icon gavel on the nature backgro in the concept of business corporate and industry. law rld for environmental regulation.sustainable environment concept
iStockPhoto/Khanchit Khirisutchalual
Energie

Das Energierecht befindet sich verstärkt im Wandel

06.04.2024
von Cedric Keiser
Porträt Dr. Fabian Feger

Dr. Fabian Feger
Volkswirt und Experte für den Energiemarkt Schweiz

Zum Jahreswechsel sind zwar nur wenige neue Regulierungen im Energiebereich in Kraft getreten. Im Sommer entscheidet das Schweizer Stimmvolk jedoch über eine Vorlage, die den Energiemarkt stark beeinflussen und zahlreiche regulatorische Anpassungen nach sich ziehen würde.

Fabian Feger ist Volkswirt und Experte für den Energiemarkt in der Schweiz. Er beobachtet die regulatorischen Entwicklungen mit Fokus auf Strom und stellt fest, dass sich die Rechtslage im Energiebereich in den letzten fünf Jahren wesentlich verändert hat und sich zunehmend verändern wird. Feger nennt zwei für Konsument:innen besonders relevante Entwicklungen: Erstens kommen die seit langem geplanten Revisionen des Energie- und Stromversorgungsgesetzes im Sommer zur Abstimmung. Dieser Mantelerlass, auch als «Stromgesetz» bezeichnet, würde bei der Annahme ab 2025 in Kraft treten. Zweitens hat das Parlament 2022 die auslaufenden Förderinstrumente (Investitionsbeiträge) verlängert. Diesen Investitionsbeitrag erhalten Privatpersonen und Unternehmen, wenn sie eine Photovoltaikanlage bauen wollen. 

Keine freie Wahl des Stromlieferanten

Der Energiemarkt und insbesondere der Strommarkt ist ein relativ stark regulierter Markt. Ein Grund dafür ist, dass Stromproduktion und -verbrauch in jeder Minute übereinstimmen müssen, was eine gute Koordination erfordert. Der Strommarkt ist auch dahingehend ein Sonderfall, dass Haushaltskund:innen und KMU mit geringem Stromverbrauch nicht am freien Markt sind und ihren Stromanbieter nicht frei wählen können. Sie werden vom lokalen Verteilnetzbetreiber versorgt und müssen sich dessen Preisvorgaben anpassen. 

Zukünftig ein offener Strommarkt?

Der Bundesrat hatte im Mantelerlass vorgesehen, den Markt für alle zu öffnen – das Parlament hat dies jedoch gestrichen. Es geht davon aus, dass sich dafür in der Bevölkerung keine Mehrheit finden lässt. Es könnten sich laut Feger jedoch regulatorische Änderungen aus den Verhandlungen mit der EU ergeben: «In der EU ist der Strommarkt für alle Konsument:innen geöffnet. Wenn die Verhandlungen über ein Stromabkommen mit der Europäischen Union erfolgreich sind, müsste sich der Schweizer Strommarkt diesbezüglich an die EU anpassen.» 

Das Volk entscheidet über die Zukunft des Energiemarktes

Kernstück des Mantelerlasses sind die Ausbauziele. Das bestehende Gesetz enthält Richtwerte für den Zubau erneuerbarer Energien bis 2035, der Mantelerlass setzt nun neue, ambitioniertere Ausbauziele bis 2050. Feger nennt ein zusätzliches neues Ziel: «Es gibt speziell ein Ziel für Winterstrom, weil die Schweiz insbesondere im Winter stark von Importen abhängig ist. Mit dem Abschalten der Atomkraftwerke droht die Abhängigkeit vom Ausland zukünftig anzusteigen». Mit Wind- und Sonnenenergie, insbesondere alpinen Solaranlagen, kann im Winter mehr Strom produziert werden. «Generell soll der verstärkte Zubau mit erneuerbaren Energien die zukünftige Versorgungssicherheit gewährleisten und die Schweiz im Hinblick auf Netto-Null voranbringen.» Der Mantelerlass sieht als eine Massnahme für die Versorgungssicherheit zusätzliche Speicherwasserkraftwerke vor. Ausserdem soll das neue Gesetz dynamische Tarife im Netz fördern, um bessere Anreize für einen sparsamen Umgang mit Strom zu schaffen. So könnte die Autobatterie bei hohen Strompreisen zu einem attraktiven Tarif entladen und bei Stromüberschuss im Netz zu einem geringen Preis wieder aufgeladen werden.

