Kommt 2021 die grosse Pleitenwelle?
Im Mai dieses Jahres erschloss sozusagen die »Schonfrist für Firmen«: Dann nämlich endete die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht. Mit dieser wurden Unternehmen während der Coronapandemie vor der Pleite bewahrt. Fachleute befürchten nun, dass sich im Laufe dieses Jahres eine Welle an Insolvenzen auftürmen wird.
Man muss keine Wirtschaftsexpertin und kein Finanzanalyst sein, um abschätzen zu können, dass Covid-19 mit seinen weitreichenden wirtschaftlichen Auswirkungen auch zu deutlich mehr Firmenpleiten führen könnte. Schließlich waren die Auslöser der Wirtschaftskrise mehr als augenfällig: Internationale Lieferketten brachen zusammen, Rohstoffe wurden in der Folge rar und diverse Firmen mussten im Lockdown ihre Tore schließen.
Natürlich war sich die Bundesregierung dessen bewusst und erließ unter anderem eine Aussetzung der Insolvenzantragspflicht. Das Gesetz sollte Unternehmen schützen, die infolge der Coronapandemie in Schieflage geraten waren. Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht galt aber nur, wenn die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Betriebs pandemiebedingt hervorgerufen wurden – und mit einer Auszahlung der Hilfen zu rechnen war.
Die Ruhe ist vorbei, nun braut sich der Sturm zusammen
Das Gesetz galt bis Ende April dieses Jahres, ab sofort ist die Schonfrist für bedrängte Unternehmen vorüber. Wie präsentiert sich also die Datenlage? Ein Blick zurück ins vergangene Jahr belegt die Wirksamkeit der Aussetzung: 2020 meldeten nämlich nur rund 16 000 Unternehmen in Deutschland Insolvenz an – diese Zahl war seit der Einführung der Insolvenzordnung 1999 nicht mehr so tief ausgefallen. Doch wie »Springer Professional« in einem Beitrag von Anfang Mai festhält, rechnen verschiedene Wirtschaftsinstitute mit einer Vielzahl sogenannter »Zombieunternehmen«. Damit sind Betriebe gemeint, die zwar noch als aktiv gelten, nicht aber wirtschaftlich überlebensfähig sind. Und die ohne die Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen wahrscheinlich bereits vom Markt verschwunden wären.
Dass diese Firmenpleiten aufgeschoben, nicht aber aufgehoben sind, befürchtet auch das »Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung« (ZEW): Da aufgrund der ausgesetzten Insolvenzantragspflicht die Anträge 2020 auf ein Rekordtief gesunken sind, drohe nun in den kommenden Monaten ein erneuter Anstieg. Vor allem der Dienstleistungs- sowie der Handelssektor seien betroffen, schreibt das ZWE. Auch kleinere, ältere sowie Einzelunternehmen werden mit der Insolvenzantragspflicht wieder deutlich mehr Insolvenzen verzeichnen, wie eine entsprechende Studie des ZEW Mannheim in Kooperation mit Creditreform aufzeigt.
Die Kleinen trifft die Pleitenwelle härter
Unter anderem untersuchen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, ob die Rechtsform eines Unternehmens die Insolvenzzahlen beeinflusst. So verzeichnen vollhaftende Unternehmen eine niedrigere Quote an Insolvenzanmeldungen als solche mit beschränkter Haftung. »Unternehmen, die mit ihrem gesamten Vermögen haften, sind mit weitreichenden Konsequenzen konfrontiert. Sie haben deshalb die Möglichkeit zur Aussetzung der Insolvenz überproportional genutzt. Nach Rückkehr zur Insolvenzantragspflicht sollten die Insolvenzen dieser Haftungsform jedoch wieder ein höheres Niveau erreichen«, wird Dr. Georg Licht in einer offiziellen Mitteilung zitiert. Licht leitet den ZEW-Forschungsbereich »Innovationsökonomik und Unternehmensdynamik« und ist Co-Autor der Studie.
Die Untersuchung der Unternehmensinsolvenz nach Beschäftigung zeigt, dass insbesondere kleine Firmen bis zehn Mitarbeitende sowie Selbstständige und Freiberufler anfällig für die negativen Auswirkungen der Coronakrise sind. »Die Anzahl insolventer Unternehmen mit kleiner Mitarbeiterzahl geht bis September 2020 deutlich zurück, während die Insolvenzanmeldungen Ende des Jahres wieder einen Anstieg erfahren. Es ist auch hier zu erwarten, dass Insolvenzen bei dieser Unternehmenskategorie in den kommenden Monaten weiter zunehmen werden«, erläutert Georg Licht. Vor allem kleine Unternehmen mit begrenzten Bargeldreserven und geringen Sicherheiten für die Inanspruchnahme neuer Kreditlinien seien einem hohen Insolvenzrisiko ausgesetzt. Die Studie stellte außerdem fest, dass seit der Pandemie die Zahl an Insolvenzanträgen durch Unternehmerinnen und Unternehmer über 65 Jahre zu den Insolvenzzahlen jüngerer (unter 35 Jahren) aufschließt. Und: »Die Corona-Pandemie trifft weibliche und ältere Unternehmende sowie einzelne stärker«, erklärt ZEW-Wissenschaftler Georg Licht.
Text SMA
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