raised purple fist of a man for international men's day and the feminist movement. march 8 for feminism, independence, freedom, empoment, and activism for men rights. symbolbild finanzielle unabhängigkeit
iStock/Adrian Vidal
Die Frau

Frauen müssen den Schritt in die finanzielle Unabhängigkeit selbst wagen

29.06.2024
von Linda Carstensen

Ein Mann hat in der Schweiz im Durchschnitt deutlich mehr Geld zur Verfügung als eine Frau. Diese Ungerechtigkeit nimmt bereits in jungen Jahren ihren Lauf und zieht sich bis ins Pensionsalter. Doch warum ist diese finanzielle Ungleichheit überhaupt so ausgeprägt und was können Frauen dagegen tun?

Sobald das erste Kind auf dem Weg ist, reduzieren viele Frauen ihr Arbeitspensum. Auch nach der Geburt und während des Kleinkindalters arbeiten sie häufig weiterhin Teilzeit, da sie sich primär für die Familie verantwortlich fühlen. In solchen Fällen ist es mehrheitlich der Mann, der das Haupteinkommen nach Hause bringt. Arbeitet eine Frau nur Teilzeit, reicht das oft nicht aus, um eine nachhaltige Karriere aufzubauen. Sprich: Fällt der Mann weg, sind viele Frauen nicht mehr in der Lage, ihre Kinder – und meist nicht einmal sich selbst – finanziell zu versorgen. Von der Altersvorsorge ganz zu schweigen.

60 Prozent der Frauen, deren Kinder bereits ausser Haus sind, verdienen nicht genug Geld, um für sich selbst zu sorgen. Zu diesem Ergebnis kam eine Studie von Sotomo und annabelle aus dem Jahr 2021. Bei Frauen mit betreuungsbedürftigen Kindern waren es sogar 80 Prozent. Die Ursache für diese finanzielle Ungleichheit und Abhängigkeit der Frauen liegt einerseits beim Lohnunterschied, andererseits bei der gesellschaftlich anerkannten Rollenverteilung. 

«Bereits im jungen Alter werden wir in unserer Beziehung zu Geld von unseren Eltern geprägt», erklärt Sarah Althaus. Die Finanzbloggerin und Budgetberaterin unterstützt Familien auf ihrem Weg zur finanziellen Freiheit. «Den Mädchen wird schon von Anfang an eine Barriere in den Kopf gesetzt: Während sie angeblich gut in Sprachen sind, wird den Jungs eher Kompetenz in der zahlenlastigen Mathematik zugeschrieben.» Diese Ungleichbehandlung zieht sich bis ins Erwachsenenalter. Dass Frauen ihr Pensum reduzieren, wenn das erste Kind auf die Welt kommt, ist laut Althaus ein ungeschriebenes Gesetz. Viele Jungs bekommen auch mehr Sackgeld, damit sie mal ein Mädchen einladen können. Schon früh wird ihnen die Rolle des Mannes als Ver- und Vorsorger eingetrichtert. 

Diese geschlechtsspezifischen Unterschiede in der finanziellen Erziehung setzen sich später im Berufsleben fort und manifestieren sich in gravierenden Lohnunterschieden. Während der Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen im Alter zwischen 20 und 50 Jahren durchschnittlich bei etwa 8 Prozent liegt, steigt er im Alter von 55 bis 63 Jahren auf über 50 Prozent. Eine 60-jährige Frau, die kurz vor Pension steht, hat also den grössten Gender-Pay-Gap. Auch der darauffolgende Gender-Pension-Gap liegt bei rund 50 Prozent. 

Doch wie setzen sich die Lohnunterschiede überhaupt zusammen? Während es erklärte Lohndifferenzen gibt, gibt es auch unerklärte, für die es keine direkt nachvollziehbaren Gründe gibt.

Lohndifferenzen

Erklärte Lohndifferenz: Die Mehrheit der Lohnunterschiede entsteht durch unterschiedliche Karriereverläufe aufgrund von Familiengründung, eines tieferen Pensums oder weniger Weiterbildungen etc. Diese Lohndifferenz kann mit Ursachen begründet werden und nennt sich deshalb erklärte Lohndifferenz.

Unerklärte Lohndifferenz: Die unerklärte Lohndifferenz entsteht aufgrund eines unbewussten Bias. Frauen erhalten weniger Lohn für dieselbe Tätigkeit wie ein Mann – mit den genau gleichen Voraussetzungen – weil ihnen beispielsweise weniger zugetraut wird und die Männer als Ernährer mehr Geld verdienen müssen. Dieser Bias entsteht vor allem in männertypischen Branchen wie dem Bau, der Landwirtschaft sowie in der Finanz- und Versicherungswelt. Diese Lohndifferenz ist sehr schwierig zu beseitigen, weil sie eben unerklärt ist. Personalverantwortliche müssten darauf aufmerksam werden und sich darum bemühen, die Löhne fair zu gestalten.

Frauen und Finanzen

Frauen sollten ihre finanziellen Kompetenzen schärfen. Und zwar so früh wie möglich. Das empfiehlt auch Althaus. Wann muss ich anfangen zu sparen? Wie kann ich investieren? Und wie kann ich Lohnforderungen durchbringen? Solche Fragen müssen sie sich stellen – und nach Antworten suchen. «Viele Frauen denken, dass Finanzen total langweilig sind, dabei können sie mega sexy sein», bekräftigt Althaus. Die Finanzbloggerin und ihr Mann besuchen regelmässig Kurse und Seminare, um ihr Wissen zu verfeinern. Heute sind beide abgesichert und können finanziell unabhängig voneinander agieren.

Dafür braucht es eine Auseinandersetzung und ehrliche Kommunikation. «Man muss sich finanziell gläsern machen», so Althaus. Und gerade am Anfang einer Beziehung seien Finanzen häufig ein Tabu-Thema. Die zweifache Mutter möchte betonen, wie spannend es sein kann, über Finanzen zu reden. «Es gibt ganz viele interessante Themen, über die man sich als Paar austauschen kann. Was denkst du über Geld? Wie bist du aufgewachsen? Was willst du deinen Kindern mitgeben?» Und wenn man die Grundprinzipien von Finanzen verstanden habe, sei es auch gar nicht so kompliziert. 

Ein fairer Lohn bedeutet mehr als nur finanziellen Ausgleich – er steht für Unabhängigkeit und ermöglicht ein selbstbestimmtes Leben.

Finanzielle Unabhängigkeit für Selbstbestimmung

Das übergeordnete Ziel sind eigentlich die Selbstermächtigung der Frau sowie die Gleichstellung zwischen Mann und Frau, damit beide Teilzeit arbeiten können und sich so eine gleichberechtigte Entwicklung abzeichnet. «Dabei geht es nicht nur darum, dass sich Frauen immer das kaufen können, was sie wollen, sondern auch um die Möglichkeit, eine Beziehung dann zu verlassen, wann sie wollen», erklärt Althaus, «und nicht aufgrund einer finanziellen Abhängigkeit darin gefangen sind.»

Ein fairer Lohn bedeutet mehr als nur finanziellen Ausgleich – er steht für Unabhängigkeit und ermöglicht ein selbstbestimmtes Leben. Denn finanzielle Unabhängigkeit bedeutet finanzielle Freiheit. Diese Freiheit erlaubt es Frauen, ihre Lebensentscheidungen unabhängig von finanziellen Zwängen zu treffen, ihre beruflichen Ambitionen zu verfolgen und gleichzeitig eine stabile Zukunft für sich und ihre Familien zu sichern. 

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