Der Mantelerlass sieht als eine Massnahme für die Versorgungssicherheit zusätzliche Speicherwasserkraftprojekte vor.

Staatliche Energiereserven für Stromengpässe

Als vor rund einem Jahr die drohende Stromknappheit für grosse Verunsicherung sorgte, gab es in der Schweiz nur einen «Sparappell» an Privatpersonen und Industrie. Vor allem Unternehmen wurden aufgefordert, Sparmassnahmen zu ergreifen und solidarisch Gas zu sparen. Der Mantelerlass enthält ein Effizienzzielsystem für Stromversorger: Sie müssen Energiesparmassnahmen bei der Stromlieferung nachweisen, wobei die Umsetzung teilweise noch unklar ist. Bereits in den letzten Jahren implementiert wurden laut Feger hingegen die staatlichen Energiereserven: «Der Bund hatte Reserven an Wasserkraft und Notstromgruppen sowie Reservekraftwerke kontrahiert, die im Notfall hätten aktiviert werden können». Diese Reserven zahlen die Kund:innen mit einem Aufpreis auf den Strom als eine Art Versicherung mit, da schliesslich alle am gleichen Netz hängen und auf ausreichend Energie im Gesamtsystem angewiesen sind. 

Beschleunigung der Bewilligungsverfahren

Die Arbeit ist mit dem Mantelerlass aber nicht getan. «Wenn die Vorlage angenommen wird, sind in der Umsetzung noch viele Details zu regeln. Es wird in den kommenden Jahren auch noch verschiedene Anpassungen und Feinjustierungen brauchen». Zudem verhandelt der Bund demnächst mit der EU über das Stromabkommen, was zusätzlichen Anpassungsbedarf für das Energiegesetz mit sich bringen dürfte. Ausserdem wird eine Beschleunigung der Bewilligungsverfahren für Photovoltaik- und Windkraftanlagen diskutiert. Laut Feger ist eine Vorlage derzeit im Parlament hängig: «Das Bewilligungsverfahren für eine Windkraftanlage kann beispielsweise 15 bis 20 Jahre dauern, was die Erreichung der Zubauziele massgeblich erschwert.» 

Die Rolle des Staates im Energiemarkt

Feger betont, dass sich der Energiediskurs zunehmend wandelt: «Der Energiemarkt hat sich mit der Krise verändert: Die hohen Energiepreise rücken die Rolle des Staates in den Fokus. Wie frei soll der Markt sein und wie stark soll der Staat regulieren?» In der Schweiz haben die hohen Preise während der vergangenen Jahre die Industrie zu Sparmassnahmen angeregt. Das öffentliche Gut der Versorgungssicherheit können private Akteur:innen aber nur bedingt regeln, weshalb im Notfall staatlich geregelte Reservekraftwerke einspringen müssen. Wichtig ist Feger in dieser Diskussion, dass der Energiemarkt nicht als etwas Negatives gesehen wird: «Der Markt ist ein sehr effizienter Mechanismus, der zudem flexibel und schnell auf Veränderungen reagiert.» Und wenn sich die Haushalte nicht am offenen Markt befinden und deshalb an ihren lokalen Versorger gebunden sind, die ihre Kosten weitergeben, ist die Regulierung kein grosser Schutz. Da die Tarife im Vorfeld festgelegt wurden, waren die Strompreise zwar während der Energiekrise nicht so hoch, steigen aber derzeit stark an.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Vorheriger Artikel Energiespeicherung: Warum es sich lohnt, in Netzstabilität zu investieren
Nächster Artikel Recycling: Die Schweiz als Vorreiterin für eine grüne Zukunft