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Deutschland Recht

Trade and Defence, ein ganz besonderer Markt

25.09.2025
von SMA

Insgesamt ist das Bundeswehrbeschaffungsbeschleunigungsgesetz (BwBBG) angesichts der aktuellen Bedrohungslage nachvollziehbar und notwendig. Das BwBBG und der Entwurf zum BwPBBG-E bieten privaten Investor:innen, Start-ups und der europäischen Verteidigungsindustrie Chancen für eine schnellere Modernisierung der Bundeswehr, bergen aber auch Risiken.

Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine 2022 wurde die Modernisierung der Bundeswehr zur zentralen sicherheitspolitischen Priorität Deutschlands und Europas. Das BwBBG erleichtert zeitweise Vergabeverfahren, Umweltprüfungen und Genehmigungen, um militärische Beschaffungen zu beschleunigen. Mit dem im Juli 2025 beschlossenen BwPBBG-E soll dieser Ansatz bis 2030 weitergeführt werden, um eine glaubwürdige und schlagkräftige Verteidigungsbereitschaft aufzubauen.

Neue Finanzierungsperspektiven

Die Beschaffung und Modernisierung so ziemlich aller militärischen Bereiche erfordert den Einsatz enormer öffentlicher Mittel, die jedoch nicht zur alleinigen Finanzierung ausreichen dürften. Deshalb soll nun mehr privates Kapital in die Verteidigung fließen. Für Banken, institutionelle Anleger und Private-Equity-Gesellschaften ergeben sich damit neue Renditechancen. Durch den Abbau regulatorischer Barrieren steigt die Attraktivität von Investitionen in Rüstungsunternehmen, Reformen wie die geplanten Buy-European-Klauseln könnten zudem Investitionen innerhalb der EU bevorzugen und somit die europäische Souveränität stärken. Für Private Equity ergeben sich damit neue Einstiegs- und Exit-Optionen, die noch vor Kurzem in dieser Form nicht denkbar gewesen wären.

Chancen für Start-ups und Technologieunternehmen

Neben den großen, etablierten Rüstungskonzernen treten zunehmend Tech-Start-ups mit Dual-Use-Technologien auf den Plan. Innovationen in den Bereichen künstliche Intelligenz, Cybersicherheit und Drohnentechnik eröffnen ganz neue operative Möglichkeiten für Streitkräfte. Anders als klassische Rüstungsunternehmen, die oft Jahre für die Entwicklung neuer Systeme benötigen, bringen Start-ups Agilität und kurze Innovationszyklen mit. Doch das Eis für Start-ups ist dünn, denn im Verteidigungsbereich unterscheiden sich die Regeln deutlich vom »normalen« Markt. So ist vielen Gründer:innen gar nicht bewusst, dass ihre Produkte exportkontrollpflichtig sein könnten – und Verstöße gegen die Exportkontrollregeln ziehen hohe Strafen nach sich. Sie müssen also frühzeitig eine belastbare Trade-Compliance-Struktur aufbauen. Auch die sogenannte Investitionskontrolle ist eine Besonderheit, denn Beteiligungen ausländischer Investoren an Defence- oder Tech-Start-ups lösen häufig Meldepflichten und Vollzugsverbote aus.

Internationale Exportkontrollen und europäische Zusammenarbeit

Ein weiterer Stolperstein sind internationale Exportkontrollen. Viele europäische Projekte werden inzwischen bewusst als »ITAR-free« aufgesetzt, um nicht unter die strengen US-Regularien (International Traffic in Arms Regulations) zu fallen. Damit soll die Abhängigkeit von US-Genehmigungen reduziert werden. Allerdings hat Deutschland nicht nur besonders strenge Datenschutzregeln, sondern auch verschiedene Sonderregeln bei Einfuhr und Einbau militärischer Komponenten. Manche Länder verzichten deshalb lieber auf deutsche Komponenten (»German-free«), um deutsche Vetos zu vermeiden.

Direktvergaben nach Art. 346 AEUV

Das BwPBBG-E präzisiert außerdem die Bedingungen für Direktvergaben. Nach Art. 346 AEUV dürfen Mitgliedstaaten Aufträge ohne reguläres Vergabeverfahren erteilen, wenn wesentliche Sicherheitsinteressen betroffen sind. Deshalb rechnet Deutschland Beschaffungen für die europäische Verteidigungsbereitschaft oder die Nato nun pauschal zu diesen »wesentlichen Sicherheitsinteressen«. Das schafft Rechtsklarheit, birgt aber auch Konfliktpotenzial gegenüber Brüssel, da die EU-Kommission auf eine enge Auslegung dieser Ausnahme besteht. Besonders kritisch ist der Umgang mit Dual-Use-Gütern, die militärisch und zivil genutzt werden können: Hier neigt die EU zu restriktiveren Positionen als die Mitgliedstaaten.

Aus staatlicher Perspektive sind die Vorteile des neuen Gesetzes offenkundig: Beschaffungen erfolgen schneller, sodass die Truppe zeitnah modern ausgestattet ist und Deutschland seine Bündnisverpflichtungen zuverlässiger erfüllt. Für die Industrie entstehen mehr Planungssicherheit und bessere Investitionschancen, während Buy-European-Regeln die europäische Rüstungsindustrie stärken. Die Einbindung von Start-ups und Tech-Unternehmen steigert zusätzlich Innovationskraft und Modernisierung.

Geopolitische Spannungen und Risiken

Neben den Chancen bestehen allerdings auch erhebliche Risiken. Geopolitische Spannungen wie chinesische Exportrestriktionen für seltene Erden gefährden die Lieferketten. Diese Rohstoffe sind unverzichtbar für Hightech-Waffensysteme und könnten für Europa ähnliche Abhängigkeiten schaffen wie zuvor das russische Gas.

Kritiker wie Transparency International warnen, dass mit dem Abbau von Vergaberegeln Transparenz, Wettbewerb und Korruptionsschutz leiden. Wenn Ausschreibungen reduziert oder umgangen werden, können Preise steigen. Der Bundesrechnungshof kritisiert regelmäßig überhöhte Kosten und unzureichendes Projektmanagement bei Eilbeschaffungen. Auch die parlamentarische Kontrolle wird geschwächt, da Einspruchsmöglichkeiten und Prüfungen verkürzt werden.

Darüber hinaus drohen Qualitäts- und Sicherheitsrisiken durch verkürzte Zertifizierungen, umgangene Umweltprüfungen sowie ein Demokratiedefizit durch geschwächten Bundestag. Temporäre Ausnahmegesetze könnten sich als dauerhafte »Notrecht«-Strukturen etablieren.

Einerseits ist das neue Gesetz mit dem sperrigen Namen zweifelsohne notwendig und sinnvoll, andererseits darf die schnelle Handlungsfähigkeit nicht ohne unsere rechtsstaatlichen und demokratischen Prinzipien entstehen. Nur dann kann das Gesetz nachhaltig zur Stärkung von Bundeswehr und europäischer Verteidigungsfähigkeit beitragen, ohne neue strukturelle Schwächen zu schaffen.

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