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Berufswunsch Opernsängerin

27.08.2019
von Chantal Somogyi

Brigitte Tornay brach ihre Ausbildung zur Malerin ab und entschloss sich, Opernsängerin zu werden. Obwohl viele Personen der Meinung waren, Singen sei kein wirklicher Beruf, setzte sich die selbstbewusste junge Dame durch. Sie wollte ihren Traum verwirklichen.

Das Café am Bahnhof ist leer. Im Hintergrund läuft klassische Musik. Brigitte Tornay hat ihre Koffer bei sich. In ein paar Stunden begibt sie sich auf die Reise nach Italien. Sie zückt ihr Schminktäschchen aus der Reisetasche und macht sich zurecht. Das Schminken sei aufgrund ihrer Auftritte zur Gewohnheit geworden, meint sie. Die 23-jährige Opernsängerin wohnt in Thun. Sie hat zwei Halbbrüder und eine Halbschwester. Sie spricht fliessend Deutsch und Französisch. Ab und zu singt sie in diesen Sprachen. Zudem spricht sie Englisch auf einem guten Level. Ebenfalls versteht sie die russische Sprache, da sie in den letzten zwei Jahren viel russisch gesungen hat. Neuerdings lernt sie Italienisch. Das Beherrschen der italienischen Sprache sei im klassischen Gesang mittlerweile sehr wichtig geworden. In 80 Prozent der Opernwerke wird auf Italienisch gesungen. «Kannst du kein Italienisch, hast du in dieser Branche verloren», verdeutlicht die Sängerin.

Die Familie und die Natur geben der Opernsängerin viel Kraft.

Nebst dem Singen praktiziert sie gerne Yoga. Morgendliches Yoga sei für den Körper eine gute Aufwärmphase und gut für die Atmung, findet sie. Zudem kocht die Yoga-Liebhaberin leidenschaftlich gerne. Diese Dinge entspannen sie. Die Familie und die Natur geben der Opernsängerin viel Kraft. Freunde und Bekannte halten die 23-Jährige für einen loyalen Menschen, vor dem man dennoch Angst haben kann. «Ich bin ab und zu so ehrlich, dass es weh tun kann. Aber ich bin lieber ehrlich als untreu», gesteht sie.

Brigitte Tornay spielt seit ihrem 9. Lebensjahr Gitarre. Zudem musste sie während ihrer Ausbildung zur Opernsängerin Klavier spielen lernen. In ihrer Freizeit höre sie sehr selten klassische Musik, sondern gerne und viel Elektroswing, Jazz und die aktuellen Charts, offenbart sie. Ihre Idole inspirieren die Sängerin. «Meine Vorbilder haben ebenfalls nichts mit klassischer Musik zu tun», sagt sie und lächelt. Zu ihren Idolen gehören Marilyn Monroe, Karl Lagerfeld und die französische Rocklegende Johnny Hallyday.

Harte Arbeit zahlt sich aus

Brigitte Tornay kam mit wenig theoretischem Grundwissen an die Hochschule der Künste in Bern. Sie sei glücklicherweise durch die Aufnahmeprüfung gekommen, gibt sie zu. «Ich habe sozusagen die schlechteste Theorieprüfung absolviert, welche die Lehrer je zu Gesicht bekommen haben. Ich hatte grosses Glück, dass ich singen konnte», bekräftigt sie. Sie musste den Stoff innerhalb von zwei Jahren aufarbeiten. «Es war machbar, aber ein harter Weg. Ab und zu hatte ich eine Krise. Ich hatte sogar Nachhilfelehrer und es wurde ein grosses Drama daraus gemacht», gesteht die Sängerin. Das zweite Studienjahr war für sie schwer zu bewältigen. Sie hatte viel zu tun. «Ich ging nach Hause und schlief fünf Stunden. Am nächsten Morgen stand ich auf und ging wieder los, denn ich hatte noch Musical-Aufführungen. Es war mühsam, aber ich habe es geschafft», schildert die Opernsängerin.

