Der Einsatz von KI wirft auch in der Rechtsbranche Fragen auf. Mandantinnen und Mandanten erwarten, dass Kanzleien und Rechtsberatungen die neuesten Tools im Einsatz haben, um schneller und vielleicht auch kostengünstiger Akten und Verträge durchzusehen – oder via Chatbot erste Antworten auf einfache juristische Fragen zu bekommen. Was wird aus dem Rechtsbüro der Zukunft, wenn die KI mindestens im Vorzimmer sitzt?
Viele Anwältinnen und Anwälte sind sich einig, dass KI heute schon zu einer Arbeitserleichterung führt, wenn es um das bis dato zeitaufwendige Durchsehen von Akten geht – oder Verträge nur bei bestimmten Paragrafen angepasst werden müssen. Extra eingesetzte Legal Teams erproben, was geht – und wie die Mitarbeitenden die verschiedenen Tools einsetzen können, um in ihrem jeweiligen Bereich einfacher und effizienter arbeiten zu können.
Die Entwickler der entsprechenden KI-Tools und Plattformen nehmen die besonderen Anforderungen an rechtlich einwandfreie Antworten oder Datenrückgriffe dabei keineswegs auf die leichte Schulter. Antworten, so der Gründer und Geschäftsführer eines führenden deutschen Legal-Tech-Unternehmens, dürften nie »aus dem Bauch heraus« entstehen, sondern ausschließlich auf Basis geprüfter Gesetze, Urteile und validierter Datenbestände. Jede Auswertung müsse mit klaren Fundstellen belegt und revisionssicher protokolliert werden. Im besten Fall gebe es automatische Qualitätschecks, die Widersprüche oder Risiken erkennen und diese transparent machen. Auch die Übertragung oder das Format, in dem die Ergebnisse einer Suche oder Recherche präsentiert werden, sollten in vertrauten juristischen Formaten wie Gutachtenaufbau oder Schriftsatzstruktur erscheinen, sodass sie direkt weiterverwendet werden können.
Anfangen – mit Augenmaß
Das Spiel mit den Möglichkeiten sollten Rechtsberatende lieber früher als später wagen. Es gehe schließlich nicht darum, sofort die gesamte Organisation umzukrempeln, sondern sich schrittweise an die Möglichkeiten des KI-Einsatzes heranzutasten – um dann selbst die besten Betätigungsfelder auszusuchen und miteinzubeziehen. Tatsächlich zeige sich in den zeitintensiven Routinearbeiten, etwa beim Erstellen von Schriftsatzentwürfen, der Analyse großer Dokumentenmengen oder der Beantwortung wiederkehrender Rechtsfragen das eigentliche Potenzial von KI. Wichtig sei dabei, dass die Technologie sich nahtlos in bestehende Systeme und Workflows integriert – denn nur so werde sie wirklich genutzt und nicht zum Nice-to-have.
Dort, wo heute noch klare Grenzen gezogen werden, wird es Übergänge geben.
Selbstbewusstsein ist gefragt, denn wer frühzeitig weiß, welche Tätigkeiten man der KI überlassen kann und welche ein menschliches Ermessen erfordern, hat bereits den ersten Schritt getan – und kann mit einer neuen Effizienz nicht nur die Mitarbeitenden, sondern eben auch die Mandantinnen und Mandanten begeistern, die im digitalen Zeitalter erste Einschätzungen schneller denn je auf ihrem Tisch haben wollen.
Weniger Routine, mehr Strategie
Dass Anwälte und Inhouse-Juristen einen Großteil ihrer Zeit immer noch mit der Informationsbeschaffung und Strukturierung verbringen, könnte bald der Vergangenheit angehören. Überhaupt sehen erste Anwältinnen und Anwälte den »Partner KI« als Befreiung an, der, weil er zuverlässig und schnell die Recherche und Aufbereitung von Informationen übernehme, mehr Zeit für das Finden von Strategien lässt, für die eigentliche juristische Argumentation, die Bewertung von Risiken und die Entwicklung von Verhandlungslinien. Dass der Blick zwischendurch immer mal auf die KI gehen werde, um relevante Rechtsfragen, alternative Argumentationsstränge oder mögliche Gegenpositionen zu checken, könnte die menschliche Strategiefindung und Analyse der Erfolgsmöglichkeiten zusätzlich befruchten.
Auch auf das Jurastudium wird KI erheblichen Einfluss haben. Das klassische Auswendiglernen könnte durch generative KI immer unwichtiger werden. Dafür könnten die korrekte Einordnung von Ergebnissen, Strategiegeschick und Kommunikationsmethoden mehr in den Vordergrund rücken. Der Einsatz von KI kann womöglich auch das Prüfsystem verändern, wenn Hausarbeiten von mündlichen Prüfungen zum Wissen-und-System-Verständnis verdrängt werden. Dort, wo heute noch klare Grenzen gezogen werden, wird es Übergänge geben, ein Hin-und-Her zwischen automatisierten Datenchecks und individueller Interpretation und Lösungsfindung.
Was wird also aus dem Rechtsbüro der Zukunft, wenn KI mindestens im Vorzimmer sitzt? Eine umfassendere Strategieberatung, die den Menschen und dessen individuelles Leben und Arbeiten mit dem bestmöglichen Wissen in den Vordergrund rückt.
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