In der Schweiz gibt es unzählige Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten und ermöglicht so vielfältige Karrierewege. «Fokus» verrät, wie man das Beste aus dem Bildungssystem herausholen kann.
Das Bildungssystem der Schweiz auf einen Blick
Zunächst ein kurzer Überblick über das System. Nach der obligatorischen Schulzeit können die Lernenden auf der Sekundarstufe II entweder eine berufliche Grundbildung beginnen oder eine allgemeinbildende Schule besuchen. In der beruflichen Grundbildung werden Praxis und Theorie kombiniert und mit einem eidgenössischen Fähigkeitszeugnis (EFZ) oder einem Berufsattest (EBA) abgeschlossen. Darauf aufbauend besteht die Möglichkeit, eine höhere Berufsbildung zu absolvieren. Der andere Ausbildungsweg ist der Besuch einer allgemeinbildenden Schule (Fachmittelschule oder Gymnasium), die mit einer Fachmaturität oder einer gymnasialen Maturität abschliesst. Letztere ist Voraussetzung für ein Studium an einer Hochschule.
Diese stellen lineare Wege durch eine mögliche Bildungs- und spätere Berufslaufbahn dar, sie sind aber bei Weitem nicht die einzigen. Was das schweizerische Bildungssystem so einzigartig macht, ist seine Flexibilität: Unabhängig von der Vorbildung ist ein Quereinstieg fast immer möglich. Sei es, dass jemand neu ins Berufsleben einsteigt oder von einem Arbeitsfeld in ein anderes wechseln möchte.
Flexible Qualifizierungswege für Erwachsene
Eine der Möglichkeiten, wie insbesondere Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger von den verschiedenen Bildungswegen profitieren können, ist Artikel 32 der Berufsbildungsverordnung. Erwachsene, die über keine entsprechende berufliche Grundbildung verfügen, können direkt durch die Abschlussprüfung ein EFZ oder ein EBA erwerben. Voraussetzung ist mehrjährige Berufspraxis im angestrebten Beruf. Damit soll Arbeitnehmenden mit einschlägiger Erfahrung, aber fehlenden theoretischen Kenntnissen die Möglichkeit geboten werden, diese Lücke zu schliessen. Das Erlernen der Theorie liegt in der Verantwortung des Einzelnen und kann entweder im Selbststudium, in Vorbereitungskursen für Erwachsene oder in einer Berufsschule erfolgen. Die Anzahl der Jahre Berufserfahrung variiert je nach Berufsfeld, beträgt aber in der Regel zwischen zwei und vier Jahren.
Ausserdem werden Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1 oder B2 vorausgesetzt. Ein Lehrvertrag ist für die Anmeldung zur Prüfung nicht erforderlich. In einigen Kantonen müssen die Kandidaten jedoch in der Branche arbeiten, für die sie die Prüfung ablegen. Die kantonalen Unterschiede spiegeln sich auch in den Prüfungsgebühren wider.
Für Erwachsene gibt es drei weitere Möglichkeiten, ein EFZ oder EBA zu erwerben. Eine davon ist die Validierung von Bildungsleistungen, bei der ein Dossier mit den relevanten praktischen und theoretischen Kompetenzen zur Beurteilung eingereicht wird. Wenn bestimmte Kenntnisse fehlen, hat der Antragsteller fünf Jahre Zeit, diese in Modulen oder in der Berufsschule zu erwerben und zertifizieren zu lassen. Personen, die bereits über eine abgeschlossene Ausbildung oder Berufserfahrung verfügen, können eine verkürzte Lehre absolvieren. Selbstverständlich steht es Erwachsenen auch frei, eine reguläre Lehre für Schulabgänger zu belegen.
Vorbereitung auf das Hochschulstudium
Eine der bekanntesten Möglichkeiten ist die Passerelle, eine Ergänzungsprüfung zur Berufs- oder Fachmaturität. Sie ermöglicht den Zugang zu allen universitären Hochschulen in der Schweiz, aber auch im Ausland. Dies hängt jedoch vom Entscheid der jeweiligen Hochschule ab. Der Lehrgang dauert zwei Semester und umfasst Grundlagenfächer wie Natur- und Sozialwissenschaften sowie Mathematik und Sprachen. Die Passerelle kann in Voll- oder Teilzeit absolviert werden.
Die Berufsinformationszentren (BIZ) informieren über die verschiedenen Ausbildungswege, Arbeitsmöglichkeiten und Weiterbildungsangebote.
Darüber hinaus gibt es Vorbereitungskurse und Praxisjahre, die Studieninteressierte auf ihr zukünftiges Studium vorbereiten. Diese werden für Fachhochschulen (FH), Universitäre Hochschulen (UH) und Pädagogische Hochschulen (PH) angeboten. Insbesondere für die PH gibt es an einigen Schulen spezielle Aufnahmeverfahren für Quereinsteigende, die es Personen mit einem Abschluss der Sekundarstufe II (berufliche Grundbildung oder allgemeinbildende Schule) und Berufserfahrung ermöglichen, ein Studium zur Lehrperson für den Kindergarten bis zur Sekundarstufe I zu absolvieren.
Vom Studium in den Beruf
Es geht aber auch umgekehrt. Wer die Sekundarstufe II mit einer gymnasialen Matura abgeschlossen hat, aber lieber ins Berufsleben einsteigen als studieren möchte, hat viele Möglichkeiten. Eine davon ist die verkürzte Lehre, die ein Jahr kürzer ist, weil schulische Leistungen angerechnet werden können und der Unterrichtsteil entfällt. Eine andere Möglichkeit ist die Way-up-Lehre, die speziell für gymnasiale Maturand:innen gedacht ist. Sie dauert nur zwei statt vier Jahre. Sie ist allerdings nur für die Berufe Automatiker:in, Elektroniker:in, Informatiker:in, Konstrukteur:in, Polymechaniker:in und Mediamatiker:in möglich. Es gibt einige Kantone, in denen mehr Berufe in die Way-up-Ausbildung einbezogen sind, beispielsweise Bern oder Zug. Schliesslich bestehen auch Ausbildungsprogramme von Organisationen, die kein EFZ, sondern ein branchenspezifisches Zertifikat oder Diplom verleihen. Diese Programme haben den Vorteil, dass sie einen sofortigen Berufseinstieg ermöglichen und die Einstiegslöhne in der Regel sehr attraktiv sind.
Lebenslanges Lernen
Immer mehr Menschen bilden sich im Laufe ihres Berufslebens weiter und nur wenige bleiben in ihrem ursprünglichen Beruf. Bei all den Möglichkeiten und kantonalen Unterschieden kann eine Berufsberatung oder Laufbahnberatung eine wertvolle Ressource sein. Die Berufsinformationszentren (BIZ) informieren über die verschiedenen Ausbildungswege, Arbeitsmöglichkeiten und Weiterbildungsangebote. Ähnlich, aber stärker auf den Arbeitsmarkt ausgerichtet, ist eine Laufbahnberatung gestaltet, um die nächsten Karriereschritte zu planen. Dies gilt insbesondere für Quereinsteigende.
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