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Der Scheidungsprozess: Ablauf, Rechtsmittel und Planung

04.09.2020
von SMA

Fällt das Stichwort Scheidungsprozess, kommt das Gespräch schnell auf Schauergeschichten. Darunter auch jene von jahrelangen, nicht enden wollenden Gerichtsverfahren mit emotionalen Berg- und Talfahrten und exorbitanten Anwalts- und Gerichtskosten. 

Auch wenn den Ehegatten der Scheidungsprozess manchmal wie ein Labyrinth ohne Ausgang erscheint, ist der Ablauf des Prozesses strikt geregelt. Er ist im Wesentlichen in vier Phasen aufgeteilt:

Prozessablauf

Zuerst werden die Parteien vom Gericht zur Einigungsverhandlung vorgeladen. In dieser versucht das Gericht, mit den Parteien eine Einigung zu erzielen. Schliessen die Parteien eine Vereinbarung, ist der Scheidungsprozess beendet.

Gelingt die Einigung nicht, folgt als zweite Phase der Schriftenwechsel. In dieser Phase haben beide Parteien je zwei Mal Gelegenheit, die Fakten zu allen streitigen Scheidungsfolgen schriftlich vorzutragen. Diese Phase ist deshalb wichtig, weil nach deren Ende keine neuen Tatsachen mehr eingebracht werden können. Z.B. kann die Ehefrau nach dem Ende des Schriftenwechsels nicht mehr nachtragen, ihr sei in den Sinn gekommen, dass der Ehemann im Ausland ein Konto habe, auf welches er einen Teil seiner Ersparnisse transferiert habe.

Die dritte Phase ist die Hauptverhandlung. Darin können die Parteien die rechtlichen Konsequenzen darlegen, welche sich aus den im Schriftenwechsel zusammengetragenen Fakten ergeben.

In der vierten Phase werden die Beweise erhoben. In Scheidungsprozessen sind dies vor allem Gutachten zum Wert des Vermögens. Sind alle Beweise abgenommen, dürfen die Parteien das Ergebnis des Beweisverfahrens kommentieren und so dem Gericht darlegen, wie die Beweise zu würdigen sind.

Danach fällt das Gericht das Urteil und schliesst den Prozess ab. Allerdings haben beide Parteien das Recht, das Urteil anzufechten. Die Zivilprozessordnung sieht zwei Rechtsmittelinstanzen vor: die obere kantonale Instanz und das Bundesgericht.

Rechtsmittel

In den Rechtsmittelverfahren kann man nicht das ganze Verfahren noch einmal neu aufrollen, sondern das Gesetz schränkt die möglichen Argumente ein, insbesondere für die Beschwerde an das Bundesgericht. Das führt häufig dazu, dass das obere kantonale Gericht de facto die letzte Rechtsmittelinstanz ist, weil das Bundesgericht die entscheidende Frage nicht mehr prüft.

In den Rechtsmittelverfahren kann man nicht das ganze Verfahren noch einmal neu aufrollen, sondern das Gesetz schränkt die möglichen Argumente ein, insbesondere für die Beschwerde an das Bundesgericht.

Das Bundesgericht geht nämlich vom Sachverhalt aus, welchen die letzte kantonale Instanz festgestellt hat und prüft nur noch, ob diese das Recht auf diesen Sachverhalt richtig angewendet hat. Ist z.B. das kantonale Obergericht zum Schluss gekommen, die Ehefrau habe nicht beweisen können, dass der Ehemann im Ausland ein Konto habe, nützt es der Ehefrau wenig, sich beim Bundesgericht darüber zu beschweren, sie habe eine zu tiefe güterrechtliche Ausgleichszahlung erhalten, weil das kantonale Gericht das ausländische Konto nicht berücksichtigt habe. Das Bundesgericht prüft nicht mehr, ob es dieses Konto tatsächlich gibt, und es berücksichtigt auch einen Kontoauszug nicht mehr, den die Frau mit ihrer Beschwerde einreicht.

Ob es sinnvoll ist, ein Rechtsmittel zu ergreifen, hängt also nicht nur davon ab, ob das Urteil falsch ist, sondern auch davon, ob man die prozessualen Hürden des Rechtsmittels überwinden kann.

Planung

Die Prozessführung ist Aufgabe des Gerichts. Das Gericht ist daran interessiert, Prozesse effizient zu erledigen. Die Parteien können dazu beitragen, dass dies gelingt.

Jede Partei muss sich überlegen, was ihre Ziele im Scheidungsprozess sind. Es kann sich lohnen, sich auf die wesentlichen Punkte zu konzentrieren und Nebenpunkte wegzulassen. Der Streit um kleine Beträge kann grosse Aufwendungen für die Darstellung des Sachverhalts und die Beweisführung erfordern, welche den Betrag, um den es geht, übersteigen und den Prozess aufhalten. Die Parteien können auch über Nebenfolgen, über die sie sich einig sind, eine Teilkonvention abschliessen. Dadurch reduzieren sich die Themen, über welche der Prozess geführt wird.

Jede Partei muss sich überlegen, was ihre Ziele im Scheidungsprozess sind.

Viel Zeit kann eine Partei einsparen, wenn sie ihre Eingabe rasch einreicht und nicht jede Frist maximal erstrecken lässt. Dasselbe gilt bei der Terminfindung. Eine Partei, die flexibel ist, erhält schneller Gerichtstermine, als eine Partei, welche immer für sechs Monate ausgebucht ist.

Auch das Prozessrecht bietet Möglichkeiten, das Verfahren zu beschleunigen. Man kann den zweiten Schriftenwechsel und die Hauptverhandlung kombinieren. Dadurch wird ein Teil der zweiten Phase mit der dritten Phase zusammengefasst.

Manchmal nützt es, von der Reihenfolge abzuweichen, welche das Prozessrecht vorsieht: Ist z.B. nur der Wert von bestimmten Vermögensständen streitig, nicht aber, wie der Wert zu verteilen ist, kann man diese zu Beginn des Verfahrens schätzen lassen. Dadurch kann man die streitige Frage klären, ohne das ganze Verfahren durchlaufen zu müssen.

Mit einer vorausschauenden Prozessführung kann man verhindern, dass der Scheidungsprozess zum Albtraum wird, und dafür sorgen, dass der Prozess innert nützlicher Frist zu Ende ist.

Text Markus Kraft, Fachanwalt SAV für Familien- und Scheidungsrecht

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