn- und Business-Objekten unterscheiden und dürfen nicht alle Gebäude aus der gleichen Perspektive betrachten. Investmentprofis agieren anders als Eigentümerinnen und Eigentümer, sie haben unterschiedliche Risiko- und Renditeprofile. Klar ist aber, dass Wohnen ein Grundbedürfnis darstellt und «Boden» als Ressource endlich ist und insbesondere in der Schweiz knapp wird. Aus diesem Grund bleiben Immobilienanlagen im Kern attraktiv. Doch auch dieses Segment ist unterschiedlichen Zyklen ausgesetzt: Im vergangenen Jahr war der Markt von einem schnellen Anstieg der Zinsen geprägt, was sowohl die professionellen Akteure als auch die privaten Haushalte zu spüren bekamen. Die Zeit des «günstigen Geldes» fand ein abruptes Ende. Professionelle Anlegerinnen und Anleger haben sich angesichts dieser Ausgangslage auf die Seitenlinie begeben und beobachten nun vorsichtig die weitere Marktentwicklung. Ich bin aber überzeugt davon, dass sich die Bewegungen einpendeln werden und der hiesige Immobilienmarkt langfristig noch immer von attraktiven Konditionen profitieren wird.
Im Zentrum unseres Handelns stehen immer die Menschen und ihre Umwelt. Yonas Mulugeta
Was raten Sie demnach privaten und professionellen Investorinnen und Investoren? Und was können all die Schweizerinnen und Schweizer tun, die unsicher sind, ob sie sich den Traum vom Eigenheim derzeit erfüllen sollten?
Betrachten wir zuerst die Privaten. Diese sollten sich fragen, was ihnen die Erfüllung ihres Wohntraums wert ist. Das kann sehr individuell sein. Die finanzielle Tragbarkeit ist sicherlich ein essenzielles Thema. Wer die anfallenden Kosten eines Eigenheims (diese umfassen nebst der Anschaffung auch den Unterhalt sowie die Hypothekarzinsen) auch unter nicht idealen Konditionen monetär stemmen kann, sollte sich ernsthaft überlegen, den Traum zu realisieren. Wie sich hingegen professionelle Investorinnen und Investoren verhalten sollten, muss man von Fall zu Fall prüfen. Hier lohnt es sich, die Investmententscheide auf einer umfassenden «Due Dilligence» abzustützen.
Zu guter Letzt: Zu den Hot Topics im Immobiliensektor gehören Nachhaltigkeit (bzw. Greenwashing) sowie die Digitalisierung. Wo steht die Branche hier wirklich?
Auf einer Skala von eins bis zehn würde ich unsere Branche hinsichtlich der Digitalisierung eine Sechs geben. Es gibt also noch einiges zu tun. Doch es lässt sich in der Branche Bewegung erkennen: Die Propertytech-Szene wächst rasant und innovative Start-ups treiben spannende Ideen und Konzepte voran. Das ist äusserst erfreulich und die Möglichkeiten von künstlicher Intelligenz werden diesen Prozess noch zusätzlich befeuern. Natürlich gibt es Branchen, die dem Immobiliensektor hinsichtlich digitaler Transformation voraus sind, doch wir holen langsam auf. Und um den Begriff der Nachhaltigkeit kommt man heute glücklicherweise ebenfalls nicht mehr herum. Nachhaltigkeit wird vom Kapitalmarkt belohnt, was gute Absichten fördern kann. Allerdings besteht auch die potenzielle Gefahr des Greenwashings, bei dem versucht wird, von dieser Entwicklung zu profitieren, ohne die erforderliche Arbeit und Investitionen zu leisten. Dies müssen wir verhindern. In der Schweiz sehe ich hier aber positive Zeichen: So verhält sich die hiesige Branche zum Beispiel im Bereich der Kreislaufwirtschaft meines Erachtens vorbildlich. Früher wurden Gebäude mit der Abrissbirne dem Erdboden gleichgemacht. Heute bauen wir äusserst umsichtig und führen Ressourcen, soweit möglich, einer neuen Nutzung zu. Zusammenfassend kann ich nach 23 Jahren sagen: Die grundlegende Ausrichtung unserer Branche stimmt mich optimistisch und bleibt auch für die kommende Generation attraktiv.
hier muss die versiegelte Fläche der Autobahnen ganz neu einbezogen werden ! Diese Flächen müssen günstig eingehaust und damit für Wohnflächen und Energie gewinnung genutzt werden.