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Corporate Social Responsibility Energie

Die Schweiz und ihre Energie

28.08.2021
von Kevin Meier

Kohle, Öl, Sonne, Wind: Seit Beginn der Industrialisierung hat sich in der Schweiz vieles rund um Energiequellen, -verbrauch und -politik verändert – und wandelt sich noch stets. Ein Einblick in die Schweizer Energiegeschichte.

Der Energiebedarf Europas stieg während der Industrialisierung sprunghaft an. Damit begann in der Schweiz das Kohlezeitalter, in dem Steinkohle importiert werden musste, um die neuen Maschinen und Industrien zu ermöglichen. Trotzdem behielt Wasser als Energiequelle seine wichtige Position. Denn zum einen begünstigt die Geografie der Schweiz die Nutzung von Wasserkraft und zum anderen sind Wasserräder und Turbinen energetisch effizient. Laut dem Schlussbericht «Energieregime in der Schweiz seit 1800» der Universität Innsbruck im Auftrag des Bundesamtes für Energie BFE war die Hydroenergie anfangs bedeutend als Grundlage der Industrialisierung: «Um 1875 beruhte die installierte Motorleistung zu mehr als drei Vierteln auf Wasserkraft, zu knapp einem Viertel auf Dampfkraft.» 

Hochphase der Kohle

Nicht zuletzt durch die zunehmende Wichtigkeit der Eisenbahn wuchs der Kohlebedarf und -verbrauch stetig an. Der Wandel der Schweizer Energiewirtschaft zu einem Kohleregime brachte Nachteile mit sich. Da hierzulande unter anderem kaum Kohlevorkommen in ausreichender Qualität zu finden waren, entstand eine Abhängigkeit zu Lieferungen aus dem Ausland. In Krisen- und Kriegszeiten, insbesondere während des Ersten Weltkrieges, führte dies zu Kohleknappheiten. Laut dem Schlussbericht der Universität Innsbruck profitierte die entstehende Elektrizitätswirtschaft davon, welche mit Wasser auf einen einheimischen Energieträger zurückgreifen konnte. 

Elektrizität durch Wasserkraft

Durch den Brennstoffmangel wurde elektrische Energie zunehmend attraktiv. Man hatte dessen Potenzial jedoch schon vor dem Ersten Weltkrieg erkannt. Ein erster Elektrifizierungsschub ergriff Teile der Schweiz um die Jahrhundertwende. Bis 1902 wurden gemäss dem Schlussbericht der Universität Innsbruck schon nahezu alle der Strassenbahnen elektrisch betrieben. Während des Krieges schritt auch die Elektrifizierung in Unternehmen voran, da der Kohlepreis in die Höhe stieg. Diese ging mit grossen Investitionen in die Infrastruktur einher, vor allem Kraftwerke mussten gebaut werden, um die Produktionskapazitäten an den steigenden Bedarf anzupassen. Schliesslich nahm die Schweiz mit ihrer frühen Elektrifizierung der innerstädtischen Mobilität und des Schienenverkehrs eine Pionierrolle ein.

Aufstieg der Konsumgesellschaft

Nach dem Zweiten Weltkrieg vollzog sich in Europa der grundsätzliche Wandel von einer Industrie- zu einer Konsumgesellschaft, welcher durch den erhöhten Wohlstand und Demokratisierung ermöglicht wurde. In den 1950er-Jahren wandelte sich das Kohleregime zu einem Erdölregime, begleitet vom wachsenden Individualverkehr und der Mechanisierung der Landwirtschaft. Zur selben Zeit trat die Atomenergie als mögliche Alternative für die Energiewirtschaft hervor. Analog zur Wasserkraft wurde auch diese als Chance angesehen, den eigenen Energiebedarf ohne Auslandsabhängigkeiten zu decken. Tatsächlich wurde laut Schlussbericht zu dieser Zeit einer zivilen Nutzung der Atomenergie kaum Kritik entgegengebracht.

Krisen verdeutlichen die Probleme der Energiewirtschaft

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde die Schweizer Energiewirtschaft durch etwaige Schwierigkeiten belastet. Einerseits führte die Erdölkrise von 1973 vor Augen, dass der bis dato verschwenderische Umgang mit fossilen Energieträgern nicht haltbar ist. Genauso musste sich auch die Atomenergie zunehmend der Kritik stellen, da Zwischenfälle mit Reaktoren die Öffentlichkeit verunsicherten, beispielsweise der Reaktorunfall im waadtländischen Lucens 1969 oder der Kernschmelzunfall des Kraftwerks Three Mile Island in Harrisburg 1979. Diese Krisen allein führten nicht per se zu einem Umdenken in der Energiewirtschaft. Sie trugen aber ihren Teil dazu bei, dass Energiedebatten öffentlich diskutiert und eine nationale Energiepolitik zunehmend als notwendig erachtet wurden. Ein vermehrtes Umweltbewusstsein tat ein Übriges dazu.

Es fehlt ein breiter Konsens über die Zielrichtung. Barbara Schaffner

Energiethemen im Zentrum des öffentlichen Diskurses

Vor der Ölkrise griff die Politik nur punktuell und zurückhaltend in die schweizerische Energiewirtschaft ein. Die Energiespezialistin und Nationalrätin der Grünliberalen Partei Barbara Schaffner vermutet, dass dies damals wie heute damit zusammenhängt, «dass die Schweizer Politik erst handelt, wenn der Druck gross genug wird». In einer direkten Demokratie brauche es «einen breiten Konsens in der Bevölkerung, um Veränderungen durchzusetzen». Seit den Ölkrisen in den 1970er-Jahren bis heute, ist die Energiewirtschaft jedoch Dauerthema. Die Politik scheint die Bedeutung schon damals erkannt zu haben – Schaffner verweist hier auf die Energiesparkampagne von 1979 –, trotzdem trat das erste Energiegesetz erst 1999 in Kraft. «Es fehlt ein breiter Konsens über die Zielrichtung. Das verunsichert die Gesellschaft und macht es schwieriger, energiepolitische Abstimmungen zu gewinnen», konstatiert Schaffner. 

Die Zukunft der Energie

Im Gegensatz zu früher hat die heutige Energiewirtschaft aber einen Vorteil, welcher der zukünftigen Entwicklung zuträglich ist: Sie ist so diversifiziert wie noch nie. Auch Schaffner sieht darin einen Gewinn: «Eine diversifizierte Energiewirtschaft ist resilienter.» Einerseits stehen mehrere Energiequellen zur Verfügung, neben den fossilen Energieträgern auch Wasser, Atomkraft, Sonne, Wind und Biomasse. Spezifisch auf den Strommarkt bezogen, zeigt Schaffner andererseits auf, dass die Energieproduktion auf mehrere Gesellschaften mit kleineren Produktionseinheiten verteilt ist. Neu gibt es auch die Möglichkeit, dass sich die Allgemeinheit an der Stromproduktion beteiligt, beispielsweise mit Solaranlagen oder Genossenschaftsanteilen. Dies erhöht gemäss Schaffner die Wahrnehmung der Thematik in der Bevölkerung und fördert die Diskussion über die zukünftige Energieversorgung. 

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