Momentan befindet sie sich im letzten Jahr ihres Studiums «Master of Arts in Music Performance mit Minor in Oper». «Wie bei jeder Ausbildung findet man manches toll und einiges weniger gut. Aber ich konnte sehr viel davon mitnehmen, habe tolle Menschen kennengelernt und an spannenden Projekten teilgenommen», meint die Sängerin. Nach der Ausbildung würden einem viele berufliche Optionen offen stehen, denn man könne beispielsweise im Management, als Komponist oder als Musikkritiker tätig sein. Brigitte Tornay hingegen wollte von Anfang an den Gesang zum Beruf machen. «Ich habe gar nicht erst überlegt, ob das machbar ist. Ich wollte das einfach durchziehen und meinen Traum verwirklichen», bekräftigt sie.

Singen, singen und nochmals singen!

Das Singen hat Brigitte Tornay schon sehr früh für sich entdeckt. Bereits, als sie im Alter von vier Jahren mit ihrem Grossvater im Auto unterwegs war, gab sie ihre ersten Darbietungen. Sie bekräftigt: «Von da an wusste ich, dass ich Sängerin werden will. Die Musik ist mein Leben, mein Ein und Alles.» Ihr Grossvater führte sie in die Welt der klassischen Musik. «Unterwegs nach Italien, fuhren wir an Feldern vorbei. Im Hintergrund lief währenddessen klassische Musik. Das waren wunderbare Erlebnisse», beschreibt die Sängerin, die in der voll-lyrischen Sopran-Stimmlage singt. Sie ist der Meinung, dass sie auch für den Rest ihres Lebens in dieser Stimmlage singen wird. Wer die klassische Technik des Singens beherrsche, könne alles singen, meint Brigitte Tornay.

Sie trainiert ihren Gesang täglich bis zu drei Stunden. Vor einem Auftritt sehen die Proben unterschiedlich aus. Es wird dabei zwischen einer Konzertprobe und einer Produktion unterschieden. Bei Konzerten bespreche ein Opernsänger oder eine Opernsängerin meist am Vorabend die Tempi mit dem Dirigenten, erklärt Brigitte Tornay. Am nächsten Tag folgt dann eine Probe am Vormittag mit einem Korrepetitor und szenischen Proben. Am Abend findet das Konzert statt. Bei einer Produktion erhält man einen fixen Plan. Darauf steht, welche Rolle um welche Uhrzeit drankommt. Wenn das Orchester dabei ist, sei das Ganze mit viel Warten verbunden, stellt die Sängerin klar, denn das Orchester habe fixe Zeiten. Von der Hochschule bekomme man einen Gesangslehrer zugeteilt, erklärt Brigitte Tornay. Zudem wird sie mindestens einmal im Monat von einem Gesangslehrer in Italien unterrichtet. Sie betont: «Er unterstützt mich sehr. Ich hatte grosses Glück, ihn kennengelernt zu haben.»

Singmarathon

Die 23-Jährige unterrichtet selbst. Sie hat eine Schülerin, die ihren Unterricht alle zwei Wochen besucht. Vor einem Auftritt muss man die Stimme speziell schonen. Eine traditionelle Oper dauert in der Regel nicht länger als drei Stunden mit Pausen dazwischen, eine Opernpartie nicht länger als 40 Minuten. Es komme darauf an, was man singe, meint Brigitte Tornay. Die Bühnenwerke des Komponisten Richard Wagner seien eine Ausnahme. Die Opernsängerin erklärt: «Bei Wagner ist man vier Stunden lang auf der Bühne und singt, am Schluss ist man zerstört.» Bei der Vorprobe am Nachmittag wird nicht voll ausgesungen, sondern nur mit halber Stimme. Zudem singt der Sänger oder die Sängerin dann immer eine Oktave tiefer, sodass die Stimme sich entspannt. Anschliessend schweigt man.

Wer keine Milchprodukte oder keinen Alkohol zu sich nehme, schone die Stimme. Die Stimme habe sie vor lauter Singen noch nie verloren. Aber sie sei heiser geworden. «Das passiert nach fünf Stunden, wenn ich wirklich durchpowere. Aber das legt sich wieder. Am nächsten Morgen ist dann meistens wieder alles in Ordnung», erklärt sie. Am liebsten singt sie Arien aus der Oper «La Wally» des Komponisten Alfredo Catalani. Die 23-Jährige möchte für die Zukunft besser, schneller und sauberer singen und ihr Potenzial entfalten.

