«Wie stellt man sicher, dass die Maschine den Menschen optimal ergänzt?»
Nostic bietet KI-Lösungen für die Zahnmedizin an. Im Interview spricht CEO Tobias Minder darüber, wie Nostic entstanden ist, wie es die Zahnmedizin verändert hat und welche Überlegungen vor der Integration von KI zu berücksichtigen sind.
Wie ist Nostic entstanden?
Bei einer Routinekontrolle wurde mir mitgeteilt, dass beim letzten Mal auf meinen Röntgenbildern für die Karieskontrolle etwas übersehen worden war. Damals wurde KI in der Dentalhygiene noch nicht eingesetzt, zumindest nicht in meiner Praxis. Das hat mein Interesse und das meiner Kollegin und Dentalhygienikerin Lisa geweckt. Wir stellten fest, dass es, trotz einiger wissenschaftlicher Publikationen, kein kommerziell verfügbares Produkt gab.
Daraufhin starteten wir unser eigenes Projekt. Während zweier Jahre intensiver Forschungs- und Entwicklungszeit haben wir die Software zusammen mit Industriepartner, renommierten Professoren, Zahnärzten sowie Hochschulen entwickelt. Mit an Bord ist auch Adrian Lussi, emeritierter Professor an der Universität Bern und international anerkannter Spezialist im Bereich Diagnostik und Prävention von Karies und Erosionen.
Warum braucht es euer Produkt?
Weltweit leiden drei Milliarden Menschen an Karies. Doch selbst für erfahrene Fachleute ist die Interpretation der Röntgenbilder nicht immer einfach und die Dokumentation benötigt einiges an Zeit. Hier leistet unsere CE-zertifizierte Software einen wichtigen Beitrag, um die Qualität und Effizienz der Analyse von Röntgenbilder zu steigern.
Das Produkt unterstützt Zahnärzt:innen dabei, die Kommunikation mit ihren Patienten zu verbessern, indem es Strukturen und Anomalien in Röntgenbildern visuell hervorhebt. Diese Markierungen sind für die Zahnärztin oder den Zahnarzt sichtbar und klar verständlich, bieten jedoch für deren Patienten eine bessere Nachvollziehbarkeit. Ganz nach unserem Motto: Sehen ist Verstehen.
Dank der Möglichkeit, die Software in bestehende Praxissoftware-Umgebungen zu integrieren, können Funktionen wie etwa die automatische Übertragung der Dokumentation in die Patientenakte realisiert werden. Die Software vereinfacht also die Praxisabläufe und hat zweifellos das Potenzial, neue Standards in der Zahnmedizinischen Kommunikation und Dokumentation zu setzen.
Was genau macht Nostic?
Unsere Web-basierte Software funktioniert wie folgt: Die Software vergleicht die zu analysierenden Röntgenbilder mit Zehntausenden von manuell befundeten Bildern und erkennt so die vorhandenen Strukturen und Anomalien. Innerhalb weniger Sekunden liefert die Software die Ergebnisse und stellt die Befunde grafisch dar. Die gesamte Datenbasis wurde dabei in Zusammenarbeit mit mehreren Dutzend Zahnarztpraxen aufgebaut; die Röntgenbilder dieser Datenbasis wurden dabei alle von verschiedenen zahnmedizinischen Experten unabhängig voneinander analysiert. Die Software wird kontinuierlich weiterentwickelt und dadurch ständig verbessert.
Wieso nutzt man dafür Computer und was sind die Vorteile für Kunden?
Die Röntgenbilder bestehen aus Pixeln mit verschiedenen Graustufen von Weiss bis Schwarz. Computer sind für diese Aufgabe ideal, da sie je nach Auflösung des Bildes bis zu viertausend unterschiedliche Graustufen erkennen können. Ein trainiertes menschliches Auge kann dagegen nur etwa 45 Graustufen wahrnehmen. Computergestützte Analysen sind aus technologischer Sicht der erfolgversprechendste Lösungsansatz. Dafür sprechen die grossen zu verarbeitenden Datenmengen sowie die komplexen Strukturen, welche auf den Bildern erkannt werden müssen.
Was sind die Vorteile für Kunden?
Oft wird die Frage gestellt, wer ist besser in der Erkennung von Anomalien, Mensch oder Maschine? Ich denke, die richtige Frage ist, wie man sicherstellt, dass die Maschine den Menschen optimal ergänzt. Nostic tut dies, indem es Stellen mit einer gleichbleibenden Konstanz erkennt, die für das menschliche Auge beispielsweise unter Stress oder mit zunehmender Ermüdung schwieriger zu erkennen sind. Trotzdem sind Therapieentscheidungen weiterhin ausschliesslich Sache der Zahnärztinnen. Durch die Vorteile der computergestützten Standardisierung und den Erfahrungswerten des Menschen, welcher die Ist-Situation bewerten und interpretieren kann, wird es jedoch möglich, den Fokus auf die Prophylaxe zu legen. Das ist auch im Interesse der Patienten.
Was für Herausforderungen stellen sich bei der Integration von KI?
In den Praxen gibt es eine Vielzahl an Anbieter von Hard- und Software. Für uns ist es wichtig, dass das Produkt sehr einfach in der Handhabung sein muss und direkt in die Softwarelösungen integriert ist. Wir erkennen das Potenzial einer direkten Integration sowohl mit Hardware- als auch Software-Anbietern. Durch unsere Erfahrungen haben wir festgestellt, dass eine enge Integration für Zahnärzte einen echten Mehrwert schaffen kann, indem sie Zeit gewinnen und Arbeitsaufwand einsparen, ohne dabei auf neue Systeme angewiesen zu sein.
Datenschutz ist ein grosses Thema. Wie gewährleistet Nostic diesen?
Die Herausforderung in unserem Fall bestand darin, dass es keine öffentlich verfügbaren Datensätze gab. Die gesamte Datenbasis musste zuerst in Zusammenarbeit mit mehreren Zahnarztpraxen und Hochschulen aufgebaut werden.
Bevor wir damit starten konnten, haben wir das Vorhaben durch die medizinische Ethikkommission prüfen lassen. Um die geltenden Vorschriften bezüglich der Verarbeitung persönlicher Gesundheitsdaten einzuhalten, anonymisierten wir sämtliche Röntgenaufnahmen zweifach. Dadurch können wir sicherstellen, dass man keine Rückschlüsse auf die Herkunft der Bilder ziehen kann. Ausser dem Röntgenbild gehen zudem keine weiteren Patientendaten an Nostic.
Bei unseren Kunden stellen wir fest, dass es gut aufgenommen wird, dass wir bewusst auf die Erhebung von Patientendaten verzichten und sämtliche Daten in der CH/DE verarbeitet werden.
Weitere Informationen unter nostic.ch
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