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Nachhaltigkeit Innovation

Wieso der Triple-Bottom-Line-Ansatz heute aktueller denn je ist

26.11.2020
von Patrik Biberstein

Triple Bottom Line ist eines der ersten Konzepte im Bereich Ökologie und soziale Verantwortung. Doch was ist genau damit gemeint? Wie entstand diese Theorie? Und inwiefern ist sie heute noch aktuell? «Fokus» hat mit einer zentralen Figur des Modells gesprochen. 

In der heutigen Zeit ist Nachhaltigkeit im ökologischen Sinn kaum mehr aus unserem Alltag wegzudenken. Fridays For Future, Elektromobilität und politische Entscheide dahingehend, um nur einige Beispiele zu nennen, sorgen dafür, dass die Menschheit nicht vergisst, dass alles ein Ende hat – auch das Wohlergehen und die Ressourcen unseres Planeten. Dieses Bewusstsein hat es auch in die Unternehmenswelt geschafft, wo man mit zahlreichen Konzepten versucht, sowohl wirtschaftlich als auch umwelttechnisch nachhaltig zu agieren. Eines der ersten Konzepte, welches dies in Angriff nahm, ist der Triple-Bottom-Line-Ansatz.

Was ist diese Triple Bottom Line? 

Der Ausdruck Triple Bottom Line (TBL) lehnt sich an die Buchhaltung an: Unter der Bottom Line, dem «Schlussstrich» einer «Profit and Loss»-Auflistung, steht der Saldo. Das Konzept TBL besteht, wie der Name vermuten lässt, aus einem dreifachen Schlussstrich; nicht nur das finanzielle, sondern auch das ökologische und das soziale Handeln der Firma wird darunter subsummiert. Der Saldo ist also nicht nur monetärer Natur, sondern berücksichtigt ebenso den Einfluss auf Mensch und Umwelt. Geprägt wurde das TBL-Konzept – im Deutschen unter anderem als Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit bekannt – durch den berühmten Autor, Berater und Serien-Entrepreneur John Elkington.

Genesis: Die Anfänge der TBL

Die Anfänge des Modells vor über einem Vierteljahrhundert erläutert Elkington «Fokus» gegenüber: «Damals konzentrierten sich die Wirtschaftsführer auf Ökoeffizienz, auf die Suche nach Möglichkeiten, die Umwelt zu schützen und durch verbesserte Ressourceneffizienz Geld zu verdienen. Ich war der Meinung, dass ein breiterer Rahmen erforderlich war, in dem man die finanzielle Seite um die wirtschaftlichen Folgen erweiterte und die soziale Dimension hinzufügte – was zu jener Zeit ziemlich umstritten war.»

Seine Absicht dahinter war es, die «kurzsichtige Blickweise», welche durch die Fixierung auf ökonomische Auswirkungen geschäftlichen Handelns auferlegt wird, auszuweiten.

Das Konzept TBL besteht, wie der Name vermuten lässt, aus einem dreifachen Schlussstrich; nicht nur das finanzielle, sondern auch das ökologische und das soziale Handeln der Firma wird darunter subsummiert.

Was danach geschah…

Heutzutage erfreuen sich nachhaltige Investitionen, Impact Investing, Corporate Social Responsibility und viele andere Begriffe grosser Beliebtheit. John Elkington charakterisiert die Wirkung «seines» Drei-Säulen-Modells der Nachhaltigkeit dahingehend als riesig. Beispielsweise gerade der ESG-Investitionsbewegung, welche in letzter Zeit massiv an Zugkraft gewonnen hat, habe der Triple-Bottom-Line-Ansatz als Inspirationsquelle gedient. Trotz den nicht zu leugnenden – positiven – Auswirkungen des Konzepts, schlug John Elkington im Jahr 2018 in einem Artikel, den er für die Harvard Business Review verfasst hat, einen strategischen «Produkt-Recall» vor.

Wieso TBL «zurückgerufen» worden ist

Wie Elkington es nannte, bedarf das Konzept einiger «Feinjustierungen». Denn obwohl der Nachhaltigkeitssektor rapide wächst und in Zukunft noch viel grösser werden wird – die Sustainable Development Goals (SDGs) der UN prognostizieren Marktchancen von mindestens zwölf Billionen Dollar jährlich – so ist die Gesamtbilanz nicht unbedingt positiv. Denn, so hält Elkington fest, «Erfolg und Misserfolg puncto Nachhaltigkeitsziele lassen sich nicht nur anhand von Gewinn und Verlust messen. Man muss ihn auch am Wohlergehen von Milliarden von Menschen und an der Gesundheit unseres Planeten messen. Die Bilanz des Nachhaltigkeitssektors in puncto Umsetzung dieser Ziele ist ausgesprochen gemischt.»

Denn leider verstehen viele TBL nicht richtig; das Konzept war nie als reines Rechnungslegungsinstrument angedacht, manche sehen es jedoch als solches an. Viele der early adopters sahen in TBL einen Balanceakt, nahmen eine Trade-Off-Mentalität an. Dabei sollte das Triple Bottom Line Konzept doch viel mehr sein. Beispielsweise eine Anregung zum Nachdenken über den Kapitalismus und seine mögliche Zukunft.

Ist TBL gescheitert? 

«Wir starteten Untersuchungen zum Kapitalismus von morgen – und kamen zu dem Schluss, dass, obwohl an dem TBL-Konzept an sich nichts falsch ist, der Erfolg sehr stark von dem verwendeten Rahmen abhängt.» Als Elkington und eine Mitarbeiter tiefer gegraben haben, wurde klar, dass fast alle unternehmerischen Anstrengungen im Streben nach Nachhaltigkeit sich bisher auf die Agenda der Verantwortung konzentriert hatten.

Wenn die TBL im Rahmen von Massnahmen zur unternehmerischen Verantwortung eingesetzt wird, wie bei den meisten Aktivitäten im Bereich der sozialen Verantwortung von Unternehmen gemeinsamer Wertschöpfung (Create Shared Value), kann das Ergebnis nützlich und willkommen sein, aber es wird eher zu einem inkrementellen Änderungen als zu einem Systemwandel führen.

John Elkington führt aus: «Dies hat zum Resultat, dass die Verschlechterung wichtiger Systeme, von denen wir alle abhängig sind, andauert. Die Auswirkungen können wirtschaftlicher (wie bei der Globalisierung und den globalen Institutionen), sozialer (wie beim Vertrauen und der Bereitschaft, in die Zukunft zu investieren) und ökologischer (wie bei den Notfällen im Bereich Klima und biologische Vielfalt) Art sein. Facebook kann also ein CSR- oder Shared-Value-Programm haben – und dennoch weiterhin die Demokratie untergraben.»

Deshalb ist die Regeneration jetzt so wichtig. Das setzt allerdings bedeutende und nachhaltige Investitionen in den Wiederaufbau der Gesundheit unserer wirtschaftlichen, sozialen, ökologischen und politischen Systeme voraus. Diese Investitionen zahlen sich in Zukunft allerdings garantiert aus; denn gesunde Systeme neigen dazu, widerstandsfähiger zu sein.

Text Patrik Biberstein

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