Leidenschaft und Beruf zugleich

Brigitte Tornay träumt von einer Karriere als Solistin. Sie möchte ein Performance-Mensch sein und in Opernhäusern auftreten. «Das ist jedoch nur für eine gewisse Zeit möglich, denn ich werde ja leider nicht jünger», bringt sie zum Ausdruck. Mit 60 Jahren möchte sie Unterricht geben und jungen Menschen ihre Erfahrungen weitergeben. «Mit dem Gesang kann man sich den Lebensunterhalt verdienen. Ein Sänger oder eine Sängerin muss aber während der Ausbildung schon recht Gas geben», stellt die Sängerin klar. Kann die nötige Bühnenerfahrung vorgewiesen werden, so steigen die Chancen für den Erfolg. Brigitte Tornay bekräftigt: «Es ist ein harter Weg, dem muss man sich bewusst sein. Man sollte mutig sein und nicht im Selbstmitleid versinken.»

Die Opernsängerin hatte nie das Bedürfnis, aufzugeben. Sie fürchtet sich davor, krank zu werden. «Leichte Erkältungen können dich für den Beruf tot machen. Ich kann dann eine Woche lang nicht singen», betont sie. Als Sängerin habe man nie einen festen Wohnsitz, erklärt Brigitte Tornay. Ihr Lehrer habe immer mehrere Wohnungen an verschiedenen Standorten gehabt. «Es ist ein Nomadenleben. Es gibt Zeiten, in denen die Nerven blank liegen, aber es ist gut», hebt sie hervor. Die Sängerin plant, nach Italien auszuwandern und dort eine Wohnung zu kaufen. Zudem hätte sie gerne einen Erholungsort auf der deutschen Insel Föhr. Diese Region habe sie sehr ins Herz geschlossen. «Wenn ich müde bin, interessiert das keinen vom Orchester. Daher brauche ich einen Erholungsort, um die Batterie wieder aufzuladen, denn die Maschine muss ja irgendwie laufen.»

Warteschlange – los, sing – geh nach Hause.

«Warteschlange – los, sing – geh nach Hause»

Die Sängerin erhält E-Mails oder Telefonanrufe bezüglich Castings. Zudem informieren ihr Lehrer und ihre Agentin sie über verschiedene Castings. Die Vorbereitungen beginnen drei Monate vorher. «Dann heisst es: Üben, üben, üben, bis es einem ‹zu den Ohren herauskommt›», bringt Brigitte Tornay zum Ausdruck. Gelingt das nicht, kann die Opernsängerin auf ein kleines Repertoire zurückgreifen. «Im Notfall krame ich mir eine Arie heraus, werfe vorher nochmals kurz einen Blick darauf und singe diese anschliessend», erklärt sie. Man solle sich nicht zu Tode üben, empfiehlt die Sängerin. «Der Adrenalin-Kick am Casting bleibt dann weg. Dann kommt es so rüber, als würde da ein Roboter singen.» Vor einem Casting übt die Sängerin gerne mit einem Pianisten. «Ich muss die Arie mit musikalischer Begleitung des Pianisten sattelfest singen können. Diese Anforderung stelle ich immer an mich selbst», betont sie. Zudem holt die Opernsängerin sich vor einem Casting Rat bei ihrem Lehrer und schickt ihm Aufnahmen. «Ich sehe das Ganze wie eine Vorbereitung auf
ein Konzert. Die Castings laufen dann so ab: Warteschlange – los, sing – geh nach Hause», erklärt sie. Bei Interesse stellen die Intendanten noch ein paar Fragen. Den Bescheid erhält Brigitte Tornay dann entweder direkt oder per E-Mail.

Die Musik ist mein Leben, mein Ein und Alles.

Ruhe bewahren und ab auf die Bühne

Bis jetzt sei die Sängerin nicht oft im Operngenre «Opera buffa» aufgetreten, stellt sie klar. Momentan ist sie sehr häufig in Donizetti-Werken zu sehen. Angefangen hat sie mit Auftritten in Operetten. «Frau Luna» von Paul Lincke war das erste Musikstück, in dem Brigitte Tornay auftrat. Anschliessend machte sie in der Operette «der Vogelhändler» von Carl Zeller mit. Sie spielte im Musical «Kiss Me, Kate» von Bella und Sam Spewack mit. Danach folgten weitere Auftritte in diversen Bühnenwerken. Im Januar dieses Jahres spielte sie die Rolle «Adina» in der Oper «L’elisir d’amore» von Gaetano Donizetti. «Diese Oper habe ich ins Herz geschlossen, sie ist super lustig», fügt die Sängerin hinzu.

Ein spektakuläres Erlebnis hatte Brigitte Tornay, als sie die letzte Arie der «Adina» sang. Die 23-Jährige schildert: «Das Italienische Publikum fand den Auftritt toll und hörte nicht mehr auf zu klatschen. Ich stand wie bestellt und nicht abgeholt da. Ich war unendlich dankbar, vor allem meinem Lehrer gegenüber. Er hatte mir dazu verholfen, so zu singen.» In San Remo wird sie in der Oper «Madama Butterfly» von Giacomo Puccini zu sehen sein. Auftritte hatte die Sängerin bereits in der Schweiz, in Italien und nächstes Jahr in Deutschland. Vor ihren Auftritten begibt sich die Opernsängerin meistens in eine Loge. Andere Sänger meditieren, Brigitte Tornay hingegen nimmt ihren kleinen Lautsprecher hervor. «Dann höre ich Heavy Metal oder die Musik, die mir in diesem Moment gut tut und hopse in der Loge rum. Ich singe zur Musik von Johnny Hallyday», offenbart sie.

Nervosität sei gut, meint die Sängerin. Man solle sie akzeptieren aber kein Drama daraus machen. Was man vor dem Auftritt nicht könne, würde man auch während des Auftritts tendenziell nicht können. Sie betont: «Die Nervosität ist am besten in Freude und positive Energie umzuwandeln, denn man wird einen tollen Moment auf der Bühne erleben.» Zu ihren Lieblings-Bühnenwerken gehören unter anderem «Otello» von Giuseppe Verdi  und «Il barbiere di Siviglia» von Gioachino Rossini. «Dieses tolle Werk könnte ich mir jeden Tag hundert Mal zu Gemüte führen.» Gerne würde sie mal die Rolle «Isolde» von Richard Wagners Werk «Tristan und Isolde» verkörpern. «Isolde hat einen wunderbaren Liebestod, der sehr schön zu singen ist», bekräftigt sie. «Ich finde es toll, in andere Rollen zu schlüpfen, vor allem wenn sie witzig sind. Wenn man mit der Rolle wenig Gemeinsamkeiten hat, ist es schwieriger.»

Meine Verwandten sind unterschiedlicher Meinung, was meine Passion angeht.

Geteilter Meinung bezüglich der klassischen Musik

Brigitte Tornay erwähnt: «Meine Verwandten sind unterschiedlicher Meinung, was meine Passion angeht. Manche finden, der Job sei brotlos und nicht kommerziell. Dazu muss ich sagen, die waren noch nie in einer Oper.» Andererseits habe sie Freunde und Verwandte,
welche das Ganze toll finden und der Sängerin tatkräftig zur Seite stehen und sie bewundern. Sie seien auch sehr interessiert und kämen immer zu den Auftritten. «Manche behaupten es gefiele ihnen nicht. Sie fänden es dennoch toll, dass ich so etwas mache. Andere sagen, sie kämen mal vorbei und dann sind sie von der ‹Opern-Welt› begeistert», erzählt sie. «Vor zehn Jahren war die klassische Musik nicht mehr so der Hit, aber sie wird aktuell immer populärer», bringt Brigitte Tornay zum Ausdruck. Heutzutage werden die Geschichte und der Hintergrund der Oper zu kompliziert erklärt. Wenn die Beschreibung schon eine Stunde daure, habe man gar keine Lust mehr in die Oper zu gehen. Den Menschen müsse das Ganze heutzutage undramatisch präsentiert werden, meint die Sängerin. Je komplizierter jemandem etwas erklärt würde, desto geringer sei seine Lust, das Werk dann tatsächlich anzuschauen. Das sei bei ihr ebenfalls der Fall gewesen. Brigitte Tornay empfiehlt Bücher, in denen Opern in ein paar Sätzen kurz und knapp beschrieben werden. «Würde die Oper den Menschen auf diese Weise nahegebracht, interessieren sich wahrscheinlich mehr Leute dafür.»

Text Chantal Somogyi

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